Kiew bestreitet Beteiligung an Nord-Stream-Sprengungen
Die Ukraine hat als Reaktion auf Berichte über neue Erkenntnisse zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines eine Verantwortung für den mutmaßlichen Sabotageakt bestritten. "Wir stehen nicht hinter dieser Tat", sagte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow am Mittwoch. Der Präsidentenberater Michailo Podoljak erklärte, Kiew habe "nichts mit dem Vorfall in der Ostsee zu tun" und "keine Informationen über 'pro-ukrainische Sabotagegruppen'". Die Bundesanwaltschaft bestätigte die Durchsuchung eines Schiffes.
Die Explosionen hatten in der Nacht zum 26. September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Als Drahtzieher der mutmaßlichen Sabotage wurde unter anderem Russland verdächtigt.
Laut Berichten deutscher Medien und der "New York Times" führen bei den Ermittlungen zu den Explosionen inzwischen Spuren in die Ukraine. Die "New York Times" berichtete, nach Erkenntnissen der US-Regierung stecke eine "pro-ukrainische Gruppe" hinter den Detonationen. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger. Hinweise auf eine Verwicklung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gebe es aber nicht.
Die "Zeit", das ARD-Hauptstadtstudio, das ARD-Politikmagazin "Kontraste" und der SWR berichteten, bei den deutschen Ermittlungen führten Spuren in die Ukraine. Es gelang den Ermittlern demnach, das Boot zu identifizieren, das mutmaßlich für die Geheimoperation in der Ostsee verwendet wurde. Es soll sich diesen Recherchen zufolge um eine Jacht handeln, die von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet wurde. Die Firma gehöre offenbar zwei Ukrainern. An der Sprengung selbst seien den Ermittlungen zufolge fünf Männer und eine Frau beteiligt gewesen.
Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Mittwoch, dass bereits im Januar im Zusammenhang mit einer verdächtigen Anmietung ein Schiff durchsucht wurde. Es bestehe der Verdacht, dass das Schiff zum Transport der Sprengsätze verwendet worden sei, die an den Pipelines explodierten. Nach Angaben der Karlsruher Behörde wurde das Schiff von einem deutschen Unternehmen vermietet. Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter dieser Firma bestehe nicht.
Die Auswertung der auf dem Schiff beschlagnahmten Spuren und Gegenstände dauere an, erklärten die Karlsruher Ermittler. Die Identität der Täter und deren Tatmotive seien Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Belastbare Aussagen dazu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, könnten derzeit nicht getroffen werden.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerten sich zurückhaltend zu den Berichten. Er habe die Berichte "mit großem Interesse" zur Kenntnis genommen, es gelte aber abzuwarten, "was sich davon bestätigt", sagte Pistorius im Deutschlandfunk. Erst dann könne über mögliche Konsequenzen gesprochen werden.
Baerbock sagte, die Bundesregierung verfolge "alle Berichte und auch alle Erkenntnisse, die es von unterschiedlichen Akteuren gibt, ganz, ganz intensiv". Sie kündigte aber an, den Abschluss der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft abzuwarten, damit "wir dann vonseiten der Regierung aufgrund dieser Erkenntnisse Beurteilungen treffen können" - und "nicht voreilig aus Berichten heraus Schlüsse für uns ziehen".
Russland hatte den Verdacht, hinter der mutmaßlichen Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines zu stecken, bereits in der Vergangenheit entschieden zurückgewiesen und seinerseits den Verdacht auf Washington gelenkt. Die US-Regierung hatte den Bau von Nord Stream 2 als geopolitisches Druckmittel Moskaus verurteilt.
Die neuen Medienberichte zu den Explosionen wies der Kreml als Ablenkungsmanöver zurück. "Es ist klar, dass die Leute, die den Angriff orchestriert haben, eine Ablenkung schaffen wollen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Es handele sich "eindeutig" um "eine gut koordinierte Medienkampagne".
mid/dja