Kein ehrenwerter Mann: Wie macht sich "Breaking Bad"-Star Bryan Cranston als Richter?

"Breaking Bad"-Star Bryan Cranston ist einmal mehr zu allem bereit, um seine Familie zu retten: "Your Honor" begleitet einen hehren Richter in New Orleans auf dem Weg nach ganz unten.

Michael Desiato (Bryan Cranston) ist ein guter Mensch, einer, der hinter die Dinge schaut, der ein Herz hat für die kleinen Leute, die vom System betrogen und hereingelegt werden. Der Richter joggt morgens in New Orleans schon mal am Haus einer schwarzen Angeklagten vorbei, um später in der Verhandlung einen weißen Cop der Lüge zu überführen. Doch der ehrenwerte Mann wird in der von Showtime produzierten Miniserie "Your Honor" tief fallen. Sky Atlantic zeigt seinen Abstieg ab 18. Januar in zehn Episoden.

Der gute Richter wird vom Ausnahmeschauspieler Bryan Cranston gespielt, der einmal mehr mit guten Absichten vom ehrbaren Bürger zum unberechenbaren Gangster wird. Die Parallelen zu seinem Walter White aus "Breaking Bad" sind offensichtlich: Zum Schutz seiner Familie ist der Mann zu allem bereit - mit dem Unterschied, dass ein Richter eine ganz andere Verbindung zum Rechtssystem hat als ein Chemielehrer.

Meisterhafter Auftakt

Richter Desiato weiß was er tut, und vor allem, was er tun muss, um seinen Sohn Adam (Hunter Doohan) zu schützen. Der gesteht seinem Vater, nach einem Unfall Fahrerflucht begangen zu haben - panisch vor einem verblutenden Motorradfahrer, ein Junge in seinem Alter, flüchtend. Sein erster Instinkt führt den ehrenwerten Richter auf die Polizeiwache: Er will die richtige, die gesetzestreue Entscheidung treffen. Dann aber erfährt er, dass das Unfallopfer der Sohn des lokalen Gangsterbosses (Michael Stuhlbarg) ist. Der hält nicht viel vom Rechtsstaat, umso mehr aber von Blutrache.

Die erste Episode von "Your Honor", Peter Moffats Adaption der israelischen Serie "Kvodo", ist ein kleines Meisterwerk - ein in allen Grautönen getünchter Abschied vom Leben, wie es bisher war. Die Unfallsequenz ist eine Tortur in quälend detaillierten Einstellungen, mit einem blutigen Körper in seinen letzten Zügen und einem verwirrten Teenager, der zu panisch ist, um zu helfen und deswegen flieht.

Der vielversprechende Beginn endet auf der Polizeiwache, die Michael Desiato eben noch als Mann mit Überzeugungen betreten hat - und nun voller Verzweiflung verlässt. Und hier beginnt die große Enttäuschung. Nichts und niemand kann diesem Mann dabei aufhalten, seinen Sohn zu schützen. Das erkennt man sofort, und leider erkennt man auch sehr schnell, wie sich der Plot entwickeln wird. Michael verliert keine Zeit, seine Überzeugungen über Bord zu werfen, Beweismittel zu manipulieren, Alibis zu erfinden und Unschuldige zu opfern.

Die große Verschwendung

Immer wieder passieren unvorhergesehene Dinge zu unpassenden Zeitpunkten. Michael lässt sich aus dem Nichts immer elaboriertere Tricks einfallen, um nicht aufzufliegen. Die Gangster kommen gefährlich nach, die Hoffnungslosigkeit wächst ins Unermessliche. Aber weil die Story arg konstruiert ist, will sich - zumindest in den ersten vier vorab zur Verfügung gestellten Folgen - partout kein Mitgefühl einstellen.

Die Figuren erfüllen nicht mehr als ihren dramaturgisch angestrebten Zweck und werden mit kühler Präzision eingesetzt: solide gespielt von Cranston, großartig von Hunter Doohan als Sohn und exorbitant gut von Michael Stuhlbarg als Gangsterboss. Der wird freilich ziemlich verschwendet und darf lediglich immer neue Varianten der gleichen Drohung aussprechen.

Die größte Verschwendung freilich ist New Orleans: Die Stadt geht völlig unter. Dabei ist der Schmelztiegel im tiefen Süden der USA der perfekte Ort, um Themen wie Rassismus, Polizeiwillkür und Klassenunterschiede zu bearbeiten, die sich "Your Honor" ebenfalls auf die Fahnen geschrieben hat, aber in moralphilosophischen Allgemeinplätzen absaufen lässt.