Der wohl schrägste Oscar-Mix seit Jahren

Ganz schön bgehoben: Michael Keaton als Riggan Thomson in einer Szene des Kinofilms «Birdman». Foto: 20th Century Fox

Hebt «Birdman» bei den Oscars ab? Die bittere Komödie über einen Ex-Hollywoodstar, der mit einem Theaterstück am Broadway um Anerkennung buhlt, ist ein heißer Kandidat bei Amerikas wichtigstem Filmpreis.

Genauso schräg wie der Titel - «Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit» - ist auch der für neun Oscars nominierte Stoff - ein Schauspieler und seine Stimmen im Kopf.

Für seine Fabel über irre Schauspieler und einen gescheiterten Superhelden, der seinem verblichenen Ruhm nachjagt, kramte der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu den fast vergessenen Michael Keaton (63) hervor. Der frühere Batman-Darsteller könnte mit der Glanzleistung seinen ersten Oscar gewinnen.

«Birdman» nimmt Hollywoods Eitelkeiten auf die Schippe und trifft damit bei der ehrwürdigen Oscar-Akademie womöglich voll ins Schwarze. Vielleicht können viele der mehr als 6000 Wahlberechtigten der Academy of Motion Picture Arts and Sciences mit Keatons Figur mitfühlen. Schließlich besteht Hollywoods höchstes Filmgremium aus über 75 Prozent Männern - Durchschnittsalter 63.

«Birdman» steckte jedenfalls in den vergangenen Wochen zig Trophäen ein, darunter die angesehenen Preise der Verbände der Schauspieler, Produzenten und Regisseure. Doch bis am Oscar-Sonntag die Gewinner-Umschläge geöffnet werden, bleibt es spannend, ähnlich wie 2014 zwischen «12 Years A Slave» (Bester Film) und «Gravity» (Regie).

Deutsche Aspekte gibt es bei mehreren Nominierungen: Der soeben bei der Berlinale mit einem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnete Wim Wenders (69) könnte in der Sparte «Beste Dokumentation» gewinnen. Er ist mit «Das Salz der Erde» über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado im Rennen. Zweimal war Wenders schon nominiert, für «Buena Vista Social Club» und für «Pina». Gewonnen hat er aber noch nie. Chancen hat auch die Doku «Citizenfour» über den Whistleblower Edward Snowden», die der NDR und der BR mitproduzierten.

Zudem könnte der in den USA lebende gebürtige Frankfurter Hans Zimmer 21 Jahre nach «Der König der Löwen» den zweiten Oscar als Filmkomponist holen, diesmal für Science-Fiction in «Interstellar».

Alles in allem könnte vor allem das Kindheits- und Jugenddrama «Boyhood» der Komödie «Birdman» die Show stehlen. Über zwölf Jahre hinweg filmte Regisseur Richard Linklater mit einem Mini-Budget die Lebensetappen eines Jungen in Texas. Sechsmal ist das Langzeitwerk nominiert, darunter als bester Film, für Regie und für die Nebenrollen der Eltern-Darsteller Ethan Hawke und Patricia Arquette.

«Boyhood» war Anfang Januar der große Sieger bei den Golden Globes und zwei Wochen vor den Oscars gab es bei den britischen Bafta-Filmpreisen nochmal Auftrieb: «Boyhood» holte die Trophäen als bester Film, für die Regie und für Nebendarstellerin Arquette.

Die bunte Komödie «Grand Budapest Hotel» steht trotz neun Nominierungen bei den Hauptpreisen etwas im Abseits. Auf Auszeichnung hofft das Studio Babelsberg, denn die Groteske von Wes Anderson über ein Hotel im Europa der Zwischenkriegszeit wurde von ihm mitproduziert und zum Teil in Deutschland gedreht, etwa in Görlitz.

Vielleicht schießt auch noch «American Sniper» dazwischen. Das patriotische Drama von Hollywood-Veteran Clint Eastwood über den US-Scharfschützen Chris Kyle (Bradley Cooper) hat sechs Chancen, etwa auch als bester Film. Es ist der einzige der acht Kandidaten in der Königskategorie, der an den Kinokassen richtig Geld macht.

«American Sniper» hat seit Mitte Januar in den USA etwa so viel wie die Mitstreiter «Birdman», «Boyhood», «Grand Budapest Hotel», «The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben», «Selma», «Die Entdeckung der Unendlichkeit» und «Whiplash» zusammen eingenommen. Doch als unabhängige Filme mit kleinem Budget sind sie wohl allesamt Gewinner.

Schauspieler-Favoriten sind 2015 vier Indie-Darsteller, Promis der zweiten Reihe. Es geht also auch ohne Star-Glamour etwa von Sandra Bullock oder George Clooney.

Als eine an Alzheimer erkrankte Professorin im berührenden Drama «Still Alice - Mein Leben ohne Gestern» hat Julianne Moore (54) bereits einige Hauptdarsteller-Preise gewonnen. Auch der Brite Eddie Redmayne (33), der sich in «Die Entdeckung der Unendlichkeit» auf geniale Weise in den Physiker Stephen Hawking verwandelt, wird als Favorit gehandelt. Bei den Nebendarstellern sollten wohl Patricia Arquette (46) als Mutter in «Boyhood» und J.K. Simmons (60) als aggressiver Musiklehrer in «Whiplash» eine Dankesrede parat haben.