Olivia de Havilland: Filmlegende und Studio-Schreck

Olivia de Havilland 1937 in dem Film "Call It A Day"

Die meisten Stars aus der goldenen Ära Hollywoods haben uns schon lange verlassen, doch eine echte Filmlegende feiert heute ihren 100. Geburtstag: Olivia de Havilland. Die älteste lebende Oscar-Preisträgerin hat mit zeitlosen Meisterwerken wie "Robin Hood, König der Vagabunden" und natürlich "Vom Winde verweht" Filmgeschichte geschrieben - aber auch, indem sie den mächtigen Studiobossen Hollywoods die Stirn bot.

De Havilland wurde am 1. Juli 1916 als Kind britischer Eltern in Tokio geboren, wo ihr Vater Walter Augustus de Havilland (1872-1968) Englisch an der Kaiserlichen Universität lehrte und als Patentanwalt arbeitete. Olivia und ihre jüngere Schwester Joan (1917-2013) gerieten dagegen ganz nach Mutter Lillian Augusta de Havilland (1886-1975), die sich als Theaterschauspielerin und Sängerin einen Namen gemacht hatte. 1919 trennten sich die Eltern, als Lillian herausfand, dass ihr Mann sich mit Geishas amüsierte. Sie zog mit ihren beiden Töchtern nach Kalifornien und ermutigte beide dazu, ebenfalls Schauspielerinnen zu werden.

Mit Shakespeare nach Hollywood

Olivia de Havilland wollte allerdings nach dem High-School-Abschluss zunächst doch lieber Englisch-Lehrerin werden, spielte aber neben dem Studium in ihrer Heimatstadt Saratoga Theater. Bei einer Aufführung von "Ein Sommernachtstraum" wurde sie 1934 mit 18 Jahren von Regisseur Max Reinhardt (1873-1943) entdeckt, der sie dazu überredete, für eine Verfilmung des Stücks bei Warner Bros. zu unterschreiben und nach Hollywood zu kommen. Die junge Schauspielerin nutzte die Dreharbeiten dazu, Co-Regisseur William Dieterle (1893-1972) und Kameramann Hal Mohr (1894-1974) über ihre Arbeit auszuquetschen und herauszufinden, wie sie sich immer ins richtige Licht setzt. Der Film kam bei den Kritikern insgesamt nicht gut weg, doch de Havilland als Hermine wurde durch die Bank gefeiert.

Es folgten zwei Rollen als "Love Interest" in romantischen Komödien, ein Part der de Havilland schnell langweilte, den sie aber im Laufe ihrer Karriere nur allzu oft spielen musste. Viel mehr lag ihr da die selbstbewusste Arabella in "Unter Piratenflagge" an der Seite des damals noch unbekannten Errol Flynn (1909-1959). Der Film gehörte auch wegen der prickelnden Chemie zwischen Flynn und de Havilland zu den größten Kino-Hits des Jahres 1935. Die beiden drehten noch sieben weitere Filme zusammen, unter anderem war sie Flynns Maid Marian in dem Klassiker "Robin Hood, König der Vagabunden". Gerüchte, dass die beiden je auch abseits der Leinwand ein Paar waren, bestritt de Havilland stets - beim Dreh von "Der Verrat des Surat Khan" soll Flynn allerdings tatsächlich in sie verliebt gewesen sein.

Die Rolle ihres Lebens

Den ganz großen Wurf landete de Havilland aber 1939 mit "Vom Winde verweht". Anders als die meisten Kolleginnen, die sich um die Rolle der Scarlett O'Hara rissen, wollte de Havilland dabei von Anfang an die gutherzige Melanie Hamilton spielen. Dabei stand ihr jedoch der Vertrag mit Warner im Weg, die sie nicht an die "Vom Winde verweht"-Produktionsfirma Selznick International Pictures ausleihen wollten. Doch de Havilland ließ nicht locker - und holte Anne, die Ehefrau von Studioboss Jack L. Warner (1892-1978), zu Hilfe. "Olivia, die hinter ihren Rehaugen ein Gehirn wie einen Computer hatte, ist einfach zu meiner Frau gegangen und sie haben sich verbündet, um mich umzustimmen", erzählte Warner später. "Vom Winde verweht" wurde mit Oscars überhäuft und brachte auch de Havilland ihre erste Nominierung ein.

1942 war de Havilland für "Das goldene Tor" für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert, verlor dann aber gegen die eigene Schwester: Joan Fontaine, die unter den Nachnamen ihres Stiefvaters Karriere gemacht hatte, räumte mit Alfred Hitchcocks (1899-1980) "Verdacht" ab. Noch auf der Verleihung sollen sich die Schwestern für den Rest ihres Lebens zerstritten haben. Das erscheint besonders schade, weil es 1947 auch für de Havilland endlich mit ihrem ersten Oscar für "Mutterherz" klappte, womit die beiden das bisher einzige Geschwisterpaar mit Oscars als beste Schauspielerin wurden.

Der schwere Kampf um mehr Schauspieler-Rechte

Der Weg zum ersten Oscar war für de Havilland ohnehin besonders steinig. Die Schattenseite der goldenen Jahre Hollywoods waren die Knebelverträge, die Schauspieler an ihre Studios fesselten. Mit ihrem Wunsch nach anspruchsvolleren Rollen geriet de Havilland zunehmend mit Warner aneinander, die darauf beharrten, sie als junge Naive zu besetzen. 1943 suspendierte das Studio die Schauspielerin und verlängerte unterdessen ihren Vertrag um die Dauer der Suspendierung - damals eine übliche Praxis. De Havilland klagte gegen die unfreiwillige Verlängerung und gewann den zähen Rechtsstreit im Dezember 1944. Das Urteil zog weitreichende Änderungen des kalifornischen Arbeitsrechts nach sich, die die Rechte der Schauspieler stärkten und bis heute als "De Havilland Law" bekannt sind.

Für de Havilland war damit der Weg zu gewagteren Projekten frei, etwa die Doppel-Rolle einer Mörderin und ihrer Zwillingsschwester in dem Thriller "Der schwarze Spiegel". 1950 gewann sie für das Drama "Die Erbin" ihren zweiten Oscar. Dennoch begann in den 50ern ein langsamer Rückzug aus dem Showgeschäft, da de Havilland im anbrechenden Fernsehzeitalter immer weniger Rollen an Land ziehen konnte. 1955 zog sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem französischen Journalisten Pierre Galante (1909-1998), nach Paris. Zu ihren bemerkenswerten späteren Rollen zählen der kontroverse Horrorfilm "Lady in a Cage", der 1964 in Großbritannien verboten wurde, und Robert Aldrichs (1918-183) Thriller "Wiegenlied für eine Leiche" (ebenfalls 1964).

Späte Erfolge im TV

1965 schlug de Havilland ein weiteres neues Kapitel der Filmgeschichte auf, indem sie die erste weibliche Jurypräsidentin der Filmfestspiele von Cannes wurde. Nach einigen kleineren Rollen in den 70ern kam de Havilland in den 80ern doch noch im TV-Zeitalter an und gewann 1986 für den Fernsehfilm "Anastasia" einen Golden Globe und einen Emmy als beste Nebendarstellerin. In der Erfolgsserie "Fackeln im Sturm" war sie in einigen Folgen als Krankenschwester Mrs. Neal zu sehen. 1988 zog sich de Havilland dann ganz aus dem Filmgeschäft zurück. Eine Ausnahme machte sie 2009 für die Alzheimer-Dokumentation "I Remember Better When I Paint", wo sie den Part der Erzählerin übernahm.

De Havilland lebt nach wie vor in Paris. In der Öffentlichkeit zeigt sie sich nur sehr selten, etwa 2003 als Präsentatorin auf der 75. Oscarverleihung oder bei Ehrungen wie der Verleihung der National Medal of Arts 2008 durch US-Präsident George W. Bush oder die Aufnahme in die Ehrenlegion 2010 durch Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. Doch ganz zur Ruhe gesetzt hat sie sich nicht: 2015 teilte de Havilland mit, dass sie an ihrer Autobiografie arbeitet. Zu erzählen hat sie wahrlich genug!

Foto(s): Globe Photos, Inc./ImageCollect