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Lindner attackiert die Parteien - auch die Union

FDP-Chef Christian Lindner attackiert im Wahlkampf auch die Union.
FDP-Chef Christian Lindner attackiert im Wahlkampf auch die Union.

Noch eine Woche bis zur Bundestagswahl - da kennen Parteien nur noch eines: Angriff. FDP-Chef Lindner bezieht bei einem Parteitag auch CDU und CSU ein, obwohl er mit diesen eigentlich regieren will.

Berlin (dpa) - Mit Attacken auch auf den Wunsch-Koalitionspartner CDU/CSU ist die FDP auf die Zielgerade des Bundestagswahlkampfes gegangen. Zugleich warnte der Vorsitzende Christian Lindner bei einem außerordentlichen Bundesparteitag am Sonntag in Berlin vor einem Linksrutsch in Deutschland.

Lindner rief seine Partei dazu auf, in den kommenden Tagen dafür zu kämpfen, den Abstand zu den Grünen noch zu verkürzen, um dann Einfluss auf die Koalitionsbildung nehmen zu können. Generalsekretär Volker Wissing versprach den Wählerinnen und Wählern «Klarheit, Stabilität und Verlässlichkeit».

Auch Wissing attackierte die Union: «Deutschland hat sich unter Führung der CDU schleichend zu einem Höchststeuerland entwickelt. Wir bleiben dadurch seit Jahren unter unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten», kritisierte er. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel appellierte an die Mitglieder, alles dafür zu tun, damit die FDP zum zweiten Mal in Folge bei der Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis erzielt.

Kritik an allen Parteien

«Ausgerechnet die Union verlangt jetzt von uns, wir sollten irgendetwas ausschließen», sagte Lindner. «Nachdem die Union ja seit Jahr und Tag ihr eigenes politisches Koordinatensystem regelmäßig opportunistisch nach links und Grün ausgerichtet hat», ergänzte der Vorsitzende der Freien Demokraten. «Von dieser Union nehmen wir keine Anweisungen entgegen. Wo kommen wir denn da hin?»

Lindner warf SPD und Grünen vor, sich die Option Linkspartei für eine Koalition offen zu halten. Die Linke aber «darf keine Macht in, darf keine Macht über diesen Staat haben». Die Union wiederum fahre keinen klaren Kurs, zeige Schwäche und wirke so, als sei sie mit sich selbst nicht im Reinen. Man befinde sich derzeit in einer paradoxen Situation, sagte Lindner genau eine Woche vor der Wahl. «Die SPD ist stark, weil sie zeigt, wie sie in Wahrheit gar nicht ist. Und die CDU ist schwach, weil sie nach der Ära Merkel zeigt, wie sie wirklich ist.» Die besondere Verantwortung der FDP bestehe nun darin, «Garant für die Mitte in unserem Land zu sein».

Die FDP wolle nicht aus taktischen Gründen, sondern für ihre Überzeugungen gewählt werden. «Freiheit vor Bürokratismus, Erwirtschaften vor Verteilen, Erfinden vor Verbieten - wer das so sieht wie wir, der sollte mit allen Stimmen für die Freiheit wählen», sagte Lindner unter dem Jubel der Delegierten.

Der FDP-Vorsitzende wetterte gegen den «grassierenden Bürokratismus» in Deutschland, mahnte Bildungsgerechtigkeit an und erteilte Steuererhöhungen eine Absage. «Deutschland muss wechseln - von einem Jahrzehnt der Belastung bei Steuern, Abgaben und Bürokratie in ein Jahrzehnt der Entlastung bei Steuern, Abgabe und Bürokratie.» Das sei die Antwort der Liberalen auf die Wirtschaftskrise. Zugleich warnte Lindner davor, die Schuldengrenze im Grundgesetz preiszugeben. «Wie wäre dann das Signal in Europa?», fragte er und forderte: «Wir müssen Anwalt von Stabilität in Europa sein und bleiben.»

«German engineered Klimaschutz»

In der Klimapolitik setzte Lindner ganz auf moderne Technologien. Eine mit Verboten und Verzicht arbeitende Politik lehnte er ab. Lindner kritisierte scharf Pläne der Grünen und nannte als Beispiel deren Förderkonzept für Lastenfahrräder. «Klimaschutz by Bullerbü wird aber niemals ein Exportschlager für die Welt sein», sagte er und bezog sich damit auf das dörfliche Idyll in den Kinderbüchern Astrid Lindgrens. «German engineered Klimaschutz hingegen kann bei uns Jobs schaffen und woanders die Erderwärmung bekämpfen.»

Beim Thema Rente bemühte Lindner seine 96 Jahre alte Oma Waltraud. Diese plane gerade ihren nächsten Urlaub. Die Alterung der Gesellschaft sei ein Segen und Menschheitstraum, kein Problem, sagte der FDP-Chef. «Das Problem sind die sogenannten Volksparteien, die über Jahrzehnte und vorsätzlich unser Sozial- und Rentensystem an diesen Menschheitstraum nicht angepasst haben. Und das muss jetzt geändert werden.»

Mit Blick auf die Corona-Pandemie warb Lindner dafür, dass sich möglichst viele Menschen in Deutschland gegen das Virus impfen lassen. Sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki forderte, schnellstmöglich die pandemiebedingten Grundrechtseinschränkungen aufzuheben und zur Normalität zurückzukehren. «Wir brauchen den Freedom Day so schnell wie möglich, weil die Menschen mittlerweile mental am Ende sind mit den Maßnahmen.»

Kubicki betonte, die Freiheit sei nicht nur in China und Russland, sondern auch in Deutschland bedroht. Fast drei Viertel der Menschen hätten das Gefühl, sie könnten ihre Meinung nicht mehr frei sagen. «Wir wollen nicht erleben, dass seltsame Clowns wie Jan Böhmermann darüber befinden können, wer sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk äußern darf und wer nicht. Und ich will nicht erleben, dass halbgare «Spiegel»-Redakteure darüber befinden, wer Wissenschaftler ist und wer nicht», sagte der Vizepräsident des Bundestags unter frenetischem Beifall der Delegierten.