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Mit Lordosenstütze ins Homeoffice

Wie richtet man sich ein Homeoffice ein? Herr K. sitzt ratlos zu Hause am Esszimmertisch und könnte auch noch fragen: Und wozu braucht man es überhaupt, dieses Homeoffice? Aber darauf hat ja der alte Reschke schon eine Antwort gegeben: „Auch unseren Führungskräften wollen wir neue Arbeitsmodelle ermöglichen. Wir verstehen uns überhaupt als Enabler Ihrer Potenziale.“ Sprach’s und verschwand in seinem Vorstandschef-Einzelbüro, während Herr K. sich noch nicht richtig enabelt, dafür mit ganz neuen Fragen konfrontiert fühlte.

Zum Beispiel: Braucht sein neuer Homeoffice-Stuhl eine Lordosenstütze mit Sitztiefenverstellung? Muss die Multifunktions-Armlehne mit einer stufenlos arretierbaren Synchronmechanik kombiniert sein? Und kann man den ganzen Firlefanz dann wenigstens krachend von der Steuer absetzen? Bei seinem samstäglichen Streifzug durch die Büro-Abteilungen großer Möbelgeschäfte traf Herr K. auf seinesgleichen. Herren mittleren Alters wurden von ihren augenrollenden Gattinnen profund beraten: „Jetzt kauf halt den Blauen mit dem Nappa-Imitat, bequem sind die doch eh alle!“

Aber vielleicht geht er das Thema am Montagfrüh auch einfach falsch an: In seinem Fall würde Homeoffice ja zunächst bedeuten, dass man die bisherige Mischung aus Bügelzimmer und Rumpelkammer neben dem Heizungskeller irgendwie wohnlich machen müsste. Das kann ja nur schiefgehen. In der TV-Werbung sieht Homeoffice immer ganz anders aus: Da sitzen junge Menschen mit Gel im Haar sehr lässig auf loftig-sonnenbeschienenen Sofas und schauen unangestrengt auf den Bildschirm ihres Laptops.

Andererseits weiß Herr K. nicht, was die da dann machen, denn mit Quartalsabschlüssen oder Excel-Tabellen kann es nichts zu tun haben, so fröhlich, wie sie dabei aussehen. Herr K. hat nach zehn Minuten mit dem Laptop auf dem Wohnzimmersofa einen verspannten Nacken. Der Umzug zurück an den Esszimmertisch macht indes nichts besser, denn wie soll man sich zu Hause überhaupt auf Arbeit konzentrieren?

„Also, ich schaff‘ das ganz gut“, sagt seine Frau kühl und schickt ihn mit dem Müll raus. Später muss er die Dachrinne reinigen und mit ihr mittagessen. Dann kommen seine Kinder aus der Schule und erschrecken, weil ihr Vater sonst nie da ist. Insofern ist Herr K. froh, als gegen halb drei endlich seine Sekretärin anruft. Sie fragt, wo er bleibe oder ob er krank sei.

Als Herr K. ihr das mit dem Homeoffice erklärt, kriegt sie einen Lachanfall. Das sei doch alles nur Vorstandslyrik gewesen. Alle in einem Boot und so. Herr K. ist dermaßen erleichtert, dass er noch am späten Nachmittag in die Firma fährt, um ein bisschen sein Büro genießen zu können. Im Foyer kommt ihm der alte Reschke entgegen. „Na, noch fleißig?“ „Muss ja“, antwortet Herr K. „Hatte heute auch Homeoffice.“ Reschke lächelt beim Rausgehen, sagt „So, so“, denkt sich aber: „Noch so ein Idiot.“

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK