Neue Netflix-Serie “Narcos”: Guter Stoff

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Die Lebensgeschichte von Pablo Escobar hat einen eigenen Industrie-Zweig begründet. Schon zu Lebzeiten wurde der legendäre kolumbianische Kokain-König zu einem popkulturellen Phänomen. Sein Leben, sein Wirken aber auch sein Sterben im Jahr 1993 hielt die Medienlandschaft, ganz besonders die amerikanische, auf Trab. Er wurde zum fleischgewordenen Super-Bösewicht geschrieben, den man - abgesehen von Al Capone vielleicht - sonst nur aus Comics kannte. Der Joker in Gestalt eines moppeligen Schnauzbartträgers. Hinzu kam sein verklärtes Robin-Hood-Image. “El Patrón” nahm von den Reichen und gab es den Armen. Er finanzierte Krankenhäuser und Schulen, tötete aber gleichzeitig hundertfach, skrupellos und grausam.

Escobar wurde in Büchern skizziert, in Songs besungen und in Videospielen persifliert. Nur mit Verfilmungen tat man sich lange schwer. 2001 wurde er von Cliff Curtis im Film “Blow” in einer Nebenrolle dargestellt. Mehrere Dokus behandelten seine Vita. 2014 bemühte sich Benicio Del Toro redlich, das mäßige Drehbuch von “Escobar - Paradise Lost” zu überspielen. Aber wo Hollywood zuletzt immer öfter versagt, gibt es ja die Serien-Giganten: HBO, Amazon, Netflix. Letztere haben sich nun dem Stoff angenommen.

Das serielle Erzählen ermöglicht es, Geschichten in all ihren Details und Facetten zu bebildern, Spannungsbögen aufzubauen und komplexen Sachverhalten gerechter zu werden, als das ein zweistündiger Film könnte. Autor und Produzent José Padilha (48, “Elite Squad”) weiß diese Möglichkeiten bei “Narcos” zu nutzen: Seine Charaktere sind ambivalent, die Geschichte wird vornehmlich aus zwei Perspektiven erzählt und ein abgerissener Erzähler aus dem Off erklärt historische Zusammenhänge, die mit Original-Aufnahmen und Fotos dokumentiert werden.

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Tolle Schauspieler

Die Rolle des “Don Pablo” spielt Padilhas Lieblingsschauspieler Walter Moura (39, “Elysium”). Der Brasilianer musste dafür erstmal 20 Kilo zunehmen - Escobar war Milliardär, einer der reichsten Menschen der Welt, so einer ist kein schlechter Esser. Um seine Macht zu untermauern, stellt Escobar seine Gegner vor eine Entscheidung: “Plata o plomo”. Silber oder Blei, Schmiergeld oder Tod. So wurde er zeitweise zum mächtigsten Kokain-Händler der Welt und nahm dabei mehr Geld ein, als er in einem kleinen Land wie Kolumbien verstecken konnte. “Du hast Picassos, Dalis, Fincas, Häuser, Wohnungen, Boote, Flugzeuge, Autos”, sagt seine rechte Hand Gustavo Gaviria (Juan Pablo Raba) in einer Szene zu Escobar. Weil immer noch zu viel Bargeld herumliegt, lässt er die Scheine einfach im Dschungel vergraben oder in die Couch seiner Mutter einnähen.

Mouras Spiel ist eine Schau für sich und macht die Serie alleine schon sehenswert: Mit Polohemd und Wohlstandsbauch sieht er aus wie ein tapsiger Familienvater, der, während er mit seinem Sohn im Garten spielt, über das Telefon Mordbefehle gibt. Egal ob man “Narcos” auf Deutsch oder Englisch sieht, wird in den untertitelten Szenen mit Escobar immer Spanisch gesprochen. Das klingt nicht nur verdammt cool, sondern ist auch eine mutige Entscheidung, die dem Gezeigten die nötige Authentizität verleiht.

Escobars Gegenspieler auf Seiten des Gesetzes und die Vertreter Amerikas sind die DEA-Agenten Steve Murphy, gespielt von Boyd Holbrook (33, “Gone Girl”), der auch als Erzähler fungiert, und Javier Peña, dessen Figur mit dem charismatischen “Game of Thrones”-Darsteller Pedro Pascal (40) exzellent besetzt ist. Die beiden Figuren sind an typische Ermittler aus den Hard-Boiled-Krimis eines Raymond Chandlers angelehnt: Harte Jungs, meistens rauchend, die ihrem Feindbild in Sachen Skrupellosigkeit im Verlauf der Serie in nichts mehr nachstehen.

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Prominente Vorbilder

Mehr als das Kokain fürchteten die Amerikaner in den 80er-Jahren eine weltweite rote Verschwörung. Oder, um es mit den Worten eines Polizeibeamten zu sagen: “Drogenhändler? So übel sie auch sind, sie sind nur scharf aufs Geld. Kommunisten wollen alles.” Es sind diese launig-bitteren Zwischentöne, die “Narcos” trotz der historischen Schwere eine angenehme Leichtigkeit verleihen. Wenn man so will, schnappt sich die Serie die besten Elemente aus erfolgreichen Formaten: Das Drogen-und Macht-Thema aus “Breaking Bad”, die polizeiliche Ermittlungsarbeit erinnert - wenn auch nicht ganz so detailliert - an “The Wire” und die Dunkelheit, die die beiden Polizisten umweht, kennt man aus “True Detective”. Zudem bedienen sich Padilha und sein Team bei bekannten Mafia- und Polizeifilmen wie “Der Pate” und “Goodfellas”.

Wer sich bei diesen Vorbildern bedient, kann schon mal nicht viel verkehrt machen. Das frische lateinamerikanische Setting, der Verschnitt mit historischen Aufnahmen und die exzellenten Schauspieler sorgen dafür, dass “Narcos” trotz aller Anleihen ein exzellentes alleinstehendes Werk geworden ist. Alle zehn Episoden der ersten Staffel stehen seit 28. August bei Netflix zum Abruf bereit.

Bilder: Instagram Netflix, cinepipoca, cdeg8_r0ckinjs, Text: SpotOn

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