Auf Karlsruhe können ARD und ZDF zählen

Am 16. und 17. Mai wird das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob die Art und Weise, wie die 2013 eingeführte Haushaltsgebühr erhoben wird, mit dem Grundgesetz überhaupt vereinbar ist. „Mit der höchstrichterlichen Entscheidung wird die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geklärt“, sagte Albrecht Hesse, Justiziar des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der Juristischen Kommission der ARD, dem Handelsblatt.

Der erfahrene Rechtsprofessor der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt hat unterdessen keinen Grund zur Nervosität. Denn bislang haben die Richter in Karlsruhe schon immer ARD und ZDF den Rücken gestärkt – auch in finanziellen und wirtschaftlichen Fragen.

Beispielsweise verhinderte Karlsruhe 1971 die Gebühreneinnahmen der Mehrwertsteuer zu unterwerfen. 1993 hat Karlsruhe festgestellt, dass Rundfunkanstalten nie in Konkurs gehen können. 2007 war eine Verfassungsbeschwerde von ARD, ZDF und Deutschlandradio erfolgreich, als die Bundesländern 28 Cent unter der von der Finanzkommission KEF empfohlenen Rundfunkgebühr geblieben waren. Warum sollte es diesmal anders sein?

Im Jahr 2013 wurde nach Jahrzehnten die Gerätegebühr abgeschafft und die bis heute höchst umstrittene Haushaltsgebühr eingeführt. Mit der Gebührenumstellung muss seitdem jeder Haushalt 17,50 Euro monatlich lebenslang zahlen, egal ob er die Angebote von ARD und ZDF in Fernsehen, Radio oder Internet überhaupt nutzt. Dagegen wehren sich vier Kläger, darunter der Pullacher Autovermieter Sixt.

Spannend wird der Schlagabtausch zwischen Gebührengegner und ARD/ZDF in Karlsruhe dennoch. Denn zwei Kläger werfen den Bundesverfassungsrichter Ferdinand Kirchhof Befangenheit vor. Sie haben einen entsprechenden Antrag bereits gestellt. Denn sein sieben Jahre älterer Bruder, Paul Kirchhof, selbst ehemaliger Verfassungsrichter, ist quasi der Autor der heutigen Rundfunkgebühr.

Im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio hat er ein Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschrieben, das nach Meinung von Juristen quasi eins zu eins in Gesetzesform gegossen wurde. Dafür soll Paul Kirchhof einen „sechsstelligen Euro-Betrag“, so schätzen Medienrechtler, aus der Kasse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhalten haben.

ARD und ZDF äußern sich auf Anfrage zur Dotierung des Gutachtens nicht. Gelohnt hat es sich für sie auf jeden Fall: Denn schließlich war es Paul Kirchhof, der zur Erkenntnis kam, dass Bürger unabhängig von der Nutzung der Medienangebote für ARD und ZDF zahlen müssen.

Die Chancen in Karlsruhe, dass Richter Ferdinand Kirchhof wegen Befangenheit abgelehnt wird, sind nach Meinung von Medienrechtlern gering. Selbst wenn der Vorsitzende des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts am Ende über das Verfahren entscheiden darf, bleibt ein schaler Nachgeschmack. Vielleicht wäre es klug, wenn Ferdinand Kirchhof auf dieses Verfahren verzichtet, damit kein Schatten auf das Bundesverfassungsgericht fällt.

Ohnehin ist die Entscheidung über die Rundfunkgebühren keine juristische, sondern ein politische. Das derzeitige Zwangsmodell hat im digitalen Zeitalter auf Dauer keine Zukunft. Das spüren auch die Ministerpräsidenten der für die Rundfunkgebühr zuständigen 16 Bundesländer.

Selbst Malu Dreyer, Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, reagierte außergewöhnlich ungehalten, nachdem ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm zuletzt deutlich gemacht hat, dass er keinen Spielraum für weitere Sparvorschläge sehe. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin ist eigentlich eine unermüdliche Verteidigerin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch die Sozialdemokratin spürt auch den schwindenden Rückhalt der Anstalten in der Gesellschaft und macht daher aus verständlichen Gründen Druck.

Doch ist dieses Händedrücken zwischen Rundfunkanstalten und Bundesländern in Sachen Reformbereitschaft überhaupt der richtige Weg? Um das verloren gegangene Vertrauen zurück zu gewinnen, muss die ungeliebte Haushaltsgebühr aus der Welt geschafft werden. Wie sagte schon Bert Brecht. „Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“
Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.