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Leute vor der Wahl 2021: "Ich darf nach 25 Jahren nicht mehr wählen"

In der Portraitreihe Leute vor der Wahl 2021 erzählen Wähler:innen im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September was ihnen wichtig ist und was sie von der neuen Regierung erwarten.

Der Chemiker Dr. Markus Brandhorst ist Deutscher, aber bei der Bundestagswahl 2021 wird er vorerst das letzte Mal sein Kreuzchen setzen dürfen. Denn er ist Auslandsdeutscher, arbeitet und lebt im Nachbarland, seine Promotion hat ihn vor 23 Jahren nach Frankreich geführt, erst nach Montpellier, heute wohnt er in einem Vorort von Lyon.

"Wenn man 25 Jahre lang nicht mehr in Deutschland gemeldet ist, dann darf man nicht mehr wählen", sagt der 48-Jährige. Auf der Webseite des Bundeswahlleiters heißt es, dass Personen zur Teilnahme an der Bundestagswahl berechtigt sind, die "nach Vollendung des 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt haben und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt".

3 bis 4 Millionen Auslandsdeutsche - nur wenige wählen

Ein weitere Möglichkeit ist laut Bundeswahlgesetz, wenn man "aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland erworben hat und von ihnen betroffen ist." Das können Engagements in Verbänden, Parteien und sonstigen Organisationen sein. Auslandsdeutsche müssen sich dann in ein Wählerverzeichnis eingetragen lassen und dafür vor jeder Wahl unter Einhaltung von Fristen einen förmlichen Antrag stellen.

Rund drei bis vier Millionen deutsche Staatsbürger sollen im Ausland leben, die meisten in Europa, eine offizielle Statistik dazu gibt es nicht. Doch die wenigsten lassen sich in ein Wählerverzeichnis eingetragen und machen von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

"Wenn ich mir vorstelle, dass ich irgendwann nach Deutschland zurückgehe, dann wäre das schon berechtigt, dass man mitreden darf, wie sich das Land weiterentwicklet bevor man wieder zurückkommt", sagt Markus Brandhorst. Für Auslandsdeutsche kann zum Beispiel die Rentenentwicklung ein wichtiges Thema sein, sofern sie Rentenansprüche in Deutschland haben. Aber auch bildungspolitische Entscheidungen für die Anerkennung von Abschlüssen oder steuerpolitische Entwicklungen können sie betreffen.

Es gibt Entscheidungen, die einen betreffen können, obwohl man im Ausland lebt.

Dr. Markus Brandhorst, Chemiker und Auslandsdeutscher

Dr. Markus Brandhorst

Chemiker in der industriellen Forschung
48 Jahre alt, Lyon

Was ist für Sie das wichtigste Thema bei der Bundestagswahl?

"Der Klimawandel und wie Deutschland dem entgegentreten möchte. Aber auch die Rolle Europas in der Welt, Deutschland braucht Europa und gute Partner, um sich Gehör zu verschaffen und Interessen durchzusetzen."

Was hat sich für Sie durch die Coronakrise geändert?

"Beruflich ziemlich viel, denn ein großer Teil meiner Arbeit bestand darin zu reisen. Und das ist so gut wie komplett weggebrochen seit der Coronakrise und ist auch bisher nicht wiedergekommen. Wichtige Geschäftsbeziehungen laufen jetzt digital auf dem Bildschirm ab. So kann man sich austauschen, aber es ist nicht dasselbe als sich persönlich vor Ort zu treffen.

Und ich denke, es wird wohl auch vieles davon vorerst bleiben, weil es nicht nötig ist für ein Meeting von einer Stunde einen ganzen Tag zu reisen."

Entscheidungen, die sich nicht besonders gut verkaufen lassen, aber die man durchziehen muss, wenn man eine Vision hat wie es politisch weiter gehen soll.

Dr. Markus Brandhorst, Chemiker und Auslandsdeutscher

Was wünschen Sie sich für die neue Ära in Deutschland nach Angela Merkel?

"Eine neue Regierung, die Europa stärkt, und ihre Partner in Europa findet, nicht nur weil es außerhalb Europas wahrscheinlich keine zu finden sind, um gemeinsam als europäische Regionalmacht eine Position in der Welt zu behaupten."

Welche Eigenschaften sollte die nächste Kanzlerin oder der nächste Kanzler haben?

"Es sollte jemand sein, der seine persönlichen Ambitionen auch mal zurückstellen kann und das ist oft nicht unbedingt die erste Eigenschaft von den meisten Berufspolitikern. Jemand, der Entscheidungen trifft, die getroffen werden müssen, die nicht populär sein werden, was auch beim Klimawandel der Fall sein wird, weil sie mit Einschränkungen einhergehen werden.

Entscheidungen, die sich nicht besonders gut verkaufen lassen, aber die man durchziehen muss, wenn man eine Vision hat wie es politisch weiter gehen soll. Nicht immer warten und aufschieben und auf die Umfragewerte schielen."

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