Berlinale-Chef: Panahi-Premiere ist filmischer Protest

Regisseur Jafar Panahi in einer Szene seines Films «Taxi». Foto: Berlinale

Die Berlinale ist das politischste der großen Filmfestivals. Direktor Dieter Kosslick (66) erklärt im Interview der Deutschen Presse-Agentur, warum die Filmfestspiele das neue, heimlich entstandene Werk des iranischen Filmemachers Jafar Panahi zeigen.

Frage: Welches Signal sendet die Berlinale mit der Einladung an den regimekritischen Filmemacher Jafar Panahi, der in seinem Heimatland Iran mit einem Arbeitsverbot belegt ist und nicht ausreisen darf?

Antwort: Es ist ein stiller filmischer Protest. Die ständige Einladung an Panahi, der vor vier Jahren Jurymitglied war und nicht ausreisen durfte, steht. Ich lade Panahi solange ein, bis er kommen kann. Die Berlinale kämpft seit ihrer Gründung im Jahr 1951 um die Freiheit von Kunst und Meinungsfreiheit und setzt sich für Völkerverständigung ein.

Frage: Können Sie sagen, unter welchen Umständen Panahi seinen neuen Film «Taxi» gedreht hat?

Antwort: Panahi hat Arbeitsverbot, aber er hat kein Hausverbot. Er kann sich frei bewegen. Und so hat er sich frei bewegt und fuhr mit dem Taxi durch Teheran. Ich habe das Gefühl, dass sich mit dem neuen iranischen Präsidenten etwas zum Guten wenden könnte. Die Berlinale will auch dazu beitragen. Aber zeigen möchten wir den Film doch.

Frage: Wie kam der Film zur Berlinale?

Antwort: Das kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall wurde er nicht wie 2011 Panahis Werk «This is not a film» nach Cannes in einem Kuchen geschmuggelt.

Frage: Zum ersten Mal zeigt die Berlinale eine große Anzahl von internationalen TV-Serien in ihrem Programm. Wie geht die Berlinale mit der Konkurrenz zwischen Kino und Fernsehen um? Wie sieht die Zukunft des Films aus?

Antwort: Den Serien-Boom gibt es schon seit fünf Jahren. Viele unserer Kinoleute arbeiten ja auch für die Serien. Bei den deutschen Serien ist ein Großteil der Schauspieler und Regisseure vom Kino. 80 bis 90 Prozent aller Kinofilme werden vom Fernsehen kofinanziert. Die Serien sind großartige, cineastisch erzählte Geschichten. Dieses historische schizophrene Verhältnis zwischen Kino und Fernsehen - das ist für mich eine alte Diskussion. In Großbritannien gibt es dieses angespannte Verhältnis zum Beispiel gar nicht.

Frage: Manche Kinobetreiber haben Angst, dass Downloads dem klassischen Kino den Rang ablaufen.

Antwort: Ich glaube, dass manche Kinobesitzer sich darauf vorbereiten, genau das zu tun was jetzt die Berlinale macht - nämlich vorab Serien-Teaser im Kino zeigen. Die Frage ist, ob es der audiovisuellen Industrie gelingt, eine friedliche Koexistenz von Kino mit großer Leinwand und großem Saal und Download oder Streaming bis auf die Armbanduhr herzustellen.

Frage: Wie ist aus Ihrer Sicht derzeit die Situation des deutschen Films?

Antwort: Wir haben mit Werner Herzog, Wim Wenders, Andreas Dresen, Sebastian Schipper und Oliver Hirschbiegel fünf deutsche Regisseure im offiziellen Programm. In der Special-Reihe wird außerdem die Weltpremiere von Margarethe von Trottas neuem Film gezeigt. Dann nehme ich noch einen Film dazu, der nicht auf der Berlinale läuft, aber während der Berlinale im Kino ist: Til Schweigers «Honig im Kopf». Ich finde, der deutsche Film steht ziemlich gut da. Sowohl was künstlerische Ausdrucksformen als auch den Publikumserfolg angeht. Wir sind bei weit über 20 Prozent deutschem Marktanteil.

ZUR PERSON: Dieter Kosslick (66) ist seit 2001 Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin, die neben Cannes und Venedig zu den «großen Drei» zählen. Der gebürtige Pforzheimer begrüßt jedes Jahr Hollywoodstars und europäische Filmgrößen auf dem roten Teppich des Berlinale-Palastes am Potsdamer Platz. Immer mit dabei sind Kosslicks Markenzeichen: Hut und jährlich wechselnder Berlinale-Schal. Während es draußen viel Glamour gibt, sind auf der Leinwand im Kinosaal oft brisante, politische Filme zu sehen.

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