Mecker-Monster Selke ballert RB-Frust weg

Wer eine eindrückliche Beschreibung von Davie Selkes Charakter als Fußballer bekommen möchte, der muss nur bei Stefan Kuntz nachfragen.

"Davie ist ein Mentalitätsmonster", schwärmte der U-21-Nationaltrainer wenige Tage vor der UEFA U-21 EM 2017 in Polen und meinte augenzwinkernd:

"Der geht ins Spiel rein, als erstes meckert er mit dem Gegenspieler, dann meckert er mit dem Schiedsrichter, dann mit den eigenen Leuten. Dann meckert er mit dem Pfosten, dem Ball und dem Rasen - und mit dem Trainer auch noch."

So weit, so schlecht.

Aber: "Dann schießt er das 1:0, holt den Ball und legt ihn direkt wieder auf den Punkt, weil er ein zweites schießen will", erklärt Kuntz, "das ist natürlich das, was du haben willst als Trainer".

Traumtor gegen Dänemark

Am Mittwochabend nach seinem Traumtor zum 1:0 gegen Dänemark hatte Selke allerdings keine Zeit, den Ball aus dem Tor zu holen. Er musste erst einmal ausgiebig jubeln - mit sich selbst und seinen Kollegen.

"Es ist schon ein bisschen was von mir abgefallen, weil ich einfach dem Team weiterhelfen wollte", sagte der Stürmer anschließend im ZDF.

Im ersten Spiel gegen Tschechien hatte Selke beim Stand von 2:0 noch Kapitän Maximilian Arnold als Elfmeterschützen weggedrängelt - und war prompt am gegnerischen Keeper gescheitert.

Nur zwei Mal Startelf bei RB Leipzig

Nicht nur deshalb hatte sich in ihm einiges angestaut. Bei RB Leipzig kam der 22-Jährige in der abgelaufenen Saison insgesamt auf gerade einmal 436 Einsatzminuten, stand nur zwei Mal in der Startelf.

"Der hat ein halbes Jahr nicht richtig gespielt. Da kannst du dir ja vorstellen, was sich in dem Jungen angestaut hat", meinte Ex-Torjäger Kuntz vor dem Turnier. "Da muss man nur vorne den Korken ziehen und dann gucken, dass er nicht überzieht."

Was gegen Tschechien und bis zu jener 53. Minute gegen Dänemark eher von mäßigem Erfolg gekrönt war.

Klar: Mentalitätsmonster Selke rackerte und ackerte, setzte die gegnerische Abwehr unter Druck und versuchte auch im Offensivspiel viel - es gelang ihm aber wenig.

"Wichtig, Vertrauen zu spüren"

Trotzdem hielt Kuntz an ihm fest, auch weil er ihm als ehemaliger Stürmer natürlich immer "die Daumen drückt, dass er zeigen kann, was in ihm steckt".

Daumen drücken und den Rücken stärken - wahrscheinlich war es genau das, was Selke in seiner aktuellen Situation benötigte.

"Für mich ist es wichtig, Vertrauen zu spüren, dass ich mich beweisen kann auf dem Platz", sagte Selke nach seinem Wechsel zu Hertha BSC im SPORT1-Interview.

Fühlt er sich wohl, präsentiert sich der 1,92-Meter-Hüne meist gut gelaunt und hat immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Seine Qualitäten als Komiker sind innerhalb der deutschen U-21 berühmt-berüchtigt.

Vorfreude auf Duell mit Italien

Auf dem Rasen aber versteht Selke keinen Spaß - oder wie es Kuntz ausdrückt: "Er hat einen Erfolgshunger, das ist schon klasse."

Den will Selke nun auch am Samstag (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER, Highlights ab 22.45 Uhr im TV auf SPORT1) im Endspiel um den Halbfinaleinzug gegen Italien und Torwart-Wunderkind Gianluigi Donnarumma unter Beweis stellen.

"Wir sind jetzt angekommen und freuen uns schon auf die Italiener", meinte der U19-Europameister von 2014 nach dem Sieg gegen Dänemark.

Vielleicht auch, weil er sich sicher sein kann, gegen die Azzurini ganz schnell einen geeigneten Gegenspieler zum Anmeckern zu finden.