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Neue Netflix-Serie "Biohackers": Verrät diese Serie die Zukunft der Medizin?

Gehören dank synthetischer Biologie Genkrankheiten bald der Vergangenheit an? Eine spannende Frage, deren moralischer Tragweite die neue Netflix-Serie "Biohackers" über weite Strecken aus dem Weg geht.

Alles beginnt in einem Zug. Zwei Jugendliche, offenbar ineinander verliebt, sitzen entspannt in einem Abteil - bis der verzweifelte Ruf nach einem Arzt die trügerische Ruhe durchschneidet. Wie gut, dass Mia (Luna Wedler) Medizin studiert und mit routinierten Griffen beginnt, die kollabierte Passagierin zu behandeln. Doch dann geht alles ganz schnell: Immer mehr Menschen brechen mit ähnlichen Symptomen um Luna herum zusammen. Es ist nicht schwer zu erraten, dass es sich bei der Eingangssequenz um jene "verstörenden" Szenen handelt, weswegen Netflix vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie die Veröffentlichung von "Biohackers" im April stoppte. Nun startet die neue deutsche Netflix-Serie mit vier Monaten Verspätung am 20. August.

Doch keine Sorge: Zarte Gemüter können sich die Serie trotzdem ohne Bange ansehen, denn bis auf genannte Sequenz ist "Biohackers" recht zahm geraten. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Mia, die an der Universität Freiburg ein Medizinstudium beginnt. Doch recht schnell wird klar, dass ihre Aufmerksamkeit weniger dem Pauken von Studieninhalten gehört, sondern vielmehr der Dozentin Professor Tanja Lorenz (Jessica Schwarz). Die Wissenschaftlerin gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der synthetischen Biologie, also der Veränderung menschlicher Gene mit dem Ziel der Verminderung von Krankheiten. "Synthetische Biologie macht uns von Geschöpfen zu Schöpfern", verspricht die Forscherin bei ihrer ersten Vorlesung.

Um an Lorenz heranzukommen, sucht Mia - recht plump - den Kontakt zu Lorenz' Mitarbeiter Jasper (Adrian Julius Tillmann), dessen Vertrauen und Herz die junge Studentin aber trotzdem schnell gewinnt. Dank Vitamin B und ihres schlauen Köpfchens gelingt es Mia, in den inneren Zirkel rund um die egomanische und von Ehrgeiz zerfressene Professor Lorenz vorzudringen. Mit der akademischen Senkrechtsstarterin verbindet Mia nämlich eine traumatische Vergangenheit ...

Spielen Biohacker Gott?

"Wir betreten Neuland", kündigte Regisseur, Autor und Showrunner Christian Ditter ("Türkisch für Anfänger") seine Serie an. Und tatsächlich: Bis auf die Göttinger "Tatort"-Folge "Krieg im Kopf" (2020) stand das Thema "Biohacking" bislang noch kaum im Fokus von Filmen oder Serien. Um wissenschaftlich korrekt zu arbeiten, ließen sich die Macher von Wissenschaftlern beraten. "Diese Art von Leuten entscheiden, wie es mit der Welt weitergeht", konstatierte Hauptdarstellerin Jessica Schwarz in einem YouTube-Featurette zur Serie. Gleichzeitig gab Luna Wedler zu bedenken: "Trotzdem pfuscht man in der Natur herum und weiß nicht, wie die Langzeitfolgen sind." Spielen Biohacker also nicht letztlich Gott?

Spannende moralische Fragen, die in "Biohackers" allerdings nur unzureichend aufgeworfen werden. Statt sich den ethischen Konflikten des visionären Forschungszweigs kritisch zu nähern, laufen fluoreszierende Mäuse durchs Bild oder Mias abgedrehter Mitbewohner Ole (Sebastian Jakob Doppelbauer) will mit postpubertären Bodyhacking-Experimenten seine Social-Media-Gefolgschaft beeindrucken. Auch Mias restliche Mitbewohner sind auf ihre Art Sonderlinge: Während die hochbegabte, aber sozial etwas hinterherhinkende Chen-Lu (Jing Xiang) noch schneller spricht, als sie denkt, gibt Caro Cult die hippieske Lotta.

Überhaupt dominieren in "Biohackers" über weite Strecken Coming-of-Age-Elemente: die erste Liebe, die manchmal verschwimmenden Grenzen zwischen Freundschaft und Beziehung und nicht zuletzt die Frage nach Loyalität und Vertrauen. Richtig spannend wird die sechsteilige Serie trotz des sich rasant zuspitzenden Rachefeldzugs von Mia gegen Professor Lorenz nur selten. Da hilft auch das überdrehte Finale mit übermäßiger Suspense nur bedingt. Immerhin: Eine Wendung ganz am Ende von "Biohackers" stößt die Tür zu einer zweiten Staffel ganz weit auf. Vielleicht rückt dann die Moral von der Geschicht ja mehr in den Fokus.