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Kino vs. Streaming: Wie die Corona-Krise einen alten Konflikt verschärft

Trotz Corona-Krise beteuern Verleiher und Regisseure, ihre verschobenen Filme im Laufe des Jahres in die Kinos bringen zu wollen. Kinobetreiber aber sind misstrauisch - auch, weil die ersten Studios ihre Filme bereits zu den Streaminganbietern geben.

Als vor ein paar Wochen die Oscars verliehen wurden, schien der alte Streit zwischen Kinobetreibern und Streamingdiensten eine Pause einzulegen. Nicht etwa, weil man das Grundproblem aus der Welt geschaffen hätte - noch immer laufen Netflix- und Amazon-Filme nur kurz im Kino, wenn überhaupt; ihr Hauptpublikum finden sie auf den Streamingplattformen. In Los Angeles aber wurden Netflix-Produktionen wie "The Irishman" gnadenlos abgestraft von der Jury, gewonnen haben stattdessen Filme, die von vorneherein fürs Kino gemacht worden waren, wie etwa "Parasite", "1917" oder "Joker". Die Corona-Krise befeuert den Konflikt nun allerdings neu. Denn die Kinos haben zu und die Streamingdienste Hochkonjunktur.

In Deutschland sind die Kinos wohl noch bis zum Ende der Osterferien geschlossen, wenn nicht länger. Und auch in den USA hat kaum ein Filmtheater noch offen. Entsprechend wird ein Filmstart nach dem nächsten abgesagt. Den Anfang machte das Studio Universal, das "Keine Zeit zu sterben", den 25. James-Bond-Film, vom April auf den November verschob. Es folgten weitere Verleiher, Blockbuster wie "Mulan", "Black Widow" oder "The New Mutants" werden voraussichtlich erst später im Jahr anlaufen; "Fast & Furious 9" wurde gar um fast ein ganzes Jahr nach hinten geschoben. Andere Filme allerdings sollen gar nicht erst ins Kino gebracht werden - sondern direkt auf den Plattformen der Streaminganbieter landen.

"Wir glauben an das Kinoerlebnis"

Das betrifft etwa Produktionen, die bereits in den Kinos angelaufen sind, bevor die Corona-Krise so richtig zuschlug. Den von der Kritik gefeierten Horrorfilm "Der Unsichtbare" zum Beispiel oder die Jane-Austen-Adaption "Emma". Aber auch der Animationsfilm "Trolls World Tour" wird laut Mitteilung von Universal (zumindest in den USA) demnächst bei Amazon und Co. zu kaufen sein - und das, obwohl er noch gar nicht in den Kinos anlief und das wohl auch nicht tun wird.

Mancher Kinobetreiber ist über so eine Entscheidung freilich verärgert. Denn die Kinos, die die Corona-Krise überleben, benötigen nach Wiedereröffnung nichts mehr als große Filme, um das Publikum wieder in die Säle zu locken. Und überhaupt: Präzedenzfälle will man gar nicht erst schaffen, Corona hin oder her. Da schmerzt es, wenn potenzielle Kassenschlager bereits bei Streamingdiensten abrufbar sind. Man dürfe "aufgrund kurzfristiger Umsätze nicht voreilig langfristige und funktionierende Geschäftsmodelle infrage stellen, wie das jetzt zum Teil schon geschieht", sagte Björn Hoffmann von der AG Verleih, dem Verband unabhängiger Filmverleiher, unlängst der "Süddeutschen Zeitung" und verwies explizit auf Universal, den Verleiher von "Trolls World Tour".

Studios wie Disney teilten anlässlich der Verschiebung ihrer Produktionen mit, man setze noch immer auf das Kino als besten Ort, um Filme zu zeigen. Tom Rothman, Chef des Konkurrenz-Studios Sony, sagte vor wenigen Tagen gegenüber dem Magazin "Deadline", man stehe "fest hinter der Kinoauswertung". Und auch John Krasinski, Regisseur des ebenfalls verschobenen Horror-Films "A Quiet Place 2" teilte auf Twitter mit: "Wir unterstützen und glauben an das Kinoerlebnis."

Sorge bei den Kinobetreibern

Die Frage ist nur, ob sich die Verleiher daran halten - oder ob sich ihre Beteuerungen als bloße Lippenbekenntnis entpuppen, sollte die Corona-Krise länger andauern als befürchtet. Der europäische Kino-Dachverband UNIC veröffentlichte vorsorglich eine Warnung: "In diesen Zeiten ist es absolut entscheidend, dass sich die komplette Industrie zusammenfindet und sich auf jenen Tag vorbereitet, an dem wir unsere Besucher wieder zum einzigartigen Leinwanderlebnis willkommen heißen können", heißt es in einer Mitteilung. Man erwarte, dass "der absolute Löwenanteil an Filmen, die aufgrund der aktuellen Krise verschoben werden mussten", nach Wiedereröffnung der Kinos dort auch einen Starttermin bekomme. Mit einem ähnlichen Appell hatte sich zuvor bereits der US-Kinoverband NATO zu Wort gemeldet.

Dass die Kinobetreiber den Streamingdiensten derart feindlich gegenüberstehen, reicht indes weit in die Zeit vor der Corona-Krise zurück. Vor drei Jahren, im Frühjahr 2017, stand etwa das Filmfestival von Cannes ganz im Zeichen dieses Konflikts. Denn mit "The Meyerowitz Stories (New and Selected)" von Noah Baumbach und "Okja" von Bong Joon-ho waren erstmals zwei Filme im Wettbewerb vertreten, die von Netflix produziert worden waren - und anschließend eben nicht in die Kinos gebracht wurden. In Cannes reagierte man auf die Proteste vor allem französischer Kinobetreiber und verbannte Filme, die ausschließlich via Streaming zu sehen sind, wenig später aus dem Wettbewerb.

Die Corona-Krise könnte die Diskussion nun neu beleben, auch in Cannes. Sofern das Festival denn stattfindet. Der ursprüngliche Termin im Mai wurde nämlich bereits abgesagt. An der Croisette hofft man nun, Ende Juni oder Anfang Juli den Film zu feiern - im Kino natürlich, wo auch sonst.