Schwierige Verhandlungen von Bund und Ländern bei Flüchtlingsgipfel
Beim Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Flüchtlingspolitik haben sich schwierige Verhandlungen abgezeichnet. Beide Seiten bekräftigten vor dem Treffen ab Mittwochnachmittag im Kanzleramt ihre weit auseinander liegenden Positionen zur finanziellen Unterstützung der Kommunen bei der Flüchtlingsversorgung. Die Länder verlangten weiter eine dauerhafte Finanzierung durch den Bund, die sich automatisch der aktuellen Zahl von Asylbewerbern anpasst. Der Bund lehnt das ab. Eine Teileinigung nur für dieses Jahr schien aber nicht ausgeschlossen.
Vor dem Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gestalteten sich schon die seit dem Vormittag laufenden Vorbereitungsgespräche der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) offenbar schwierig. Der MPK-Vorsitzende, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), und sein Stellvertreter, NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), mussten ihre im Anschluss angesetzte Pressekonferenz um mehr als eine Stunde verschieben.
Die Länder gingen aber nun "einig" in die Gespräche mit Scholz und seiner Regierung, sagte Weil dann am Nachmittag. Die Kommunen benötigten angesichts steigender Asylbewerberzahlen dringend mehr finanzielle Unterstützung - "und zwar insbesondere vom Bund". Die Länder seien "gemeinsam der Überzeugung, wir brauchen ein atmendes System" mit Zahlungen pro Flüchtling, das sich den aktuellen Flüchtlingszahlen anpasse. Hier gebe es "einen unübersehbaren Dissenz" mit dem Bund, der Pauschalzahlungen pro Jahr wolle.
Der Bund sei finanziell in der Pflicht, da er über die Steuerung des Zuzugs nach Deutschland entscheide, sagte Wüst. "Wer entscheidet, muss auch Verantwortung übernehmen." Es sei bedauerlich, dass sich der Bund aus dem bis 2021 geltenden Vier-Säulen-Modell mit Zahlungen pro Flüchtling verabschiedet habe und nun nur noch Pauschalzahlungen pro Jahr wolle. "Es darf hier kein dauerhaftes Feilschen geben bei diesem politisch ja auch brisanten Thema", warnte Wüst.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnte weitere Bundesmittel für Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ab. "Es kann überhaupt gar keine Rede davon sein, dass die Länder und die Gemeinden auf sich alleine gestellt werden", sagte er am Dienstagabend im ZDF. Rund 16 Milliarden Euro wende der Bund dieses Jahr für Migration bereits auf. Nun müsse über die eigentliche Lösung des Problems beraten werden: "Wir sprechen jetzt konkret über neue Herkunftsländer, um Asylverfahren zu vermeiden und schneller Menschen zurückzuschicken", sagte Lindner mit Blick auf die mögliche Einstufung weiterer Staaten als sogenannte sichere Herkunftsländer.
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, bekräftigte die Unterstützung für die Länder-Forderung nach einem "atmenden" Finanzierungssystem. "Jetzt brauchen wir endlich eine dauerhafte, dynamische Regelung, die sich den tatsächlichen Flüchtlingszahlen anpasst", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Die Kommunen brauchten Planungssicherheit. "Der Bund muss die flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft wieder vollständig zu übernehmen."
Weder Weil noch Wüst schlossen eine Teillösung in der Finanzfrage aus. Für das laufende Jahr scheine beim Bund "jetzt Bewegung in der Diskussion", deutete Weil an. Er hatte am Morgen bereits gesagt, er erwarte allenfalls eine "Zwischenlösung" bei dem Flüchtlingsgipfel.
Wüst nannte als Bedingung für eine Teillösung, dass es einen Einstieg in eine dauerhafte, verlässliche Finanzierung der Flüchtlingskosten durch den Bund gebe. Andere Teilergebnisse "wären kein Ergebnis", betonte der CDU-Ministerpräsident.
"Kein sonderlicher Streit" sei bei Vorschlägen des Bundes zu erwarten, um Asylverfahren und Abschiebungen zu beschleunigen, sagte Weil. Hier gebe es eine Reihe von Vorschlägen, "denen wir als Länder folgen können".
Der Bund hatte den Ländern vor dem Treffen unter anderem vorgeschlagen, die Digitalisierung der Ausländerbehörden stärker voranzutreiben, um Asylanträge schneller zu bearbeiten. Zudem soll es zentrale "Ankunftseinrichtungen" für Geflüchtete geben, aus denen direkt Abschiebungen erfolgen würden. Haftgründe für den Ausreisegewahrsam sollen zudem ausgeweitet werden.
Die Diakonie Deutschland sprach von einem "falschen Rezept, durch mehr Haft und Abschiebungen Entlastung zu schaffen". Damit sei bereits die große Koalition gescheitert, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. "Nun greift die Ampel in die Mottenkiste von praktisch nutzlosen und rechtsstaatlich bedenklichen Rechtseinschränkungen."
mt/cne