"Magical Mystery": Dafür muss man kein Techno-Fan sein!

"Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt" (Kinostart: 31. August) ist die zweite Romanverfilmung des Bremer Kult-Autors Sven Regener (56). Der Film setzt inhaltlich fünf Jahre nach dem ersten Roman und der gleichnamigen Verfilmung "Herr Lehmann" (2003) an. An dessen Ende feiern nicht nur fast alle die Wende im Jahr 1989, ein gewisser Karl Schmidt - damals gespielt von Detlev Buck (54) - wird auch komplett überdreht in die Psychiatrie eingewiesen. Im neuen Film schlüpft nun Charly Hübner (44), der den meisten auch als cooler Kommissar Bukow im Rostock-"Polizeiruf" bekannt sein dürfte, in die Rolle des gestrauchelten Künstlers.

Das ist die Story

Seit dem Klinikaufenthalt in Hamburg fristet Karl Schmidt Mitte der 1990er Jahre ein eher tristes Dasein zwischen Anti-Drogen-WG, Hausmeistertätigkeit im Kinderkurheim Elbauen und heimlichem Eisbecherschlecken. Bei einem dieser Besuche im Café trifft er zufällig einen Kumpel aus alten West-Berliner Zeiten wieder. Raimund - herausragend verkörpert von dem Hamburger Schauspieler Marc Hosemann (47, "Pregau") - freut sich riesig und lädt Karl nach Berlin ein. Denn ein anderer gemeinsamer Freund, Ferdi (Detlev Buck), leitet dort das schwer erfolgreiche Techno-Label Bumm Bumm Records.

Als Karl Schmidt zum Urlaub verdonnert wird, nutzt er die Gelegenheit und fährt tatsächlich nach Berlin. Ferdi nimmt "Charlie", wie er in seinem alten Leben genannt wurde, mit offenen Armen auf und macht ihn zum Manager und Fahrer der geplanten "Magical Mystery"-Tour seiner Techno-DJs durch Deutschland. Auf dieser Reise arbeitet sich der traurige Antiheld, "dieser Berg von Seele", wie Charly Hübner seine Rolle im Interview mit spot on news liebevoll nennt, Stück für Stück ins Leben zurück...

Liebeserklärung an die Anfänge des Techno

Itz, itz, itz itz... Die Musik spielt natürlich eine große Rolle im Film, und auch wer meint, mit Techno nicht allzu viel anfangen zu können, dürfte sich schnell beim Mitwippen ertappen. "Techno holt einen ab, ist nicht kompliziert, man ist schnell drin. Der Körper will automatisch mitmachen, das hat man gar nicht so unter Kontrolle", findet auch Hübner. Zusammen mit den schrägen Charakteren in Klamotten und Styling erschufen die Filmemacher ein mitreißendes Denkmal für jene Bewegung, aus der auch die Loveparade hervorging - eat, sleep, rave, repeat...

Erhebliches Kultfilmpotential

Kultfilmpotential hat der Streifen aber nicht nur dank der wirklich tollen Leistung des Schauspielerensembles, allen voran brilliert einmal mehr Charly Hübner. Auch wegen der vielen witzigen und geistreichen Sprüche, lässt sich der Film gut und gern mehrfach ansehen: "Manchmal bewegt sich einer nicht, aber deshalb ist er noch lange nicht tot", sagt Karl doppeldeutig über ein Krokodil. Und eine Sozialarbeiterin relativiert an anderer Stelle: "Die Friedhöfe sind voll von unverzichtbaren Leuten."

Der Film ist witzig und oberflächlich im besten Sinn, ein entscheidender Konflikt bei psychischen Krankheiten zieht sich aber ebenfalls durch den Plot und sorgt damit für Tiefe: Wie viel ist ererbt, wie viel erlernt und - in diesem Fall - wie viel durch Drogen ausgelöst?

Fazit

Die Techno-Szene, der Wende-Kultfilm "Herr Lehmann", Autor Sven Regener, Charakterdarsteller Charly Hübner, Filmemacher Detlev Buck... Für wen das verlockende Schlagworte sind, dem sei "Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt" wärmstens ans Herz gelegt. Aber auch ganz allgemein popkulturell interessiertes Kinopublikum dürfte die Kinokarte nicht bereuen. Denn bis zur Katastrophe der letzten Loveparade im Jahr 2010 schien es für die Techno-Bewegung immer nur weiter und vorwärts zu gehen.

Alles in allem ist "Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt" eine geistreiche Liebeserklärung und sehenswerte Hommage an die Anfänge des Techno sowie eine rührende Geschichte über einen Außenseiter.

Foto(s): DCM/Gordon Timpen, SMPSP, DCM/Gordon Timpen, SMPSP, DCM/Gordon Timpen, SMPSP, DCM/Gordon Timpen, SMPSP, DCM/Gordon Timpen, SMPSP