Machen Sie doch bitte Schluss, Mister Tarantino

Wenn jemand seit Jahren ankündigt, dass er seinen Beruf an den Nagel hängen will, dann sollte man diesen Worten auch Taten folgen lassen. Wie Quentin Tarantino. Der ist jetzt in der Pflicht. Zwei Filme darf er noch drehen, dann muss er aufhören. Sonst ist es meiner Meinung nach mit seiner Glaubwürdigkeit dahin. Und - ehrlich gesagt - so ein Wahnsinns-Verlust wäre es auch wieder nicht.

Autor: Thomas Lassonczyk

Vor ein paar Tagen war es mal wieder so weit. Bei einem Event in den USA teilte Quentin Tarantino der staunenden Menge mit, dass er noch zwei Filme drehen und sich dann in den Ruhestand begeben werde. Nun, neu ist dieser Plan ja nicht gerade. Meines Wissens kursiert dieses Gerücht bereits seit vier Jahren. 2012 sprach er schon davon, dass er dann aufhören wolle, wenn es am schönsten sei, und er auf keinen Fall als alternder Filmemacher enden möchte. Auch auf die Gefahr hin, dass ich es mir mit einigen Hardcore-Fans des Kult-Regisseurs verscherze: Ich finde die Idee mit dem Schluss machen gar nicht mal so übel, vorausgesetzt, er hält sie auch wirklich durch. Zugegeben, er hat der Filmwelt ein paar höchst originelle und eigenwillige Werke geschenkt. Doch so richtig vom Hocker gerissen hat mich kaum eines. Schon 1991, mit seinem ultrabrutalen, nach grober Gewaltverherrlichung riechenden Debüt “Reservoir Dogs" machte er sich mich nicht gerade zu seinem Freund.

Drei Jahre später folgte auch schon jener Film, der seinen kometenhaften Aufstieg und Ruhm begründete: “Pulp Fiction". Ich gebe zu, dieser Film definierte das Genre des zynisch-makabren Thrillers neu. Doch dass Tarantino dafür ausgerechnet den Drehbuch-Oscar bekam, löste bei mir blankes Entsetzen aus. Denn das Skript strotzt nur so vor logischen Fehlern und Ungereimtheiten. Würde man “Pulp Fiction" Szene für Szene sezieren, wäre schnell klar, dass diese Story so auf keinen Fall hätte stattfinden können. Eines muss man dem Mann aus Knoxville, Tennessee, zu Gute halten. Er lässt sich zwischen seinen Filmen immer sehr viel Zeit. Genutzt hat das meiner Meinung nach allerdings wenig. Erst langweilte er mich mit dem nicht enden wollenden Dialog-Marathon “Jackie Brown" (1996).

Dann blähte er den Plot von “Kill Bill" (2003) derart auf, dass er gleich noch eine Fortsetzung (2004) davon ins Kino brachte und so bei seinen “Fans" zweimal abkassierte. Und mit seiner Hommage an die B-Movies der 1970er Jahre, “Death Proof - Todsicher" (2007) machte Tarantino nichts anderes als seine Jugenderinnerungen zu verarbeiten, als er in einer Videothek arbeitete und sich dort einen Trash- und Exploitation-Film nach dem anderen reinzog. Als Dokumentation hätte ich mir das Projekt schon vorstellen können, nicht aber als Spielfilm, der mehr einem schwachen John Carpenter-Plagiat gleicht als einem Tarantino. Meinen Hut ziehe ich allerdings vor den beiden Werken, die er mit Christoph Waltz realisiert hat.

“Inglorious Basterds" (2009) ist aus meiner Sicht einer der besten Filme, die jemals über Nazi-Deutschland und den Zweiten Weltkrieg gemacht wurden. Während der Anfangssequenz, wenn der diabolische Waltz als SS-Oberst Hans Landa ein Bauernhaus nach Juden durchsuchen lässt, laufen mir immer noch eiskalte Schauer den Rücken hinunter.

Und “Django Unchained" (2012) ist für mich einer der herausragenden modernen Western überhaupt. Ganz im Gegensatz zu “The Hateful 8" (2015), bei dem Tarantino wieder in sein altes Schema zurückgefallen ist: Öde, nur selten witzige Dialoge, die nicht aufhören wollen, werden plötzlich von Gewaltorgien, in denen das Blut in Fontänen durch die Gegend spritzt, abgelöst. Tarantino hat einmal gesagt, dass die letzten vier Filme eines Regisseurs meistens die schlechtesten seien. Nach dieser Regel würden darunter bereits “Django Unchained" und

“The Hateful 8" fallen. Außerdem seine beiden letzten, noch zu realisierenden Produktionen. Und noch ein Zahlenspiel: Tarantino wird am 27. März 54. Wenn man davon ausgeht, dass er alle vier Jahre einen Dreh zustande bringt, dann wäre er beim zehnten Film 62 Jahre. Ein wahrhaft ideales Alter, um in Rente zu gehen. Aber ich rechne ganz fest mit einem Rücktritt vom Rücktritt (wie man es von vielen Fußballnationalspielern kennt). Er selbst hat sich ja immer wieder ein Hintertürchen offen gehalten. Das sei alles nicht in Stein gemeißelt, sagte er, und wenn die Story passe, würde er sich schon überreden lassen, außerdem könne er ja auch Bühnenstücke schreiben und Theaterregie führen. Ich fürchte also, es ist noch lange nicht vorbei mit den künstlerischen Ergüssen des Herrn Quentin Tarantino.

Bilder: ddpImages