Newcomerin Saskia Rosendahl hat kein Interesse an Hollywood

Saskia Rosendahl im Film "Nirgendwo"

Schauspielerin Saskia Rosendahl ("Wild") ist mit ihren 23 Jahren schon weit gekommen: 2013 war sie Shooting-Star der Berlinale, dieses Jahr drehte sie mit Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck ("Das Leben der Anderen") das Drama "Werk ohne Autor" (2017). Zunächst einmal wird man die gebürtige Hallenserin aber im Kino-Regie-Debüt von Matthias Starte sehen: In "Nirgendwo" sind sieben junge Leute auf der Suche zu sich selbst und ihrem ganz persönlichen Glück. Im Interview mit spot on news spricht Rosendahl über falsche Entscheidungen und die vermeintliche Freiheit der Generation 20 plus - und verrät außerdem ihren eigenen Plan B.

Im Film versuchen sieben Freunde in ihren Zwanzigern den richtigen Weg zu finden. Fällt der Weg dieser Generation heute schwerer als früher?

Saskia Rosendahl: Ich kann das schwer vergleichen. Ich weiß nur, was meine Mama über ihren Weg erzählt: Es gab nicht so viele Möglichkeiten. Wenn man heute aber diese unglaublich vielen Möglichkeiten hat, dann muss man auch umso mehr Entscheidungen treffen. Bei mir hat das nach der Schule angefangen. Man fragt sich "Was macht mich überhaupt glücklich?" und es braucht Zeit diese Frage zu beantworten. Meiner Meinung nach wird man in dem Konstrukt, in dem wir groß werden, nicht viel dabei unterstützt.

Wo fehlt es an Unterstützung?

Rosendahl: Ich habe das Gefühl, uns wird die Freiheit manchmal nur vorgegaukelt. Wir haben sehr viele Möglichkeiten - auf jeden Fall. Aber von außen kommt dieser Druck, irgendetwas anzufangen. Etwas zu machen, um wenigstens einen Abschluss in der Tasche zu haben. Auch das Schulsystem ist nicht so aufgebaut, dass man leicht herausfinden könnte, was man gut kann und wo man sich weiterentwickeln möchte. In erster Linie wird der Mut nicht unterstützt und der Raum nicht gegeben, sich dieser Fragen anzunehmen.

Kann man Anfang oder Mitte 20 überhaupt falsche Entscheidungen treffen?

Rosendahl: Das kann man in jedem Alter. Eine falsche Entscheidung ist es immer dann, wenn man nicht ehrlich zu sich war. Wenn man aus Gründen handelt, die nicht aus einem selbst heraus, sondern von außen kommen und man von vornherein eigentlich schon weiß, dass es einem nicht gut tut. Ansonsten kann man so viele Fehler machen, wie man auf dem Weg halt macht - und das ist nicht falsch, solange man in dem Moment auf sich gehört hat. Was daraus wird, kann man nie sagen, aber so muss man es immerhin nicht bereuen.

Haben Sie selbst auch falsche Entscheidungen getroffen?

Rosendahl: Ja, auf jeden Fall. Auch seit ich Filme drehe, gab es einige. Sei es ein Projekt oder ein Kleid, das ich angezogen, mich darin aber nicht wohlgefühlt habe. Aber keine dieser Entscheidungen war falsch. Für den Moment wusste ich es nicht besser. Und ich habe daraus gelernt. Es ist wichtig, das nächste Mal anders zu handeln.

Ihre Rolle Susu ist eher festgelegt: Sie denkt an Kinder, Familie, Haus - ähneln sie sich in dieser Hinsicht?

Rosendahl: Eher nicht. Susu ist für mich sehr nachvollziehbar, aber ich denke und fühle ganz anders. Das was ihr Sicherheit gibt in ihrem Leben - im Heimatort bleiben, der große Kinderwunsch, ein eigenes Haus haben - das würde mir im Moment vielleicht sogar eher Angst machen. Ich bin noch im Suchmodus: ausprobieren, Zeit lassen. Ich glaube, ein Problem unserer Generation ist es auch, immer zu meinen: "Dafür bin ich noch nicht bereit, das mache ich später." So geht man manchmal die Gefahr ein, bei bestimmten Sachen den richtigen Zeitpunkt zu verpassen.

Susus konservative Wünsche gelten heute unter Gleichaltrigen fast schon als verpönt. Muss man sie nicht eigentlich bewundern?

Rosendahl: Wenn das Glücklichsein in so einer scheinbaren Einfachheit geht - dann ist das voll bewundernswert. Genauso bewundernswert finde ich es, wie ein Bäcker ganz einfach zufrieden damit sein kann, seine Brote und Kuchen zu backen - und man selbst stellt sich so viele große Fragen.

Sie kommen ursprünglich aus Halle - auch nicht gerade Weltstadt. Gibt es etwas am Kleinstadtleben, was sie vermissen?

Rosendahl: Was ich vermisse, ist das, was mich am Ende auch gestört hat. Ich kann es jetzt mehr schätzen: dieses Bekannte. Man kann überall mit dem Fahrrad hinfahren, ist überall in zehn Minuten. Man hat auch ein so gut ausgebautes Netzwerk in einer Stadt, in der man lange gelebt hat. Man kann entspannter sein und weiß, wo man sein Klopapier kriegt oder wo es ein schönes Café gibt. Ich mag Kleinstädte, sie sind nicht so energieraubend.

Karrieretechnisch läuft es für Sie rund. Seit kurzem sind Sie mit Julia Jentsch und Sandra Hüller auch Teil der Kampagne "Face to Face with German Films", die deutsches Kino international promoten soll. Hat es denn eine Chance im internationalen Wettbewerb?

Rosendahl: Ja, ich mag deutsche Filme. Das trifft natürlich nicht für alle zu. Aber für mich gibt es gerade keinen Grund, in andere Länder zu schauen oder Hollywoodfilme drehen zu wollen, weil ich mich von vielen deutschen Büchern sehr angesprochen fühle. Sie werden immer mutiger. Auch wenn man merkt, die haben's echt schwer, findet da eine Veränderung statt. Sie haben auf jeden Fall das Potential.

Wohin geht die Veränderung?

Rosendahl: "Toni Erdmann" ist gerade ein gutes Beispiel. Mut, wirklich hinzuschauen, sich Zeit zu nehmen, weg vom Kommerz. Das sind Geschichten, die ich als Teil des Filmemachens selber erzählen will und die berühren.

Kürzlich haben Sie mit Florian Henckel von Donnersmarck gedreht - jemand, der gutes deutsches Kino macht?

Rosendahl: "Das Leben der Anderen" - keine Frage: das war gut. Die Arbeit mit ihm war für mich unfassbar bereichernd und ich würde es auf jeden Fall wieder machen. Vom Drehbuch bis über die Regieführung, Florian ist ein ganz schöner Kopf. Es war ein Geschenk mit ihm, ich habe viel gelernt. Ein Regisseur ist für mich wie ein Tanzpartner, er muss mich führen können. Ansonsten kann ich tanzen wie ich will, aber am Ende funktioniert es nicht gut. Die Regieführung hat für mich gestimmt. Er ist ein so genauer Beobachter und sehr feinfühlig, hat sich viel Zeit genommen, mich extrem ermutigt - als Mensch und als Schauspielerin.

Gibt es aber denn noch etwas anderes, was Sie machen wollten?

Rosendahl: Ich habe das Gefühl, wenn ich ab morgen - warum auch immer - nicht mehr drehen könnte, würde ich gerne Hebamme werden. Das war plötzlich so in meinen Kopf. Und dann ist eine gute Freundin von mir schwanger geworden und ich durfte dieses ganze Erlebnis einmal begleiten. Das kam mir immer näher, ich habe Praktika gemacht und es hat sich von vornherein richtig angefühlt. Ob ich morgen sofort damit anfangen würde, weiß ich nicht, es kommen ja noch viele andere Faktoren hinzu. Zum Beispiel, dass die Situation für Hebammen gerade extrem schlecht ist. Aber das ist auf jeden Fall ein Wunsch.

Foto(s): polybandMedien