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Kalte Dusche für zwei Weltmeister

Kalte Dusche für zwei Weltmeister

Es sollte ein Spiel der Erkenntnis werden, eine veritable Entscheidungshilfe für Bundestrainer Joachim Löw, dieses erste von zwei EM-Testmatch in Augsburg gegen die Slowakei. Und es wurde: ein Wasserballspiel, ein Reinfall. Die deutsche Nationalelf ging im Unwetter über Schwaben mit 1:3 baden. Für Löw stellt sich nun, wenige Stunden bevor er seinen endgültigen 23-Mann-Kader für die EM-Endrunde in Frankreich nominieren muss, die Frage: Tja. Und jetzt? Welche vier Spieler soll er streichen?

Ein gewaltiges Unwetter mit Blitz, Donner, Hagel und Starkregen verlängerte die Halbzeitpause auf satte 35 Minuten, ehe Schiedsrichter Serge Gumienny aus Belgien entschied: Ja, es darf heiter gerutscht und geschlittert werden auf dem Regen-durchtränkten Rasen. Die Slowaken gewannen die Wasserschlacht von Augsburg mit 3:1. „Es ist nicht ungefährlich bei den Bedingungen – Gott sei Dank hat sich niemand verletzt“, sagte Löw, „wir wollten kurz nach der Pause ein paar Mal durch das Mittelfeld kombinieren, aber das war natürlich unmöglich. Wir haben dann ein paar Minuten gebraucht, bis wir uns auf die Platzverhältnisse einstellen konnten.“ Die Slowaken kamen mit den widrigen Bedingungen besser zurecht. Der Test wurde eher eine Beanspruchung der Geduld und des Materials als dass sinnvolle Aufschlüsse über die Zusammenstellung des finalen EM-Kaders möglich waren.

Die Säule der EM-Elf fehlte

Ernüchterung machte sich daher breit im DFB-Lager. Nicht wirklich wegen der Niederlage gegen den EM-Teilnehmer und der offensichtlichen Schwächen in der Defensive. Nein, denn man weiß ja, dass man auf neun Spieler freiwillig oder unfreiwillig verzichtet hat, die den Kern der EM-Elf bilden sollen. Geschont wurden Torhüter Manuel Neuer, Thomas Müller und Mesut Özil, die im Teamcamp im Schweizerischen Ascona blieben und trainierten. Verletzt fehlten Bastian Schweinsteiger (Reha nach Knie-Verletzung), Mats Hummels (Muskelfaserriss in der Wade), Karim Bellarabi (leichte Zerrung) und Marco Reus (Adduktorenprobleme). Nach ihren Pokalfinals bekamen Toni Kroos, am Samstag Champions-League-Sieger mit Real Madrid, und Lukas Podolski, der mit Galatasaray Istanbul den türkischen Pokal gewann, eine Pause. Heißt: Sieben potenzielle Stammspieler waren gegen die Slowakei nicht am Start, außer Schweinsteiger und Hummels dürfte der Rest beim letzten EM-Test kommenden Samstag gegen Ungarn in Gelsenkirchen dabei sein. Zeigt das Löw-Team dann sein wahres Gesicht? Oder annähernd EM-Form? Kaum zu glauben beim aktuellen Form-Zwischenstand.

Julian Weigl konnte bei widrigen Bedingungen keine Werbung für sich machen. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)
Julian Weigl konnte bei widrigen Bedingungen keine Werbung für sich machen. (Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Nur Gomez hat einen richtigen Lauf

„Mit der Offensive war ich zufrieden, weil wir ein paar gute Angriffe und auch gute Laufwege hatten“, analysierte Löw und konnte dabei nur die erste Halbzeit ohne die sintflutartigen Regenfälle gemeint haben. Löw weiter: „Mit dem letzten Pass hat es dann nicht immer geklappt. Defensiv hatten wir Probleme, weil wir im Mittelfeld relativ offen waren.“ Und wieder einmal verlor die DFB-Elf nach einem plötzlichen Gegentor, diesmal war es der Sonntagsschuss von Marek Hamsik, die Kontrolle über das Spiel. Erst war die Führung weg, dann die Ordnung, schließlich die Sicherheit und das Selbstvertrauen. Letzteres stimmt nur bei Mario Gomez, der den Elfmeter zum 1:0 verwandelte und damit sein 27. Länderspiel-Tor erzielte. Auf ihn kann sich Löw verlassen, auch Mario Götze zeigte gute Ansätze.

Und die Jungen? Joshua Kimmich (FC Bayern), Julian Brandt (Leverkusen) und Julian Weigl (Dortmund) feierten ihre Premiere im Nationaltrikot. Mit Torhüter Bernd Leno (Leverkusen) stieg die Zahl der Debütanten in der Ära Löw auf 82. Sie alle konnten nicht wirklich Pluspunkte sammeln, vor allem Weigl und Brandt, die in der Rutschpartie-Halbzeit spielen mussten. Beinahe entschuldigend sagte Löw: „Wir können von den jungen Spielern jetzt auch nicht alles verlangen in so einem Spiel. Aber alle vier (Brandt, Kimmich, Weigl, Leno) haben die Qualität, dass sie eine große Zukunft haben.“ Und die gute Nachricht für alle Wackelkandidaten wie André Schürrle, Julian Draxler und Leroy Sané kam auch vom Bundestrainer: „Die Gesamteindrücke der letzten Wochen und Monate sind entscheidend.“

Draxler und Schürrle wackeln

Bis um kurz vor Mitternacht am Dienstagabend muss Löw seinen endgültigen 23-Mann-Kader der Uefa melden. „Wir haben noch ein Meeting mit den Ärzten, auch um zu schauen, wie lange es bei Hummels, Schweinsteiger und Reus noch dauert, bis sie fit sind.“ Sollten alle drei Säulen des Teams dabei sein können, sind die heißesten Kandidaten für das Streichquartett: Julian Weigl, Julian Brandt, Julian Draxler und André Schürrle oder Karim Bellarabi. Es könnte also durchaus einen oder mehrere Weltmeister erwischen. Das wäre dann eine richtige kalte Dusche.