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Michael A. Grimm: "Angst macht mir nur die Dummheit der Menschen"

"Alles finster": Jens (Michael A. Grimm) steht am Grill und hat die Essenausgabe für die Dorfgemeinschaft - darunter Edi (Harald Windisch, r.v. Grimm), Laura (Miriam Fussenegger), Hermi (Elisabeth Leeb) - übernommen. (Bild: Allegro Film/BR/ORF/Anjeza Cikopano)
"Alles finster": Jens (Michael A. Grimm) steht am Grill und hat die Essenausgabe für die Dorfgemeinschaft - darunter Edi (Harald Windisch, r.v. Grimm), Laura (Miriam Fussenegger), Hermi (Elisabeth Leeb) - übernommen. (Bild: Allegro Film/BR/ORF/Anjeza Cikopano)

Die letzten beiden Episoden der satirischen und überraschend aktuellen TV-Serie "Alles finster" über einen fiktiven Blackout in Europa und dessen Folgen für die Menschen, flimmern am heutigen Dienstag (27.9., ab 20:15 Uhr, BR) über die Bildschirme. Der bayerische Schauspieler Michael A. Grimm (52, "Guglhupfgeschwader") gehört zum überwiegend österreichischen Ensemble. Grimm spielt den deutschen Prepper und Familienvater Jens, der im Gegensatz zu allen anderen Dorfbewohnern schon lange diverse Vorräte in seinem Keller bunkert ...

Im Interview mit spot on news verrät der gebürtige Münchner, ob er selbst im Falle eines großflächigen Stromausfalls vorbereitet wäre, ob er Angst vor solchen Szenarien hat und wie smart sein Home eingerichtet ist. Außerdem erzählt Grimm von den Dreharbeiten in der niederösterreichischen Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg.

Die Serie hat seit den Dreharbeiten erheblich an Aktualität gewonnen. Was haben Sie damals beim Lesen des Drehbuches gedacht und wie hat sich Ihre Einstellung dazu vielleicht im vergangenen halben Jahr verändert?

Michael A. Grimm: Ein paar Monate vor dem Dreh bekam ich das Buch zu lesen und es hat mich gleich eingenommen. Zum einen das Thema der Zivilisationskrise und deren zwischenmenschliche Folgen in einer kleinen Dorfgemeinschaft sowie das Herangehen an dieses Thema mittels Humors.

Wir leben in einer eigentlich sehr schönen Zivilisation, die uns und vielen anderen ein relativ gutes Leben ermöglicht. Dass dem so ist, verdanken wir vielen Umständen und Anstrengungen. Dessen finde ich, muss man sich bewusst sein und es sich auch immer wieder bewusst machen. Es ist einfach nicht selbstverständlich. Das habe ich auch schon lange vor diesem Drehbuch gefunden. Ich weiß unsere - von so vielen existentiellen Nöten weitgehend befreite - Welt deshalb sehr zu schätzen, weil sie eben in der Geschichte der Menschheit eher die Ausnahme darstellt.

Und wenn man unsere Zivilisation wirklich zu schätzen weiß, kann man sie besser pflegen, schützen und hoffentlich auch immer besser machen. Diese Sichtweise hat sich meiner Meinung nach in den Corona-Jahren und auch durch den Beginn des Ukraine-Kriegs bestätigt. Ich fühle mich mit dieser Weltsicht weder überrascht noch überfahren, obwohl diese Ereignisse mich be- und getroffen haben. Ich betrachte unsere Gesellschaft als schützenswert. Um etwas zu schützen, muss man mit Schlechtem, Abträglichem rechnen, es betrachten.

Hatten Sie schon immer ein paar Notvorräte oder haben Sie seit den Dreharbeiten welche?

Grimm: Die Serie hat bei mir keine Änderung in meinem Verhalten bewirkt. An die Bedrohungen unseres Lebens denke ich regelmäßig, bewusst, sondierend und in keiner Weise meinen Alltag vereinnahmend oder gar mit Angst. Wenn Letzteres auftritt, nehme ich Abstand dazu und beschäftige mich mit anderem. Das ist, glaube ich, gut.

Ja, ich habe ein paar Vorräte. Ich glaube, ein paar Tage kein Wasser oder Strom zu haben, ein paar Tage nicht an Lebensmittel zu kommen, sollte mein Haushalt aushalten können. Darauf bin ich vorbereitet und war es auch schon davor. Falls die Veränderungen durch eine Krise aber so weitgehend wären, dass sich mein ganzes Leben komplett veränderte, also die jetzige Zivilisation zusammenbräche und ich Landwirtschaft betreiben müsste, wäre eh alles Vorplanen müßig. Dann gälte es, ganz neu anzufangen. Wenn ich das als wahrscheinlich erachten würde, müsste ich schon jetzt einen Acker bewirtschaften oder in Kanada Fallen aufstellen.

In der Serie werden die unzähligen Auswirkungen eines europaweiten Blackouts thematisiert. Welche macht Ihnen persönlich am meisten Angst?

Grimm: Angst macht mir eigentlich nur die Dummheit der Menschen. Unsere Gier, unsere unüberlegten, triebhaften oft angstgesteuerten Handlungen zum langfristigen Nachteil von uns allen. Dem gegenüber steht aber eine Fähigkeit zur Zusammenarbeit, zur Interaktion, die uns bisher so weit gebracht hat. Ich traue unserer Spezies vieles zu, zur Not auch eine lebenswerte Gesellschaft ohne Elektronik. Das kostet halt Mühen.

Abgesehen von den lebensnotwendigen Dingen wären beispielsweise auch Smart-Homes von einem Stromausfall besonders betroffen. Wie smart sieht es bei Ihnen Zuhause schon aus?

Grimm: Ich habe, trotz ziemlich guter elektronischer Vernetzung, eher ein dumb Home. Ich bin sicher kein Technikfeind, benutze vieles gerne, was unsere durchelektronisierte Welt so mit sich bringt. Aber doch nicht alles. Viele technische Fortschritte haben unser Leben besser gemacht, manche schlechter. Ich denke, es ist an jedem einzelnen von uns, sich Gedanken darüber zu machen, was ein neuer Fortschritt an Vor- und Nachteilen mit sich bringt, um dann eben abzuwägen. Es mag Leute geben, die die Bequemlichkeit, vom Urlaubsort aus, die Heizung zu regulieren oder von der Arbeit aus, die Rollos daheim runterzulassen, über die Abhängigkeit stellen, dafür elektronisch etwas abhängiger und etwas gläserner zu sein. Mir ist es das nicht wert.

Sie halten Sie sich also viele analoge Optionen offen?

Grimm: Ja, ich halte mir in vielem "analoge Optionen", wie Sie es nennen, gerne offen. Aber nicht, weil ich generell ein tiefes Misstrauen in unsere Zivilisation, in unseren technischen Fortschritt hätte, sondern einfach nur, weil ich die Möglichkeit eines Blackouts nicht ausschließen kann und will. Ich setzte die moderne Elektronik an manchen Stellen wirklich gerne ein, aber nicht immer und überall. Ich mache nicht alles, was geht, elektronisch, nur weil es geht. Wenn ich große Vorteile davon habe, zum Beispiel Menschen besser erreichen oder mein Leben besser organisieren zu können, dann bin ich bereit, den Preis dafür zu zahlen, etwas abhängiger von der Elektronik zu sein. Wo sich die Abhängigkeit aber mit wenig Aufwand vermeiden lässt, tue ich dieses.

Im Münster-"Tatort: Propheteus" (2022), in der "Känguru-Verschwörung" (2022) und auch in "Alles finster" gibt es Figuren, die sich mit Verschwörungstheorien auseinandersetzten. Somit finden diese inzwischen auch in der Fiktion statt. Was halten Sie davon?

Grimm: Bei "Alles finster" geht es nicht um Verschwörungstheorien oder Verschwörungstheoretiker. Es geht auch nicht in erster Linie um die Katastrophe. So wie wir die Geschichte erzählen, geht es uns nicht darum, wie der Stromausfall zustande kommt, ob das technisch oder politisch wirklich so ablaufen könnte, oder gar wer dahintersteckt. Wir suchen - und das ist in der Welt der Katastrophengeschichten selten und meiner Meinung nach auch so angenehm - nicht nach dem Schurken. Dem einen Bösen, der Schuld ist, oder der Gruppe böser Menschen oder Monster, die Schuld sind.

Es geht um Menschen in einer Krise, Menschen in einer Gemeinschaft. Es geht darum, ob die Gemeinschaft Bestand hat, ob sie handeln kann. Wie sie sich organisiert und wie es den Individuen darin geht. Es geht darum, wie wir mit Krisen umgehen. Das ist so viel schwerer und spannender zu erzählen, als einen abstrusen Dr. No oder Blofeld zu finden und in die Luft zu jagen.

Gedreht wurde in der niederösterreichischen Gemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg. Wie haben die Bewohner reagiert?

Grimm: Die Thernberger haben uns Filmvolk eine herrliche, unaufgeregte Gelassenheit entgegengebracht. Wir wurden nicht ignoriert oder gar geschnitten, wie das doch manchmal passiert, wenn diese schräge, ungewohnte Arbeit des Drehens, den Alltag der Anwohner stört. Wir wurden auch nicht, trotz unserer gerade in ihrer Heimat durchaus berühmten österreichischen Kollegen, von Fans bestürmt. Die Leute dort haben uns interessiert betrachtet, uns beim Geschichtenerzählen zugeschaut, ansonsten aber ihren Alltag gelebt. Uns also an ihrem Tagwerk teilhaben lassen und damit vorgelebt, wie es in einer kleinen Gemeinde ausschauen könnte. Sehr angenehm.

Sie spielen einen Deutschen, der mit seiner Familie nach Österreich ausgewandert ist. Auch am Set waren überwiegend österreichische Kolleginnen und Kollegen. Wie wurden Sie dort aufgenommen?

Grimm: Unser Beruf beim Film oder auch Theater beschreibt immer eine Horde von Menschen, die gemeinsam eine Geschichte erzählen wollen. Alle in diesem Team waren beziehungsweise sind Profis, die jeden, auch wenn er noch so wenig vertraut ist, einzubinden versuchen. Wobei ich bemerken muss, dass meine Filmehefrau, Bettina Mittendorfer, sehr viel in Österreich arbeitet und auch ich die eine oder andere Nase bereits kannte, wir also weder fremd noch ausgegrenzt waren. Die ganze Atmosphäre dieses Drehs war entspannt, angenehm, arbeitsam, freundlich und ungewöhnlich. Ich möchte diese Arbeit nicht missen.