Networking für Anfänger

Herr K. muss sich engmaschiger vernetzen. Alle networken heute wie der Teufel (der sicher auch schon einen Xing-Account hat, wo er in der Rubrik „Qualifikationen“ vielleicht so was wie „Sündenfall“ angibt). Früher vernetzte man sich nicht, sondern bildete allenfalls Seilschaften, was man aber nicht laut sagte. Seilschaften waren quasi die Deoroller des beruflichen Lebens: Jeder braucht sie, trotzdem taugen sie nicht gerade zum Smalltalk-Thema bei der Kleinkunst-Vernissage der Rotary-Club-Stadtteilgruppe, die ja auch eine Seilschaft ist.

Nur ein Vollidiot wie Koslowski prahlte gern mal: „Vitamin B ist das A und O. Muahaha!“ Koslowskis einziges Vitamin B war von jeher das in den wasserlöslichen Aufbau-Präparaten, auf die er jeden Morgen schwört. Aber Herr K. hält sich da gar nicht für klüger. Für Seilschaften war er immer zu ... ja, was eigentlich? Phlegmatisch? Naiv? Realistisch?

Früher war das An- und Abseilen ja auch noch so absurd analog. Herr K. hatte einen Studienfreund, der Visitenkärtchen von Führungskräften aller Art in eigens dafür produzierten Visitenkärtchen-Einsteck-Klarsichthüllen sammelte wie andere junge Menschen Micky-Maus-Taschenbücher. Nach jeder Jobbörse des Arbeitsamtes kam er mit Dutzenden von Kärtchen zurück. An Weihnachten schrieb er all seinen Sammel-Subjekten bis hinauf zum Siemens-CEO, dem er mal auf einer Hannover Messe begegnet war, Schmuckkarten von SOS-Kinderdörfern, die immer endeten mit: „Hope to see ya soon.“ Herr K. hat auch mal eine bekommen. Er sah seinen Studienfreund zwar dreimal pro Woche in der Mensa, aber das war egal: „Wenn ich mal im Flow bin, schreib‘ ich eben“, zwinkerte der Studienkollege ihm verschwörerisch zu und sagte: „Vielleicht bist du mir ja auch mal nützlich.“

Herr K. ist als Karriereleiter so hilfreich wie eine Blinden-Armbinde. Aber bei seinem Studienfreund wirkte die Visitenkarten-Strategie offenbar. Irgendwie. Er ist heute „Senior Vice Head of Facilities“ bei einem „mittelständischen Logistikchampion“ in der Eifel. Also irgendwas mit Hausmeister bei einer kleinen Spedition am Ende der Welt. So steht es jedenfalls in seinem LinkedIn-Profil. Auch an den Titeln hat sich einiges geändert, wie Herr K. erkennt, als er im „größten Businessnetzwerk der Welt“ seine ganz eigene „Mission Network“ beginnt.

Vor einigen Wochen entdeckte er, dass er sich bei LinkedIn vor vielen Jahren mal angemeldet und den Account dann komplett vergessen hatte. Erst war ihm das Passwort gar nicht mehr eingefallen. Aber jetzt ist er wieder drin. So drin. Er spürt es gleich, wie dieses globale Netzwerk von Abermillionen ihn engmaschig umfängt. Wenn die eigene Social-Media-Karriere einem Fünf-Phasen-Muster folgt, dann ist Herr K. in diesem Moment an einem nasskalten Herbstabend im Jahre 2017 in Phase 1: Erregung. (Fortsetzung folgt.)

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK