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Von wegen „Nach einer wahren Begebenheit“ - Filme, die die Wahrheit verzerrten

Warnung: Nur weil ein Film von einer wahren Begebenheit „inspiriert” wurde, heißt das noch lange nicht, dass es irgendeinen Zusammenhang zwischen dem, was man zu sehen bekommt und der Wahrheit gibt. Es ist ein Trick, den zahlreiche Filme anwenden, um eine Art Authentizität zu erzeugen. Ja, sogar „Fargo“ – ein komplett ausgedachter Film – beginnt mit dem Satz „ Dies ist eine wahre Geschichte“.

Aber wenn die Geschehnisse tatsächlich echt sind und der Film sich die Freiheit nimmt, „Fakten zu ändern“, so wie bei den nachfolgenden Filmen, dann ist das ein Problem…

„Boston“ (2017)

„Boston“ (Bild: Lionsgate)
„Boston“ (Bild: Lionsgate)

Regisseur Peter Berg dreht gerne Filme mit Mark Wahlberg, die auf Ereignissen der jüngsten Vergangenheit basieren. Und er begnügte sich nicht mit „Lone Survivor“ (2013) und „Deepwater Horizon“ (2016), sondern hat nun auch noch eine dramatisierte Verfilmung des Anschlags auf den Boston-Marathon von 2013 realisiert – ein Terroranschlag, der erst so kurz zurückliegt, dass die Bostoner die Explosion noch immer in den Ohren haben.

Das Problem ist, dass „Boston“ es mit der Wahrheit nicht ganz so genau nimmt. Wahlbergs Figur ist komplett erfunden, obwohl es wirklich reichlich Auswahl an wahren Helden dieses Tages gegeben hätte, und Katharine Russell, die Witwe des Attentäters Tamerlan Tsarnaev, behauptete, der Film würde ihr eine Mittäterschaft unterstellen. Vom „Boston Globe“ erhielt der Film eine vernichtende Kritik: „Im besten Fall ist er unnötig. Im schlimmsten beleidigend.“

„U-571“ (2000)

„U-571“ (Bild: Universal Pictures)
„U-571“ (Bild: Universal Pictures)

Dieses Weltkriegs-Drama um das U-Boot wurde heftig für die Darstellung kritisiert, dass es die amerikanischen Seemänner und nicht die Briten gewesen wären, die dazu beitrugen, die erste Enigma-Maschine zu dekodieren (in Wahrheit wurden von den 15 Codebüchern, die die Alliierten in die Hände bekamen, 13 von den Briten erbeutet). Tony Blair, der damalgie Premierminister beim Kinostart, nannte den Film „eine Beleidigung der britischen Seeleute“ und der Drehbuchautor des Films, David Ayer, stimmte später zu: „Es war eine Verzerrung… eine auf Gewinn abzielende Entscheidung,… um eine parallele Geschichte zu schaffen, um das amerikanische Publikum zufriedenzustellen. Meine beiden Großväter waren im Zweiten Weltkrieg Offiziere und ich wäre persönlich beleidigt, wenn jemand ihre Errungenschaften verzerren würde.“

„Argo“ (2012)

„Argo“ (Bild: Warner Bros.)
„Argo“ (Bild: Warner Bros.)

Selbst wenn man davon absieht, dass der extrem weiße Ben Affleck den in der Realität mexikanischen Agenten Tony Mendez spielte, war „Argo“ vor allem wegen seiner Handlung umstritten, die – wieder einmal – die Amerikaner als Helden darstellte, obwohl der Ruhm anderen hätte zukommen müssen. Victor Garbers kanadischer Botschafter Ken Taylor war der eigentliche Held der Geschehnisse, denn Kanadas Engagement, um die Geiseln im Iran zu befreien, war extrem wichtig im Hinblick auf ihre Sicherheit. Im Film wurde dies jedoch heruntergespielt, denn der Hollywood-Effekt war wichtiger. Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter kritisierte den Film und sagte: „90 % der Beiträge zu den Ideen und die Durchführung des Plans waren kanadisch. Und der Film stellt den amerikanischen CIA-Agenten als Helden hin.“ Affleck wurde gezwungen, den Nachtrag zum Film abzuändern, um die Rolle Kanadas bei der Befreiung der Geiseln zu würdigen.

„Der Patriot“ (2000)

„The Patriot“ (Bild: Colombia Pictures)
„The Patriot“ (Bild: Colombia Pictures)

Regisseur Roland Emmerich hatte noch nie das Gefühl, sich zwingend an die Realität halten zu müssen, aber sein historischer Kriegsfilm „Der Patriot“ enthielt zu viele Fehler und Freiheiten, als dass man sie einfach so hinnehmen könnte. Für Anfänger: Mel Gibsons rechtschaffener Familienvater, der zum Revolutionär wird, war eine Verschmelzung mehrerer wahrer Vorbilder, unter anderem war auch der Milizenführer Frances Marion dabei – aber die historische Realität offenbart, dass Marion nur so zum Spaß Cherokee-Indianer tötete und regelmäßig Sklaven vergewaltigte. Außerdem fand der Vorfall, bei dem britische Soldaten Frauen und Kinder in eine Kirche pferchen und diese anzünden, nie statt. Der Film vermied außerdem das Thema Sklaverei komplett: Spike Lee sagte dazu: „‚Der Patriot‘ ist pure, eklatante amerikanische Hollywood-Propaganda. Eine komplette Beschönigung der Geschichte.“

„American Sniper“ (2014)

„American Sniper“ (Bild: Warner Bros.)
„American Sniper“ (Bild: Warner Bros.)

Clint Eastwood fokussiert den Navy Seal Chris Kyle und seinen beeindruckenden Rekord an Tötungen. Vor allem rechtsnationale Amerikaner und Waffennarren liebten den Film, aber eine Sache, die der Streifen nicht liefert, war, Kyles wahre Geschichte zu zeigen. Es wurden also nicht nur verstörende Züge von Kyles Persönlichkeit ausgeblendet (einmal behauptete er, er habe während des Wirbelsturms Katrina 30 Plünderer erschossen), sondern der Film log auch ganz offen über andere Dinge. So wird der Scharfschütze Mustafa als ein permanenter Gegner in Kyles Karriere dargestellt, aber in Kyles eigenem Buch erwähnt er diesen nur in einem einzigen Absatz. Und das irrwitzige falsche Baby, das Kyle auf dem Arm hält, ist nur die Spitze des Eisbergs der falschen Darstellungen.

„A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“ (2001)

„A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“ (Bild: Universal Pictures)
„A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“ (Bild: Universal Pictures)

Ron Howard hat, was die Fakten anging, einen ziemlich schlechten Job gemacht, als er das Leben des Nobelpreisträgers John Nash auf die Kinoleinwand brachte. Zunächst einmal hat Nash nie für das Pentagon gearbeitet, wie es der Film behauptet, und er hat auch nie im Wheeler Laboratory am MIT gearbeitet, weil das nämlich gar nicht existiert. Der Film zeigt ihn als Familienvater, aber Nash hatte in Wirklichkeit ein uneheliches Kind und verließ die Mutter. Als er in Kalifornien arbeitete, machte Nash auch homosexuelle Erfahrungen, aber das ist nur einer der vielen Punkte, die für Ron Howards Anforderungen an die Handlung des Films als überflüssig angesehen wurden.

„21“ (2008)

„21“ (Bild: Sony Pictures)
„21“ (Bild: Sony Pictures)

Das sogenannte Whitewashing ist keineswegs ein neues Phänomen in Hollywood – aber dank der heutigen Medienwelt ist es für Filme sehr viel schwerer, die Errungenschaften von Minderheiten herunterzuspielen. 2008, als der Film „21“ – er erzählt die wahre Geschichte einer Gruppe von MIT-Mathegenies, die ein Casino leerräumten, indem sie Karten zählten – in die Kinos kam, zuckte jedoch keiner mit der Wimper. Das kleine Detail, dass alle Beteiligten im echten Leben Asiaten sind, wurde einfach ausgelassen (das letzte Mal, als wir sie sahen, sahen Jim Sturgess und Kate Bosworth verdammt weiß aus). Sturgess‘ Charakter wurde auch nicht – wie im Film gezeigt – auf der Toilette zusammengeschlagen und er verliebte sich auch nicht in seine Teamkameradin – das ist alles erfunden.

„Rush – Alles für den Sieg“ (2013)

„Rush – Alles für den Sieg“ (Bild: Studiocanal)
„Rush – Alles für den Sieg“ (Bild: Studiocanal)

Die wahre Geschichte von „Rush“ – der Wettkampf zwischen den Formel 1-Fahrern James Hunt und Niki Lauda – war bereits die perfekte Handlung für einen Sportfilm: Es gab Hoch- und Tiefpunkte, überraschende Wendungen, Verletzungen und Comebacks, Helden, Bösewichte und sogar ein extrem spannendes letztes Rennen als dramatischen Höhepunkt. Es ist jedoch eine Schande, dass der gesamte Film – ein weiteres Werk von Ron Howard – auf der falschen Annahme basiert, dass Hunt und Lauda Feinde waren. Sie hatten zwar unterschiedliche Ideologien und eine gesunde Rivalität auf der Rennstrecke, aber abgesehen davon waren die beiden im wahren Leben gute Freunde und teilten sich sogar einmal eine Wohnung – davon sieht man im Film jedoch nichts. Es ist trotzdem ein guter, aufregender Film, deshalb kommt er noch einmal davon.

„Blind Side – Die große Chance“ (2009)

„Blind Side – Die große Chance“ (Bild: Warner Bros.)
„Blind Side – Die große Chance“ (Bild: Warner Bros.)

Der Kern der Geschichte von „Blind Side – Die große Chance“ ging in der Hektik, Sandra Bullock zu einer Oscargewinnerin zu machen, unter. Und so wurden die Errungenschaften des eigentlichen Helden, Michael Oher, unbeabsichtigt zur Seite gedrängt. Es stimmt zwar, dass Oher von der reichen Tuhoy-Familie adoptiert wurde, aber der Film lässt es so aussehen, als hätte Bullocks Charakter Oher Football beigebracht. „Ich habe das Spiel studiert seit ich ein Kind war!“, schrieb Oher später. „Ich hatte das Gefühl, ich wurde als dumm porträtiert, statt als Kind, das nie eine konsequente Förderung hatte und das später – als es diese bekam – immer besser wurde. Quinton Aron spielte die Rolle wirklich gut, aber ich konnte nicht herausfinden, warum der Regisseur sich dazu entschied, mich als jemanden zu zeigen, dem man Football erst beibringen musste.“

„Captain Phillips“ (2013)

„Captain Phillips“ (Bild: Sony Pictures)
„Captain Phillips“ (Bild: Sony Pictures)

Tom Hanks erntete lauten Beifall als Schiffskapitän – die zentrale Figur dieses hochdramatischen Entführungsdramas. Aber laut seinen Kollegen war der echte Kapitän Phillips eigentlich nicht so ein Held, wie ihn der Film zeigte. Ein Crewmitglied gestand, dass Phillips die Kaperung durch somalische Piraten geradezu provozierte, denn er fuhr zu nahe an der Küste entlang und ignorierte Vorschriften, so dass „niemand mit ihm fahren will“. E-Mail-Korrespondenzen belegten, dass Phillips Warnungen über Piraten erhalten hatte und angewiesen wurde, weiter als 600 Meilen von der Küste entfernt zu bleiben, aber die Maersk Alabama wurde weniger als 300 Meilen von der Küste entfernt geentert. Was irgendwie einen ganz anderen Film daraus macht.

Yahoo Movies UK Team
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