Altmeister und junge Wilde: Deutsche bei der Berlinale

Ausgelassen in Berlin: Regisseur Andreas Dresen und Schauspielerin Ruby O. Fee. Sie stellen «Als wir träumten» vor. Foto: Lukas Schulze

Ob der in nur einem Take gedrehte, wilde Berlin-Thriller «Victoria» von Sebastian Schipper oder Wim Wenders' starbesetztes 3D-Drama «Every Thing Will Be Fine» - mehr als ein Viertel der 441 Berlinale-Filme stammen aus Deutschland oder sind deutsche Koproduktionen.

Stilistisch und inhaltlich ist die Bandbreite einheimischer Filmemacher riesig. Mit Andreas Dresen, Werner Herzog und Sebastian Schipper konkurrieren drei deutsche Regisseure um den Goldenen Bären. Weitere hochkarätige Filmemacher zeigen ihre Werke außer Konkurrenz im Wettbewerb und in weiteren Festivalreihen. Ein Überblick:

ALS WIR TRÄUMTEN: Berlinale-Stammgast Andreas Dresen («Halt auf freier Strecke», «Halbe Treppe») hat den Debütroman des preisgekrönten Leipziger Schriftstellers Clemens Meyer verfilmt. «Als wir träumten» erzählt von Jugendlichen, die zur Wendezeit in Leipzig ihre Grenzen austesten. Die Jungs - gespielt unter anderem von Merlin Rose, Julius Nitschkoff und Marcel Heuperman - machen einen Techno-Club auf, müssen sich gegen Neonazis wehren, finden Selbstbestätigung im Boxen, suchen nach Liebe und sprechen reichlich Alkohol und Drogen zu.

«Der Roman ist wild, anarchisch, böse und düster - aber auf der anderen Seite auch zärtlich, liebevoll und warm. Und er hat eine verrückte, chaotische Struktur, die perfekt der Zeit entspricht, in der er spielt», sagt Dresen. Dem Regisseur ist ein kraftvolles Porträt einer beinahe verlorenen Generation gelungen.

EVERY THING WILL BE FINE: Wim Wenders («Pina», «Der Himmel über Berlin»), der bei der Berlinale am Donnerstag mit dem Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, zeigt den einzigen 3D-Film im Wettbewerbsprogramm. Für das Drama «Every Thing Will Be Fine» (übersetzt: Alles wird gut) holte der international geachtete Filmemacher Stars wie James Franco («The Interview») und Charlotte Gainsbourg («Nymphomaniac») vor die Kamera. Erzählt wird die Geschichte des Schriftstellers Tomas (Franco), der bei einem tragischen Unfall ein Kind überfährt. Über zwölf Jahre folgt der Film Tomas, der versucht, seinem Leben nach dem Unglück wieder einen Sinn zu geben.

ELSER: Oliver Hirschbiegel («Der Untergang», «Diana») erzählt in «Elser» von dem schwäbischen Schreiner und Nazi-Gegner Georg Elser. Am 8. November 1939 platzierte Elser hinter dem Rednerpult von Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe. Das Attentat scheiterte, weil Hitler den Veranstaltungsort früher als geplant verließ. In dem auch international erfolgreichen Film «Der Untergang» mit Bruno Ganz als Hitler zeichnete Hirschbiegel die letzten Tage im Führerbunker in Berlin nach. Jetzt porträtiert er den Widerstandskämpfer Elser mit Christian Friedel («Amour fou», «Das weiße Band») in der Titelrolle.

VICTORIA: Der Berlin-Thriller von Sebastian Schipper («Absolute Giganten») gilt als erster Bären-Anwärter. In Echtzeit erzählt Schipper mit grandiosen Darstellern von der Stunde vor und der Stunde nach einem Banküberfall in Berlin. Die Spanierin Victoria (Laia Costa) trifft vor einem Berliner Club vier Jungs, gespielt von Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yigit und Max Mauff. Gemeinsam lassen sie sich auf ein mörderisches Vorhaben ein. Das Besondere: Schippers Film wurde mit nur einer Einstellung gedreht, die Kamera ist den Figuren immer dicht auf den Fersen - die Erzählung entwickelt so einen ungeheuren Sog. Ein echter Bären-Kandidat.

DIE ABHANDENE WELT: Margarethe von Trotta war die erste Frau, deren Film bei einer Berlinale-Eröffnungsgala gezeigt wurde - das war 1995 das Drama «Das Versprechen». In der Special-Reihe zeigt die Regisseurin in diesem Jahr «Die abhandene Welt» mit Barbara Sukowa, Katja Riemann und Matthias Habich. Paul (Habich) entdeckt im Internet zufällig ein Foto einer US-Opernsängerin, die seiner gestorbenen Frau ungeheuer ähnlich sieht. Verstört durch die Entdeckung, bricht Pauls Tochter Sophie (Riemann) auf, um die Amerikanerin (Sukowa) zu treffen - die begegnet Sophie allerdings zunächst sehr abweisend. Nach und nach kommt ein Familiengeheimnis ans Licht.

QUEEN OF THE DESERT: Ein ganz anderer Werner Herzog als erwartet. Der gebürtige Münchner und heute in den USA lebende Filmemacher legte mit «Queen of the Desert» eine Abenteuer- und Liebesgeschichte im gefühligen Hollywood-Format vor. Herzog, Schöpfer von Meisterwerken wie «Fitzcarraldo» und zuletzt 1979 mit «Nosferatu - Phantom der Nacht» im Wettbewerb, holte für seinen Film den australischen Star Nicole Kidman und Hollywoodschauspieler wie James Franco und Robert Pattinson vor die Kamera.

Kidman spielt die britische Forschungsreisende und Geheimdienstfrau Gertrude Bell (1868-1926), die in den 1920er Jahren an der politischen Neuordnung im Nahen Osten beteiligt war. Herzog lässt die politische Dimension von Bells Leben aber weitgehend links liegen - und enttäuschte das Publikum mit zu viel Liebes-Schwulst.

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