Von Katar bis Kalifornien: Wie Metropolen mit Hitze umgehen

Bangkok/Tel Aviv/Athen/Rom/Madrid (dpa) - Puh, diese Hitze! In Deutschland wird oft gejammert, wenn es mal so richtig heiß wird. Kein Wunder: Eine solche Hitze ist die Ausnahme. In anderen Ländern und Städten haben die Menschen mehr Routine damit. Wie gehen Hitzeerfahrenere in heißen Metropolen mit Extremtemperaturen um?

  • Bangkok: In Thailands Hauptstadt sind die Menschen an Hitze gewöhnt, eine «kĂĽhle Jahreszeit» gibt es nicht. Viele Thais ziehen sich deshalb aber nicht aus, sondern vermummen sich - und tragen lange Ă„rmel, HĂĽte und Schirme. Das schĂĽtzt vor Hitze und Sonne, aber auch vor unerwĂĽnschter Bräune: Möglichst weiĂźe Haut gilt in Thailand als Schönheitsideal. Wer in Bangkok lebt, wird wegen der Extrem-Hitze auch schnell zum FrĂĽhaufsteher. Schon kurz nach Sonnenaufgang sind die Märkte voll, und in den Parks wird Zumba oder Yoga gemacht. Aber nichts ist besser zur Erfrischung geeignet als die kĂĽhlen Shopping Malls. FĂĽr viele fungieren «Siam Paragon», «Terminal 21» oder «EmQuartier» am Wochenende als zweites Zuhause, denn sie bieten alles von Mode ĂĽber Massagen und Fitness bis zu Gourmettempeln und Kinos.

  • Singapur: Die Temperaturen in dem ultramodernen, aber auch ultraheiĂźen Stadtstaat steigen doppelt so schnell wie im Rest der Welt. Das von der Regierung geförderte Projekt «Cooling Singapore» entwickelt Strategien, um die Temperaturen zu senken und den Menschen AbkĂĽhlung zu verschaffen - ohne die Umwelt allzu sehr zu belasten. Ein Vorzeigeprojekt ist der preisgekrönte Park Gardens by the Bay. In gigantischen Gewächshäusern, die zum Flanieren und Verweilen einladen, liegen die Werte bei angenehmen 24 Grad. Verantwortlich ist das wohl größte unterirdische FernkĂĽhlungssystem der Welt, das auch zwei Dutzend WohntĂĽrme und andere Gebäude in der Nähe versorgt. Die Anlage nutzt gekĂĽhltes Wasser - eine Stromeinsparung von 40 Prozent gegenĂĽber herkömmlichen Klimaanlagen. Zudem setzt das auch als «Gartenstadt» bekannte Singapur auf Vegetation zur KĂĽhlung: Unzählige Bäume und Pflanzen spenden Schatten und sorgen fĂĽr bessere Luft.

  • Neu Delhi: In Indien sieht man bei Hitze oft Kinder, die in Teichen oder Brunnen in Parks spielen. TĂĽren und Fenster von Häusern werden dann oft mit Matten aus Gras oder Stroh abgedeckt und mehrmals am Tag nass gemacht. Dadurch kommt auch ein etwas kĂĽhlerer Wind herein. Viele Leute nutzen zudem simple VerdampfungskĂĽhler (desert cooler) in ihren Häusern. In diesen Maschinen gibt es Wasser, und wenn man sie an den Strom anschlieĂźt, saugen sie warme Luft der Umgebung ein und kĂĽhlen sie mit dem Wasser. Das Prinzip: Wo Wasser verdunstet, wird Wärme entzogen. Grundsätzlich ziehen Menschen in SĂĽdasien bei Hitze lange und dĂĽnne Kleider an, die Arme und Beine bedecken. Teils tragen die Menschen auch Schirme. Während der heiĂźesten Zeit am Tag bleiben viele, die es sich leisten können, auch einfach zuhause. Zudem trinken die Menschen viel – ĂĽberall wird bei Hitze Wasser angeboten, oder man trinkt Shikanji, einen Zitronensaft mit Zucker, Salz und Wasser, was gegen Dehydrierung hilft.

  • Doha: FĂĽr Bewohner der Golfstaaten und der arabischen Welt ist Hitze Alltag. Die Menschen in der Region sind durchaus 40 Grad gewöhnt. In Katar, dem Gastgeberland der FuĂźball-WM 2022, ist der hippe Stadtteil Muschairib der Hauptstadt Doha ein gutes Beispiel dafĂĽr, wie intelligente Stadtplanung helfen kann, mit der Sommerhitze klarzukommen. Die modernen Bauten im traditionellen Stil sind etwa so angelegt, dass FuĂźgänger in dem Viertel durchgehend im Schatten laufen können. Dazu haben die Architekten die Gegend so konzipiert, dass Luftströme zwischen den Häusern fĂĽr eine Brise sorgen. Die Region ist bekannt fĂĽr ihre Gastfreundschaft, dies spiegelt sich auch in der Stadtarchitektur wider. So haben in der Vergangenheit Hausbesitzer oft eine Etage höher gebaut, um ihren Nachbarn Schatten zu spenden, erzählen Einheimische in Katar. Heute verbringen Bewohner der Region die heiĂźeste Tageszeit meist zuhause mit Klimaanlagen. Erst wenn es kĂĽhler wird und Temperaturen auf gut 30 Grad fallen, strömen die Menschen in den Abendstunden ins Freie. Beliebt in vielen Ländern der arabischen Welt sind mobile Klimaanlagen im Freien, die neben den Tischen von Restaurants und Cafes aufgestellt werden und kĂĽhle Luft spenden - quasi das GegenstĂĽck zu Heizpilzen.

  • Tel Aviv: In der israelischen KĂĽstenstadt Tel Aviv sind Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad im Sommer keine Seltenheit. Das Gute an der Stadt am Mittelmeer: Wasser gibt es reichlich. In der ganzen Stadt verteilt gibt es zudem in regelmäßigen Abständen Trinkwasserspender - nicht nur an der kilometerlangen Strandpromenade, auch an vielen anderen Orten: Wasserflasche auffĂĽllen und fertig. Das schĂĽtzt nicht nur vor einem Sonnenstich, sondern spart in einer der teuersten Städte der Welt auch Geld. Generell verlagert sich das Leben im Freien allgemein eher in den Abend. Nach dem Sonnenuntergang fĂĽllen sich die Bars und Restaurants, und die Tel Aviver verlassen ihre stark heruntergekĂĽhlten Wohnungen und BĂĽros. Um tagsĂĽber nicht allzu verschwitzt bei der Arbeit anzukommen, fahren viele mit E-Bikes.

  • Athen: In der Hauptstadt Griechenlands stimmt man ĂĽber die Hitze mit den FĂĽĂźen ab. Spätestens Anfang August pilgert der GroĂźteil der rund drei Millionen Einwohner ans Meer, in Dörfer und auf Inseln, bevorzugt dorthin, wo man Verwandte hat. Resultat: Die sonst so laute Metropole fällt in eine Art Sommerschlaf. Es gibt kaum Autoverkehr, selbst die kleinen Kioske, die sonst oft rund um die Uhr offen sind, bleiben zu. Eine Ausnahme bildet das Stadtzentrum samt der Altstadt rund um die Akropolis. Dort tummeln sich dann allerdings kaum Griechen, sondern Touristen. Athener gehen bei groĂźer Hitze, wenn ĂĽberhaupt, nur morgens oder nach Sonnenuntergang aus dem Haus. Deshalb wird in Griechenland im Sommer auch erst spät abends gegessen, und Kinder toben bis nach Mitternacht auf Spielplätzen.

  • Rom: Wer hier zum Beispiel eine AbkĂĽhlung braucht, kann sich einen der vielen grauen Brunnen suchen, aus denen Trinkwasser flieĂźt - auch nasone genannt wegen der nasenähnlichen Form des Wasserhahns. In italienischen Städten fĂĽllen die Leute dort ihre Flaschen auf, kĂĽhlen sich das Gesicht oder lassen ihre Hunde trinken. Mailand versuchte, mit einem vertikalen BegrĂĽnungsprojekt an zwei Hochhäusern ein Beispiel fĂĽr mehr Pflanzen und besseres Mikroklima in der Stadt zu schaffen. Viele Wohnungen und Häuser in Italien haben einen Stein- oder Fliesenboden, der fĂĽr KĂĽhle sorgen soll. Beliebt sind auch FrĂĽchte, vor allem die Wassermelone, die als erfrischender Snack in heiĂźen Stunden dient. KĂĽhle Treffpunkte vor allem in den Wohnvierteln sind zum Beispiel auch Kirchen. Wer es sich in Italien leisten kann, entflieht der Sommerhitze in der Stadt und fährt in die Zweitwohnung in den Bergen oder am Meer, wo das Klima etwas frischer ist. Auch viele Päpste reisten Jahr fĂĽr Jahr vom Vatikan ins unweit von Rom gelegene Castel Gandolfo - die päpstliche Sommerresidenz. Papst Franziskus hat darauf allerdings bislang verzichtet.

  • Madrid: In der spanischen Hauptstadt sind im Sommer um die 40 Grad recht normal. Die Madrileños sind an die Hitze gewöhnt und wissen, wie man damit auskommt - und sie sogar genieĂźt. Klimaanlagen gibt es, anders als etwa in Deutschland, nahezu ĂĽberall: im Einkaufszentrum genauso wie im Laden, Restaurant oder CafĂ©, in der U-Bahn, im Bus, in den BĂĽros und erst recht daheim. Die meisten Spanier tragen nicht nur in Madrid im Sommer helle, leichte Kleidung. Auch die Essgewohnheiten werden dem Klima angepasst: Im Sommer erfrischt man sich gern mit kalten Suppen wie Gazpacho oder Salmorejo. Die langen Abende kann man dank allgegenwärtiger Wassernebel-KĂĽhlsysteme auch in den AuĂźenbereichen von Bars und Restaurants bei einem Rioja oder einer Cerveza verbringen. Wenn die Sonne besonders heiĂź vom Himmel knallt - so zwischen 14 und 18 Uhr -, dann zieht man sich zurĂĽck. Die Siesta, der «Mittagsschlaf», gehört zu Spanien wie die Paella. BĂĽros machen dann längere Pausen, in den meisten Läden werden «Geschlossen»-Schilder nach drauĂźen gehängt. Während der Siesta halten allerdings die wenigsten Spanier heutzutage noch wie frĂĽher ein Nickerchen. Man geht ins Fitnessstudio oder ins Schwimmbad oder isst mit Familie oder Kollegen länger zu Mittag.

  • Rio de Janeiro: Wenn im brasilianischen Sommer die Temperaturen auf gefĂĽhlte 50 Grad steigen, bekommt man das GefĂĽhl zu schmelzen. Klimaanlagen sind denn auch die wichtigsten Einrichtungsgegenstände, um in der Metropole einen kĂĽhlen Kopf zu bewahren. Die Tage werden länger, sportliche Aktivitäten verlagern sich in den frĂĽhen Morgen oder die Nacht. Auch um Mitternacht spielen «Cariocas», wie die Einwohner Rios heiĂźen, etwa am Strand von Copacabana noch Volleyball oder Futevolei. Januar ist in Brasilien und anderen sĂĽdamerikanischen Ländern wie August in Deutschland. Viele fĂĽllen die berĂĽhmten Strände von Rio und nehmen zur AbkĂĽhlung ein Meerbad. Andere ziehen es in den tropisch-heiĂźen Sommermonaten vor, zu verreisen oder sich wie einst Stefan Zweig nach PetrĂłpolis in die Bergregion von Rio zurĂĽckzuziehen, wo das Klima aufgrund der Höhenlage kĂĽhler ist.

  • New York: Wenn es im GroĂźstadtdschungel von NYC so richtig heiĂź wird - und das wird es in jedem Sommer -, dann kennen die Bewohner ein bewährtes Mittel: Hydranten. Die Feuerwehr öffnet - nach offiziellem Antrag - einen Hydranten pro StraĂźenblock, der daraufhin Wasser ausspuckt. Zwar mit weniger Druck als fĂĽr Löscharbeiten, aber ausreichend, um herumspringenden Kindern, Erwachsenen und durstigen Vögeln und Haustieren stundenlang Freude und AbkĂĽhlung zu bereiten.

  • Los Angeles: Im Westen von Los Angeles bringt die Meeresbrise vom Pazifik AbkĂĽhlung, doch in vielen Teilen der kalifornischen Millionenstadt steigt die Hitze oft auf ĂĽber 35 Grad Celsius (95 Grad Fahrenheit). Das «Cool Streets L.A.»-Programm soll Extremtemperaturen wenigstens um einige Grade drĂĽcken. Der Trick: Schwarzer Asphalt wird mit heller Farbe ĂĽbermalt. Hunderte StraĂźenblocks in den heiĂźesten Bezirken tĂĽncht die Stadt durch das seit 2019 laufende Projekt mit einem weiĂźen Belag, der Sonnenlicht stärker reflektiert und weniger Wärme aufnimmt.

  • Palm Springs: In Sachen Hitze stellt die WĂĽstenstadt mit Palmen und Mid-Century-Architektur alle anderen Orte SĂĽdkaliforniens in den Schatten. Hitzegestresste ohne eigene Klimaanlage können bis Ende September in «Cooling Centers» Zuflucht suchen. Sobald es mehr als 38 Grad Celsius sind, lädt die Stadt in drei klimatisierte KĂĽhlzentren ein. Eines davon ist die örtliche BĂĽcherei.

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