Komödie «Taxi»: Als Autofahren Protesthaltung war

Peter Dinklage und Rosalie Thomass in einer Szene des Films "Taxi". Foto: Farbfilm

«Taxi fahren hat heute für junge Leute kaum noch Reiz», sagt Karen Duve am Telefon, «das liegt am schlechteren Verdienst - aber auch am Navi. Man muss nur die Adresse eingeben und los geht’s. Das ist doch keine Herausforderung mehr.» Vor 30 Jahren war das noch anders, als so mancher aus der links-politisierten akademischen Westjugend gern solange Taxi fuhr, bis die Berufung zu Höherem sich erfüllte - oder eben nicht.

Auch Duve, erfolgreiche Schriftstellerin («Weihnachten mit Thomas Müller», «Anständig essen. Ein Selbstversuch»), kurvte nach ihrem Abitur 1981 und abgebrochener Ausbildung zur Steuerinspektorin 13 Jahre lang durch die Straßen ihrer Heimatstadt Hamburg. Ihre oft unangenehmen Erfahrungen verarbeitete sie 2008 in dem Roman «Taxi».

Stimmungsträchtig und ruppig hat nun Kerstin Ahlrichs (Jahrgang 1966, «Sieh zu, dass du Land gewinnst») die Geschichte spätpubertärer Youngsters verfilmt. Beim 25. Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern im Mai gab es dafür den Publikumspreis. Das Drehbuch stammt von der mittlerweile mit vielen Tieren in der Märkischen Schweiz in Brandenburg lebenden Duve.

Ein Coup der melancholischen Coming-Of-Age-Komödie ist die Besetzung: Neben Rosalie Thomass («Das Leben ist nichts für Feiglinge») als Antiheldin Alex wirken etliche jüngere Schauspielgrößen mit - Stipe Erceg, Robert Stadlober, Antoine Monot Jr. etwa - sowie als (besoffener Fahr-) Gast Armin Rohde. Dazu dürfte es nicht nur Fans der TV-Serie «Game Of Thrones» begeistern, dass sich deren kleinwüchsiger Star Peter Dinklage als cooler Philosoph und Lover Marc gewinnen ließ.

Die Hauptperson Alex - bei Thomass missgestimmt und reizend, zupackend und unsicher zugleich - chauffiert im eierschalfarbenen Mercedes-Diesel Proleten und Pfeffersäcke durch Hamburg. Immer wieder ist sie auch allein - im Dunkel ihrer Nachtfahrten flirren die bunten Lichter der Großstadt wie ein ferner Abglanz der Alltagswirklichkeit.

Von ihrer spießigen, verlogenen Familie abgestoßen, weiß die junge Frau genau, was sie nicht will. Aber keineswegs, was sie will. Zu all der Trostlosigkeit liegen ihr ständig ihre pseudo-intellektuellen Kollegen in den Ohren, die der Nicht-Akademikerin jegliche Klasse absprechen.

Sie habe sich darum gerissen, das Drehbuch zu schreiben, sagt Duve im Telefonat mir dpa - «weil das alles sehr privat ist, sehr viel mit mir zu tun hat.» Die Filmstory ist wohl um der Kinogesetze willen einiges anders als die im Buch. So wurde aus der Episodenfigur Marco die etwas ältere Hauptfigur Marc, an der Alex sich weiterentwickelt. Die junge Frau ist tougher als im Roman - weil das im Kino spannender wirke. «Dennoch ist die Person immer noch ganz schön orientierungslos», sagt die Autorin.

«Heute sind junge Leute vielleicht auf eine andere Art unsicher.» Zwar versuchten viele, sich ein Gerüst und damit Sicherheiten für ihr Leben zu schaffen. Die 53-Jährige hält dagegen: «Sie stehen genauso hilflos vor den Anforderungen des Erwachsenenlebens wie wir damals. Mit Anfang 20, wenn man sich für Beruf und Lebensform entscheiden soll, geht es um existenzielle Themen: bei sich selbst zu bleiben, seine Grenzen zu setzen, seinen Weg zu finden. Was will ich eigentlich? Die Fragen sind zeitlos.»

Sie selbst habe früh angefangen, zu schreiben und immer ergebnislos bei Verlagen angefragt. Mit 29 Jahren habe sie dann gedacht: «Das wird nichts mehr. Vielleicht haben deine Eltern doch recht». Später erkannte Duve mit innerem Abstand, was beim Taxifahren das Wesentliche war: das Atmosphärische, das Gefühl, die Stadt gehört mir, die kurzen Begegnungen und abgebrochenen Gespräche, das Lonesome-Cowboyhafte. Ihr Roman «Taxi» wurde ein Bestseller.

Taxi