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Berlinale-Endspurt: Deutsche Filme unter Favoriten

Der deutsche Regisseur Dominik Graf stellte auf der Berlinale «Die geliebten Schwestern» vor. Foto: Tim Brakemeier

Vor der Verleihung des Goldenen Bären fällt die Bilanz der 64. Berlinale durchwachsen aus: Es gab zwar reichlich Glamour mit Stars wie George Clooney, Matt Damon, Bradley Cooper und Catherine Deneuve. Doch ihre vielbeachteten Filme liefen alle außer Konkurrenz.

Und im offiziellen Wettbewerb schafften es zu viele Filme nicht, die Zuschauer richtig zu packen. Fast durchweg positiv fiel dagegen das Echo auf die insgesamt vier deutschen Filme in der Bären-Konkurrenz aus.

Dietrich Brüggemanns formal strenges Drama «Kreuzweg» hat bei der Preisvergabe am Samstag sogar Chancen auf eine Auszeichnung. Der Film über ein 14-jähriges Mädchen, das der radikalen Bibelauslegung der Pius-Bruderschaft folgt, liegt laut inoffizieller Wertungen nationaler und internationaler Filmkritiker ganz weit vorne.

Dominik Grafs Schiller-Liebesgeschichte «Die geliebten Schwestern» schneidet international ebenfalls gut ab, Feo Aladags Afghanistan-Film «Zwischen Welten» findet vor allem Anhänger unter den deutschen Zuschauern. Mit Anerkennung wurde Edward Bergers «Jack» über zwei vernachlässigte Berliner Kinder aufgenommen.

Am Ende ist es aber die internationale Berlinale-Jury, die über die Gewinner des Goldenen und der Silbernen Bären entscheiden wird. In dem Gremium sitzen auch der zweifache Oscar-Preisträger Christoph Waltz und die «James Bond»-Produzentin Barbara Broccoli. Und die Jury war schon immer für eine Überraschung gut.

Viel Blut, Mord und Totschlag gab es zu sehen - mal bitter-ernst wie im Nordirland-Drama «71» von Yann Demange, mal mit lakonischem Witz vermischt wie in der norwegischen Selbstjustiz-Komödie «Kraftidioten» von Hans Petter Moland oder dem chinesischen Actionthriller «No Man's Land» von Hao Ning.

Die stärksten Filme im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb aber erzählten Geschichten von Kindern und Jugendlichen in schwierigen familiären und sozialen Situationen. Für das Langzeit-Spielfilmprojekt «Boyhood» holte US-Regisseur Richard Linklater («Before Midnight», «Before Sunrise») über einen Zeitraum von zwölf Jahren dieselben Darsteller jedes Jahr wieder vor die Kamera.

So entstand mit Ellar Coltrane in der Hauptrolle ein 164-minütiges, faszinierendes Porträt eines Kindes und Heranwachsenden in Texas - mit geschiedenen Eltern (Patricia Arquette und Ethan Hawke) und den belastenden Verhältnissen in einer neu gegründeten Patchwork-Familie.

«Mir geht es vor allem um das Geschichtenerzählen. Ich erzähle eine Geschichte mit Hilfe von Menschen», sagte Linklater im Interview. «Dieser und auch andere Filme fühlen sich sehr persönlich an. Sie sind nicht explizit autobiografisch, aber sehr persönlich.»

In «Kreuzweg» ist es Lea van Acken (Jahrgang 1999), die als Maria, Tochter einer erzkatholischen Familie, die ganze tragische Geschichte trägt. In dem argentinischen Wettbewerbsbeitrag «La tercera orilla» (Das dritte Ufer) von Celina Murga spielt Alián Devetac den Jugendlichen Nicolás. Sein Vater führt ein Doppelleben mit zwei Familien, zwischen denen er ständig pendelt.

Nicolás will für seine vom Vater so ständig neu zurückgestoßene und verletzte Mutter und die Geschwister sorgen. Vom herrischen Vater ist er enttäuscht - bis das Gefühl der Trauer in verzweifelten Hass umschlägt. Ivo Pietzcker (Jahrgang 2002) spielt den emotional, aber auch im Alltag völlig überforderten, zehnjährigen Jack in Bergers gleichnamigen Film.

Für Freitag stand außerdem noch der österreichische Beitrag «Macondo» von Sudabeh Mortezai auf dem Wettbewerbsprogramm. Der elfjährige Ramasan Minkailov spielt darin einen tschetschenischen Jungen, der mit der Mutter und zwei jüngeren Schwestern in der Flüchtlingssiedlung Macondo am Stadtrand von Wien lebt. Der Vater ist im Kampf gegen die Russen getötet worden, Ramasan versucht das Familienoberhaupt zu ersetzen.