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"Ich kann mir Greta Thunberg schlecht im Dschungelcamp vorstellen"

Für die neue Ausgabe des RTL-Dschungelcamps begaben sich Daniel Hartwich und Sonja Zietlow nach Südafrika. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)
Für die neue Ausgabe des RTL-Dschungelcamps begaben sich Daniel Hartwich und Sonja Zietlow nach Südafrika. (Bild: RTL / Stefan Gregorowius)

Alle Jahre wieder sorgt das Dschungelcamp im deutschen TV für Gesprächsstoff und hohe Einschaltquoten. Warum ist das Promi-Format noch immer so gefragt? Und bleibt das so? Ein Fernsehexperte gibt Auskunft.

Es ist ein Phänomen: Seit nunmehr 18 Jahren gehört das Dschungelcamp zu den erfolgreichsten Formaten im deutschen Fernsehen. Auch wenn das Promi-Stelldichein pandemiebedingt im letzten Jahr in abgespeckter Form stattfand und diesmal von Australien nach Südafrika verlegt werden musste: Nach wie vor sorgt "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!", so der offizielle Titel der RTL-Show (ab Freitag, 21. Januar, 20.15 Uhr), für sehenswerte Einschaltquoten und viel Gesprächsstoff. Doch scheinen die Hochzeiten des Trash-Formats nicht längst vorüber? Was hält die teilnehmenden "Stars" und die Zuschauer angesichts des immergleichen Konzepts eigentlich bei der Stange? Nachgefragt beim Experten: Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft, über das Erfolgsrezept und die Zukunft des Dschungelcamps.

teleschau: Herr Mikos, vor fünf Jahren sagten Sie einmal, das Dschungelcamp sei die beste Show im deutschen Fernsehen. Würden Sie dem heute noch zustimmen?

Lothar Mikos: Jein. Das Dschungelcamp ist nach wie vor eine hervorragend produzierte Show. Aber es gibt mittlerweile starke Konkurrenz. Etwa das, was Joko und Klaas bei ProSieben machen - auch wenn dies in eine andere Richtung geht. Andererseits hat etwa das "Wetten, dass ..?"-Revival gezeigt, dass auch alte Shows den aktuell beliebten Nostalgie-Effekt gut für sich nutzen.

teleschau: Bedient das Dschungelcamp mittlerweile auch schon diese Retrowelle? Immerhin ist das Format seit 2004 im deutschen TV zu sehen.

Mikos: Das Interessante an adaptierten Shows wie dem Dschungelcamp, "Germany's Next Topmodel" oder "The Voice" ist ja, das die seit über zehn Jahren laufen. Das sind Dauerbrenner - und unter den Dauerbrennern ist das Dschungelcamp wohl der erfolgreichste.

teleschau: Warum ist das Dschungelcamp denn so erfolgreich?

Mikos: Das Dschungelcamp ist ein bisschen wie Karneval - das ist nach wie vor eines der Erfolgsrezepte. Nicht umsonst wird es immer um die Karnevalszeit ausgestrahlt. Und das Karnevaleske liegt vor allem darin, hohe Tiere durch den Kakao zu ziehen. Im Karneval sind es oft Politiker, hier sind es Promis.

teleschau: Welches Showelement ist dafür entscheidend?

Mikos: Das gelingt vor allem durch die Aufgaben, die von den Kandidaten bewältigt werden müssen. Die Dschungelprüfungen bedienen häufig den westeuropäischen Ekelfaktor. Wobei man immer sagen muss: Die essen nichts, was nicht in anderen Teilen der Welt als Spezialität gilt. Man kann Promis dabei zusehen, wie sie in Extremsituationen reagieren.

teleschau: Geht es dabei auch um den Voyeurismus der Zuschauer?

Mikos: Ich würde sagen, es ist nicht nur voyeuristisch. Vieles dreht sich darum, dass die Stars stellvertretend für den Zuschauer etwas durchleben. Eine Umfrage unter Schülern zum Dschungelcamp kam zu dem Schluss, dass die Befragten vor allem Respekt empfanden. Respekt vor den Menschen, die derlei Mutproben eingehen. Das betrifft aber vor allem Jüngere.

teleschau: Wie funktioniert das Dschungelcamp dann für die älteren Zuschauerinnen und Zuschauer?

Mikos: Man empfindet vor allem Schadenfreude. Das hat in Deutschland immer so einen negativen Beigeschmack. In anderen Ländern ist das nicht so. Schadenfreude ist ganz normal. Es ist normal, über die Missgeschicke anderer zu lachen. Und über Missgeschicke geht es beim Dschungelcamp ja in der Regel nicht hinaus. Menschen kommen ja nicht in Lebensgefahr.

"Das Dschungelcamp gehört zum richtigen Leben vor Corona", sagt Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft. (Bild: Lothar Mikos)
"Das Dschungelcamp gehört zum richtigen Leben vor Corona", sagt Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft. (Bild: Lothar Mikos)

"Die Kandidatenauswahl hat etwas von einem Sozialexperiment"

teleschau: Welche Rolle spielt die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Mikos: Die Kandidatenauswahl hat etwas von einem Sozialexperiment. Man muss auf Pritschen schlafen, am Lagerfeuer Essen brutzeln - allein zu beobachten, wie die unterschiedlichen Leute dabei interagieren, ist sehr interessant. Es geht um klassische Rollen: Welche Männer sind in Hahnenkämpfe verstrickt? Wer will der Tollste im Camp sein? Wer will sich als Mutter des Camps Respekt verschaffen? Es gibt diejenige, die sich kümmert; es gibt den Lustigen und den Traurigen. Das ist oft festgelegt.

teleschau: Die richtige Mischung macht es also?

Mikos: Das Dschungelcamp steht und fällt damit. Dabei geht es einerseits um die soziale Interaktion im Camp. Und andererseits um das Ansprechen verschiedener Zuschauergruppen. Schaut man sich die Auswahl an, ist das immer ein Mix: Aus aktuellen Reality-Stars einerseits, oft bekannt aus "DSDS" oder dem "Bachelor" - und andererseits älteren Damen und Herren, die früher mal Stars waren und wieder ausgegraben werden. Man erinnere sich an Helmut Berger, in dieser Staffel wären das etwa Harald Glööckler oder Tina Ruland. Es ist also für jeden Zuschauer jemand dabei. Wer in den 90er-Jahren die Filme mit Tina Ruland sah, will auch sehen, wie sie sich im Dschungelcamp schlägt.

teleschau: Was motiviert die Stars eigentlich ansonsten?

Mikos: Einigen geht es wohl tatsächlich nur um das Geld, weil sie aus bestimmten Gründen pleite sind. Aber sicherlich spielt auch Anerkennung eine Rolle. Die Teilnehmenden erhalten für die Zeit der Ausstrahlung wieder mehr Aufmerksamkeit. Durch die Boulevardberichterstattung verbreitet sich das Dschungelcamp auch über das Fernsehen hinaus, die Namen werden in dieser Zeit größer. Wenn die Sendung endet, ist auch das wieder vorbei. Wenn man so will, ist es ein kurzer Ruhm. War man lange nicht im Gespräch und erhält dann eine Anfrage vom Dschungelcamp, dann sagt man nicht sofort Nein. Vielleicht sagt auch so mancher Agent: "Mach mal wieder was!"

teleschau: Das beschränkt sich hierzulande aber schon auf bestimmte Kreise der Prominenz, oder?

Mikos: In Deutschland kann man sich nicht vorstellen, dass Minister ins Dschungelcamp ziehen. Im Kontrast dazu machen in England auch schon mal aktive Politikerinnen mit. Das wäre hierzulande nicht möglich. Ebenso wäre es undenkbar, dass Protagonisten aus der Hochkultur mitmachen würden. In Deutschland hatte nur Gerhard Schröder mal einen Auftritt bei GZSZ.

teleschau: Woher rühren diese Unterschiede?

Mikos: Die Engländer können ganz gut über sich selbst lachen. Das geht den Deutschen ein wenig ab - die sind immer so fürchterlich ernst. Das deutsche Fernsehen könnte anders sein, selbstironischer. Es gibt Formate wie "Wer stiehlt mir die Show", in denen sich Promis selbst durch den Kakao ziehen. Aber es ist kein Massenphänomen. Hier regiert oft noch der heilige Ernst. Vielleicht sind das noch die Traditionen des öffentlich-rechtlichen Bildungsfernsehens und der Shows vom Schlage "Einer wird gewinnen", in denen es immer um Wissen ging.

Zwölf "Stars" bevölkern den RTL-Dschungel, der diesmal in Südafrika liegt. (Bild: RTL / Arya Shirazi)
Zwölf "Stars" bevölkern den RTL-Dschungel, der diesmal in Südafrika liegt. (Bild: RTL / Arya Shirazi)

"Das Dschungelcamp gehört zum richtigen Leben vor Corona"

teleschau: Immerhin sind auch beim Dschungelcamp oft selbstironische Töne zu vernehmen, oder?

Mikos: Ja, viele Shows, die lange Zeit laufen, entwickeln eine Art Selbstironie. Man könnte auch von Selbstreflexivität sprechen. Sie sind sich darüber bewusst, was sie da tun. Auf Dauer kann man so etwas ja nicht ernsthaft betreiben.

teleschau: Ein Teil des Dschungelcamps scheint gescriptet zu sein. Spielt das für die Zuschauer eine Rolle?

Mikos: In gewisser Weise ist das egal. Ich finde die Aufregung über gescriptetes TV überflüssig. Das zeugt eigentlich nur von mangelnder Medienkompetenz. Für die Rezeption spielt das keine Rolle. Wir schauen ja auch fiktionale Formate - auch da wissen wir, dass es Fiktion ist. Trotzdem tauchen wir ein und lachen und weinen. Bei einer Show wie dem Dschungelcamp ist das nicht anders.

teleschau: Nun gab es in den letzten Jahren ähnliche Formate, in denen man Promis beobachten konnte - etwa das "Sommerhaus der Stars". Was unterscheidet das Dschungelcamp auch heute noch davon?

Mikos: Das Dschungelcamp ist auch aufgrund seines exotischen Schauplatzes besonders. Ein Dschungel in Australien - oder diesmal in Südafrika - ist etwas anderes als ein einfaches Haus. Hinzukommt natürlich, dass es das Original ist.

teleschau: Glauben Sie, dass die Pandemie, die abgespeckte "Dschungelshow" vom letzten Jahr und der Umzug nach Südafrika das Konzept des Formats beschädigt haben könnten?

Mikos: Nein, das glaube ich nicht. Im Gegenteil: Die Leute werden froh sein, das Dschungelcamp wieder sehen zu können. Man sehnt sich in der Pandemie nach dem richtigen Leben zurück. Und das Dschungelcamp gehört zum richtigen Leben vor Corona.

teleschau: Wird das Dschungelcamp Ihrer Meinung nach Probleme haben, die jüngere digitale und politische Generation anzusprechen?

Mikos: Ich kann mir Greta Thunberg schlecht im Dschungelcamp vorstellen. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass ein YouTuber oder eine Beauty-Influencerin im Dschungelcamp auftaucht. Andererseits beruht das Konzept darauf, verschiedene Generationen abzuholen. Das wird man auch mit der nächsten Generation versuchen. Ob das dann klappt, ist natürlich eine andere Frage. Ich denke aber, das Dschungelcamp wird uns noch ein paar Jahre begleiten.

"Wer in den 90er-Jahren die Filme mit Tina Ruland sah, will auch sehen, wie sie sich im Dschungelcamp schlägt", sagt Experte Lothar Mikos. (Bild: RTL / Arya Shirazi)
"Wer in den 90er-Jahren die Filme mit Tina Ruland sah, will auch sehen, wie sie sich im Dschungelcamp schlägt", sagt Experte Lothar Mikos. (Bild: RTL / Arya Shirazi)