Kiew ebnet den Weg für Eröffnung von IStGH-Büro in der Ukraine
Die Führung in der Ukraine treibt die künftige juristische Ahndung mutmaßlicher russischer Kriegsverbrechen weiter voran. Das Kabinett in Kiew billigte eine mit dem Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) getroffene Vereinbarung, welche die baldige Eröffnung eines Büros der IStGH-Staatsanwaltschaft in der Ukraine ermöglicht, wie auf einer Konferenz im westukrainischen Lwiw mitgeteilt wurde. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mahnte bei einem Besuch in Lwiw den Start der EU-Beitrittsgespräche mit der Ukraine noch in diesem Jahr an.
Die Eröffnung eines IStGH-Büros in der Ukraine werde dem Gericht bessere Ermittlungen ermöglichen, sagte der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin vor Journalisten in Lwiw. US-Justizminister Merrick Garland, der überraschend nach Lwiw gereist war, versicherte, die USA stünden an der Seite der ukrainischen Ermittler für Kriegsverbrechen. Russland habe in der Ukraine Gräueltaten in einem Ausmaß begangen, das es in keinem anderen Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben habe.
Der IStGH mit Sitz in Den Haag verfolgt seit 2002 besonders schwerwiegende Vergehen wie Kriegsverbrechen. Er hatte kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine Untersuchungen zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Da Russland den IStGH nicht anerkennt, kann der Gerichtshof nicht gegen Moskau wegen des Verbrechens der Aggression vorgehen. Die Regierung in Kiew drängt deshalb auf ein internationales Sondertribunal.
Mit Blick auf die Bewerbung um eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine pochte EU-Parlamentspräsidentin Metsola bei ihrem Besuch in Lwiw am Samstag auf einen Beginn der Beitrittsgespräche noch in diesem Jahr. "Ich bin hoffnungsvoll, dass die Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr beginnen können", sagte Metsola. "Die Zukunft der Ukraine ist in der Europäischen Union", fügte die maltesische Politikerin hinzu.
Metsola traf mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Parlamentssprecher Ruslan Stefantschuk zusammen. Die ukrainische Regierung und das Parlament machten "beeindruckende" Fortschritte hinsichtlich der EU-Bewerbung, sagte Metsola. Selenskyj dankte Metsola für ihre Unterstützung. "Die Ukraine will die Umsetzung der Empfehlungen der Europäischen Kommission so schnell wie möglich abschließen und die Verhandlungen für einen EU-Beitritt noch in diesem Jahr beginnen", erklärte er im Onlinedienst Twitter.
Die EU hatte der Ukraine im Juni 2022, vier Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges, den Status eines EU-Beitrittskandidaten zugebilligt. Der Beitrittsprozess dauert in der Regel jedoch mehrere Jahre. Die Ukraine fordert einen schnellen Beitritt, möglichst schon innerhalb der nächsten zwei Jahre.
Im Osten der Ukraine dauerten unterdessen die erbitterten Kämpfe insbesondere um die weitgehend zerstörte Industriestadt Bachmut an. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu besuchte nach Angaben seines Ministeriums die Frontlinie in der Ostukraine. Er habe einen "Kommandoposten" in Richtung der südlichen Region Donezk inspiziert, erklärte das Ministerium am Samstag. Einen genauen Ort und ein Datum des Besuchs nannte es nicht.
Das Ministerium veröffentlichte ein Video, das Schoigu erst in einem Hubschrauber und dann vor beschädigten Gebäuden mit einem Soldaten sprechend zeigt. Dabei trägt der Minister keinen Helm und auch keine kugelsichere Weste. Außerdem ist zu sehen, wie er russischen Soldaten Medaillen überreicht.
Am Freitag hatte der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gesagt, seine Einheiten hätten Bachmut "praktisch umzingelt". Es sei "nur eine Straße" zu erobern.
kbh/ju