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Volksparteien mit historischen Wahlpleiten, AfD wird dritte Kraft

Die Wahllokale sind geschlossen. Die Union erhält die meisten Stimmen, muss aber erhebliche Verluste hinnehmen. Eine historische Niederlage droht der SPD und deren Spitzenkandidaten Martin Schulz. Die AfD erzielt ein zweistelliges Ergebnis und wird dritte Kraft im neuen Bundestag. Verfolgen Sie die Wahl in unserem Newsblog.


+++ Das Wichtigste in Kürze +++

  • Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin

  • Union büßt viele Prozentpunkte ein

  • SPD erlebt krachende Niederlage und will in die Opposition

  • AfD ist die neue dritte Kraft im Parlament

  • FDP, Linke und Grüne sicher im Bundestag

+++ Das vorläufige Ergebnis nach Auszählung aller Wahlkreise (Stand 4:00 Uhr)+++

  • CDU/CSU: 33,0 Prozent

  • SPD: 20,5 Prozent

  • AfD: 12,6 Prozent

  • FDP: 10,7 Prozent

  • Linke: 9,2 Prozent

  • Grüne: 8,9 Prozent


+++ Wahlsieger in Sachsen: Die AfD +++
Die AfD hat die Bundestagswahl in Sachsen gewonnen. Wie die Landeswahlleitung in der Nacht zum Montag in Kamenz mitteilte, wurde die rechtspopulistische Partei mit 27,0 Prozent der Stimmen und einem Vorsprung von 0,1 Prozentpunkten vor der CDU hauchdünn stärkste Kraft in dem Bundesland.

+++ AfD-Co-Chefin Petry gewinnt Direktmandat in Sachsen +++
Die AfD-Co-Vorsitzende Frauke Petry gewinnt das Direktmandat im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Sie setzt sich mit 37,4 Prozent der Erststimmen klar gegen den bisherigen CDU-Abgeordneten Klaus Brähmig durch, der 28,8 Prozent erhält. Auch nach Zweitstimmen liegt die AfD im Wahlkreis mit 35,5 Prozent vorn.

+++ Merkel gewinnt ihren Wahlkreis vor AfD-Kandidaten +++
Kanzlerin Angela Merkel gewinnt ihren Wahlkreis in Vorpommern klar vor dem mecklenburg-vorpommerschen AfD-Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm. Die CDU-Vorsitzende erhält 44,0 Prozent der Erststimmen (2013: 56,2 Prozent). Holm landet auf Platz zwei mit 19,2 Prozent, zieht aber über die Landesliste in den Bundestag ein.

+++ Merkel zuversichtlich für Regierungsbildung bis Weihnachten +++
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält es für möglich, dass eine neue Regierung trotz schwieriger Koalitionsverhandlungen bis Weihnachten im Amt ist. Auf die Frage, wie zuversichtlich sie sei, den Deutschen bis Weihnachten eine stabile Regierung präsentieren zu können, sagte sie: „Ich bin generell immer zuversichtlich. Und außerdem: Seit vielen Jahren habe ich das Motto: in der Ruhe liegt die Kraft.“

+++ Euro nach der Wahl im Minus +++
Der Euro hat mit Kursverlusten auf den Ausgang der Bundestagswahl reagiert. Die Gemeinschaftswährung gab im asiatischen Handel am Montag (Ortszeit) um 0,4 Prozent auf 1,1906 Dollar nach. „Für die Börsen ist der Ausgang der Wahl kein erfreulicher, da es wider Erwarten zu politischen Unsicherheiten kommt“, erklärte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel. „Zu Wochenbeginn dürfte es turbulenter an den europäischen Finanzmärkten zugehen.“ Dort könne die Sorge „eines politisch nicht mehr ganz so stabilen Deutschlands“ aufkommen.

+++ Von der Leyen verpasst erneut Direktmandat +++
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat bei der Bundestagswahl erneut ein Direktmandat verpasst. Wie schon 2013 und 2009 kam die Spitzenkandidatin der niedersächsischen CDU im Wahlkreis Stadt Hannover II auf den zweiten Platz. Sie erreichte 28,9 Prozent der Erststimmen. Die frühere Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, gewann mit 33,7 Prozent das Direktmandat. 2013 hatte von der Leyen mit 33,9 Prozent der Erststimmen im Duell mit Edelgard Bulmahn den kürzeren gezogen. Von der Leyen (58) gehört dem Bundestag seit 2009 an. CDU-Generalsekretär Ulf Thiele sagte am Sonntagabend, dass von der Leyen wegen ihres Spitzenplatzes auf der Landesliste erneut mit einem Bundestagsmandat rechnen könne.

+++ „Ich bin nicht dazu bereit, mir jede Debatte durch die AfD bestimmen zu lassen“ +++
Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt fordert eine Auseinandersetzung mit der AfD im Bundestag. „Ignorieren kommt für mich nicht infrage“, sagte sie am Sonntagabend. „Ich bin nicht dazu bereit, mir jede Debatte durch die AfD bestimmen zu lassen.“ Die Demokraten im Parlament müssten sich darauf verständigen, wie diese Auseinandersetzung mit der AfD geführt werden könnte. „Es kann doch nicht sein, dass wir einer Partei eine offene Bühne bieten, die teilen will, die das Land spalten will.“

+++ Grüne erwarten schwierige Gespräche +++
Göring-Eckardt erwartet ein hartes Ringen um die Bildung einer möglichen Koalition aus Union, FDP und Grünen. „Ich bin sicher, wir werden uns da streiten, es wird hart werden, das wird schwierig werden, es wird kompliziert werden“, sagte sie. „Ich weiß nicht, ob es zu einem Ergebnis kommen wird.“ Auf die Frage, ob sie ein Jamaika-Bündnis reizen würde, entgegnete sie: „Das ist nicht die Kategorie. Da geht es um Ernsthaftigkeit und um Verantwortung.“ Zugleich stellte sie Bedingungen für ein Regierungsbündnis: „Natürlich sind wir in der Klimaschutzfrage sehr konsequent.“ Das erwarteten auch die Wähler.

+++ Merkel: Ich scheue mich vor keinem Untersuchungsausschuss +++

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zurückhaltend zu AfD-Forderungen nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu ihrer Flüchtlingspolitik geäußert. „Ich scheue mich vor keinem Untersuchungsausschuss“, sagte Merkel am Sonntag in der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF. Die CDU-Chefin ergänzte aber: „Wir müssen nur aufpassen, dass wir noch genug Zeit haben, uns um die Zukunft zu kümmern.“ Es gehe um die wirtschaftliche Zukunft des Landes, Deutschland befinde sich „in einer der dramatischsten Umbrüche der Menschheit“, der Digitalisierung. „Deshalb rate ich uns, die Legislaturperiode nicht mit Vergangenheitsschau allein“ zu beginnen. Merkel kündigte zugleich eine sehr harte Auseinandersetzung mit der AfD auf dem Boden des Grundgesetzes im Parlament an.

+++ Angela Merkel spricht zu den CDU-Anhängern +++
Bundeskanzlerin Angela Merkel will zum vierten Mal in Folge ein Regierungsbündnis unter ihrer Führung schmieden. „Wir haben einen Auftrag, eine Regierung zu bilden. Und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden“, sagte die CDU-Vorsitzende am Sonntagabend: „Wir haben einen Auftrag, Verantwortung zu übernehmen.“ Man brauche aber nicht drumherum zu reden, dass man sich bei der Bundestagswahl ein besseres Ergebnis gewünscht hätte. Mit Blick auf den Erfolg der AfD sagte sie: „Wir wollen die Wähler und Wählerinnen der AfD zurückgewinnen.“ Zudem lägen nun weitere große Herausforderungen vor der Union, sagte Merkel: „Dazu gehört vor allem, für wirtschaftlichen Wohlstand zu sorgen. Dazu gehört, die EU zusammenzuhalten und ein starkes Europa zu bauen. Dazu gehört, die illegale Migration zu bekämpfen.“

+++ Wahlbeteiligung weiter im Aufwind +++
Deutschlands Wähler kehren an die Stimm-Urnen zurück. Nach den jüngsten Landtagswahlen zeigt auch die Wahl zum Bundestag: Der jahrelange Abwärtstrend bei der Wahlbeteiligung ist offenbar gebrochen. Sie lag am Sonntag bei 75 bis 76,5 Prozent, 2013 hatten nur 71,5 der Wahlberechtigten abgestimmt.

+++ Lindner wird FDP-Fraktionschef im Bundestag +++
FDP-Chef Christian Lindner hat den Wiedereinzug der Liberalen in den Bundestag als großen Erfolg gewertet. „Die vergangene Wahlperiode war die erste in der Geschichte der Republik, in der es keine liberale Stimme im Bundestag gab – es soll zugleich die letzte gewesen sein“, sagte Lindner am Sonntagabend unter dem Beifall seiner Anhänger in Berlin. „Ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Deutschen Bundestag, denn die Menschen haben uns ein Comeback ermöglicht.“ Er selbst soll Fraktionsvorsitzender werden. Parteivize Wolfgang Kubicki will ihn bei der konstituierenden Sitzung der Fraktion an diesem Montag vorschlagen, wie am Sonntagabend in FDP-Kreisen zu erfahren war.

+++ Anti-Merkel-Stimmung bei der AfD +++
Als die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel später auf die Bühne tritt, kündigt auch sie sofort einen „Untersuchungsausschuss Angela Merkel“ an, „der sich ganz dezidiert mit den Rechtsbrüchen dieser Dame beschäftigen wird“. Wieder brandet Jubel auf, wie immer, wenn ein Redner gegen Merkel spricht. Parteichef Jörg Meuthen befeuert die Anti-Merkel-Stimmung weiter: „Wir haben der Union mehr als eine Million Stimmen abgenommen. Es ist das schlechteste Ergebnis der CDU seit 1953, und das sollte der Dame klarmachen, doch endlich mal zu gehen“, rief er in der Saal.

+++ „Ein zweistelliges Ergebnis war nicht zu erwarten“ +++
FDP-Urgestein Hermann Otto Solms zeigte sich hoch zufrieden: „Ein zweistelliges Ergebnis war nicht zu erwarten. Und das befriedigt uns natürlich sehr. Aber es ist eben auch ein Auftrag. Und es wird nicht einfach sein bei der Gemengelage mit sechs Fraktionen im Bundestag und einer angeschlagenen Führung“, sagte er dem Handelsblatt.

+++ FDP und Grüne gesprächsbereit +++
Grüne und FDP sind nach der Bundestagswahl gesprächsbereit, was eine mögliche Koalition mit der Union angeht. Einen Automatismus für ein Jamaika-Bündnis gebe es aber nicht. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte in der ARD: „Man kann uns nicht in eine Koalition hineinzwingen.“ Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass die SPD eine Fortsetzung der großen Koalition ablehne. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, seine Partei werde „sehr ernsthafte Gespräche“ mit den anderen demokratischen Parteien führen. Das gute Abschneiden der AfD sei „bitter für alle Bürger“.

+++ Regierungsbildung schwierig +++

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) geht von einer schwierigen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl aus. Trotz der schweren Verluste der Union vom Sonntag sagt er in der ARD: „Die CDU hat die Wahl gewonnen. Wir wollen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.“ Die Aufgabe, eine stabile Regierung zu bilden, sei aber „nicht ganz einfach“. Zugleich räumte er ein: „Wir hätten uns viel mehr gewünscht.“ Stimmung und Umfragen seien anders gewesen.

+++ Proteste nahe AfD-Wahlparty +++
Vor dem Gebäude, in dem die AfD ihren Einzug in den Bundestag feiert, protestieren nach Angaben des ZDF mehrere Hundert Menschen. Zugleich habe die Polizei mehrere Hundertschaften am Berliner Alexanderplatz zusammengezogen.

+++ Kauder sieht Wahlziel erreicht +++
Nach 1949 hatte die Union nie ein so schwaches Ergebnis erzielt. Dennoch haben CDU/CSU nach Ansicht von Fraktionschef Volker Kauder ihre Wahlziele erreicht. Sie bleibe stärkste Partei und stärkste Fraktion, sagt Kauder in der ARD. Die Union habe einen Regierungsauftrag erhalten. Angela Merkel bleibe Kanzlerin.

+++ Michael Müller in Sorge +++
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) warnt seine Partei davor, nun eine Personaldebatte zu führen. „Es geht jetzt nicht darum, darüber zu streiten, wer an der Spitze der Partei steht, es muss um Inhalte gehen“, sagte Müller dem Handelsblatt. Er plädierte dafür, sich auf die Arbeit in der Opposition einzurichten. Andere Überlegungen seien angesichts des Ergebnisses abwegig.

+++ Schulz nennt AfD-Erfolg „bedrückend“ +++
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat das starke Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl als bedrückend bezeichnet. Mit ihr werde erstmals eine rechtsextreme Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. „Das ist eine Zäsur, und kein Demokrat kann darüber einfach hinweggehen“, sagte Schulz am Sonntagabend. Zentrale Aufgabe der SPD bleibe es, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu organisieren. Man werde den Kampf für Demokratie, Toleranz und Respekt weiterführen. „Wir sind das Bollwerk der Demokratie in diesem Land.“ Den Fraktionsvorsitz strebe er aber nicht an.

+++ Schulz soll Parteichef bleiben +++

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Parteivize Manuela Schwesig haben sich dafür ausgesprochen, dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz trotz des Absturzes der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl Parteichef bleiben soll. „Er wird diesen Erneuerungsprozess jetzt fortsetzen“, sagte Oppermann. „Wir gewinnen gemeinsam und wir verlieren gemeinsam.“ Unterstützung gibt es auch vom linken Flügel: „Martin Schulz hat alles gegeben. Die SPD hat mit ihm viele neue Mitglieder gewonnen“, sagt der Sprecher des linken Flügels in der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch. „Er hat weiter meine volle Unterstützung, auch künftig die Partei zu führen.“

+++ Große Herausforderungen durch die AfD +++
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht nach der Bundestagswahl einen klaren Regierungsauftrag für die Union. „Gegen uns ist keine Regierungsbildung möglich“, sagte Günther. Angela Merkel bleibe Bundeskanzlerin und könne „ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen und das ist gut so“. Das Abschneiden der AfD stelle alle demokratischen Parteien vor große Herausforderungen. „Es ist bedauerlich, dass wir im Wahlkampf mehr über Vergangenheit geredet haben statt über Zukunftsthemen zu streiten.“

+++ CSU erlebt Fiasko +++
Die CSU unter Parteichef Horst Seehofer hat bei der Bundestagswahl nach einer Prognose des Bayerischen Fernsehens ein Debakel erlebt. Die Christsozialen stürzten demnach auf für ihre Verhältnisse katastrophale 38,5 Prozent ab – nach 49,3 Prozent vor vier Jahren. Das wäre das schlechteste Bundestagswahlergebnis der CSU seit 1949. Nun dürften Personaldebatten in der Partei neu aufbrechen.

+++ Grüne bejubeln ihr Ergebnis +++

„Wer hätte das gedacht?“, jubelt die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. „Danke, Danke, Danke.“ Auch Ex-Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ist glücklich: „Wir sind als Akteur im Spiel. Wir sind kein gerupftes Hühnchen, über das sich die anderen hermachen können.“

+++ Linke sind zufrieden +++

Beim Verkünden der ersten Prognosen jubeln die Anhänger der Linken und halten ihre Plakate und Luftballons in die Luft. Wahlkampfmanager Matthias Höhn nimmt direkt Stellung: Er freue sich über das zweitstärkste Ergebnis der Geschichte der Linkspartei. „Wir werden die stärkste Kraft gegen die AfD im deutschen Bundestag sein.“

+++ Schwarz-Gelb klappt nicht +++

Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub bedauert, dass es für Schwarz-Gelb nicht reicht: „Bitter, dass es nicht für eine liberal-konservative Koalition gereicht hat. Das Ergebnis für CDU/CSU enttäuscht sehr, das der AfD erschreckt doch in der Höhe.“

+++ Zwei Koalitionen sind rechnerisch möglich +++

Nach den Prognosen von ARD und ZDF nur eine erneute große Koalition oder ein sogenanntes Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen eine rechnerische Mehrheit. Mit der AfD wollen alle genannten Parteien kein Bündnis eingehen. Allerdings hat die SPD bereits angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen. Parteivize Manuela Schwesig sagte dazu: „Das ist ein ganz schlimmes Ergebnis für die SPD, eine schwere Niederlage.“ Als Konsequenz daraus nannte sie: „Für uns endet heute die große Koalition.“ Darüber bestehe in der Parteiführung Einvernehmen. Es werde für die SPD damit kein Bündnis mit der Union mehr geben.

+++ „Wir werden sie jagen“ +++

Die AfD feiert ihr Spitzenergebnis lautstark. Alexander Gauland hat schon kurz nach der ersten Prognose zu seinen Anhängern gesprochen. Und der neuen Bundesregierung gedroht, egal wie diese aussehe: „Wir werden sie jagen“, so Gauland.

+++ Sozialdemokraten wollen in die Opposition +++

Die SPD-Spitze hat sich nach dem historischen Absturz bei der Bundestagswahl einmütig dafür ausgesprochen, in die Opposition gehen. Das erfuhren die Deutsche Presse-Agentur und „Focus“ nach einer Telefonschalte unter Leitung des SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz am Sonntag.

+++ SPD in Schockstarre +++

Harald Christ, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums, hat die SPD zu einem Neuanfang aufgerufen. „Der Wähler hat gesprochen und die SPD mit ihrem linken Gerechtigkeitswahlkampf hart abgestraft.“, sagte Christ dem Handelsblatt. Es gelte, Verantwortung zu übernehmen und aus den Fehlern zu lernen. „Es ist nun dringend notwendig, den Kurs zur modernen Fortschrittspartei zu gestalten. Eine linke Volkspartei braucht auch ein Angebot an die Mitte“, sagte Christ. „Dafür braucht es überzeugende Köpfe. Es ist Zeit: Für Neues!“, sagte der Vorstand in einem großen Versicherungskonzern, in Anlehnung an den Wahlkampfslogan von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz „Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit.“

+++ Hier die erste Prognose +++

Mit dem Schließen der Wahllokale veröffentlichen die Meinungsforscher die ersten Prognosen. Hier die 18-Uhr-Zahlen der ARD:

  • CDU/CSU: 32,5 Prozent

  • SPD: 20,0 Prozent

  • AfD: 13,5 Prozent

  • FDP: 10,5: Prozent

  • Linke: 9,0 Prozent

  • Grüne: 9,5 Prozent

Das ZDF sieht die Union bei 33,5 Prozent, die SPD bei 21 Prozent, die AfD bei 13 Prozent, die FDP bei 10 Prozent sowie Linkspartei und Grüne bei jeweils 9 Prozent.

+++ Petry schießt gegen die SPD +++
Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry kritisiert die SPD scharf. „Arroganz der #SPD wird sich bitter rächen“, schreibt sie auf Twitter. „Lebt damit, Genossen. Linkstrend ist ab heute vorbei.“ Petry reagiert damit auf einen Tweet von SPD-Parteichef Martin Schulz, in dem er die AfD als rechtsextreme Partei bezeichnet, die nicht in den Bundestag gehöre.

+++ Handelsblatt-Wahlanalyse ab 18.20 Uhr +++
Um 18 Uhr – wenn die Wahllokale schließen – werden die ersten Prognosen veröffentlicht. Kurz später kommentiert unser Politik-Ressortleiter Thomas Sigmund die Wahlergebnisse. Live zu sehen auf der Handelsblatt-Facebookseite.

+++ Beteiligung in München und Berlin +++
In München erreicht die Wahlbeteiligung inklusive Briefwahlstimmen nach Angaben der Stadtverwaltung bis 17.10 Uhr einen Wert von 89,3 Prozent. Vor vier Jahren waren es 20 Minuten später lediglich 70,60 Prozent. In Berlin lag die Wahlbeteiligung bis 16.00 Uhr etwas höher als 2013. Die Landeswahlleiterin nannte eine Beteiligung von 60,3 Prozent, das sind 1,9 Punkte mehr als vor vier Jahren zu dieser Zeit.

+++ Wie geht es nach der Wahl weiter? +++
Ab morgen geht es an die Bildung der neuen Regierung. Spätestens 30 Tage nach der Abstimmung muss der Bundestag erstmals zusammenkommen, das wäre der 24. Oktober. Bis dahin amtiert die bisherige Koalition. Der Alterspräsident eröffnet die konstituierende Parlamentssitzung mit einer Rede. Dann wird unter anderem über den Bundestagspräsidenten abgestimmt. Den Bundeskanzler wählen die Abgeordneten in einer späteren Sitzung, in der in der Regel auch die gesamte Regierung vereidigt wird. 2013 trat Angela Merkel (CDU) erst in der vierten Bundestagssitzung am 17. Dezember ihre erneute Kanzlerschaft an – also fast drei Monate nach der Wahl.

+++ Wahlbeteiligung bis zum Mittag bei 41 Prozent +++
Die Beteiligung bei der Bundestagswahl ist bis zur Mittagszeit nahezu identisch gewesen wie bei der jüngsten Wahl vor vier Jahren. Bis 14 Uhr hatten 41,1 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben, wie der Bundeswahlleiter mitteilte. Bei der Bundestagswahl 2013 hatte die Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt bei 41,4 Prozent gelegen. Der Zwischenstand wird auf Grundlage der Wahlbeteiligung in ausgewählten Wahllokalen ermittelt. Allerdings sind in den Berechnungen nicht die Stimmen der Briefwähler enthalten. Experten erwarten in diesem Jahr einen Rekord an Briefwahlstimmen. Vor vier Jahren lag die Wahlbeteiligung am Ende bei 71,5 Prozent.

+++ Lange Schlangen in Frankfurt +++
Munteres Treiben im Wahllokal im Frankfurter Nordend, wo viele junge Leute und Familien mit Kindern zur Wahl kommen: Die Kinder rennen rufend und kreischend um die zig Meter langen Schlangen herum. Das Interesse ist offenbar so groß wie lange nicht in einem der Vorzeigestadtviertel in Hessens Metropole, berichtet eine Wahlhelferin.

+++ Prognose, Hochrechnung, Ergebnis +++

  • Prognose: Wenn die Wahllokale schließen, wird ein erster Trend mit der Prognose verbreitet. Sie basiert auf einer Umfrage, in der Wähler in repräsentativ ausgewählten Stimmbezirken kurz nach ihrem Besuch im Wahllokal ihr Kreuz ein zweites Mal machen.

  • Hochrechnung: Kurz nach Schließung der Wahllokale berücksichtigen sie ausschließlich Wahlergebnisse. Die Meinungsforscher rechnen dafür erste ausgezählte Teilmengen auf die Wähler insgesamt hoch.

  • Ergebnis: Erst wenn der letzte Wahlbezirk ausgezählt ist, stellt der jeweils zuständige Wahlleiter am Wahlabend ein vorläufiges amtliches Ergebnis fest. Das endgültige amtliche Ergebnis kommt Tage oder Wochen später.

+++ Die Kanzlerin hat gewählt +++

Gemeinsam mit Ehemann Joachim Sauer schritt die Kanzlerin in Berlin-Mitte an die Wahlurne. Im Wahllokal, wo sonst Studierende zu Mittag essen, warteten zahlreiche Journalisten auf das Paar. Auf dem Weg dorthin hielt der Chemieprofessor einen Schirm schützend über seine Frau – das Wetter in Berlin ist regnerisch. Die Kanzlerin präsentierte sich dennoch gut gelaunt und fand noch Zeit für einen Schwatz mit den Wahlhelfern. Für den Wahltag hatte Merkel einen blutorangefarbenen Blazer gewählt, ihr Mann entschied sich für eine grüne Krawatte.

+++ Die Stimmabgabe im Bewegtbild +++

+++ Aufrufe zur Wahl +++
In den Stunden bis zur Prognose um 18 Uhr herrschte auf den Social-Media-Kanälen von Parteien und Politikern ein letztes Mal Wahlkampf-Hochbetrieb. Mit eindringlichen Botschaften riefen sie die Menschen zum Abstimmen auf. „Raus aus den Federn & rein ins Wahllokal!“, mahnte die SPD ihre Anhänger schon morgens via Twitter. Kanzlerkandidat Martin Schulz postete nach Abgabe seiner Stimme ein Video aus seiner nordrhein-westfälischen Heimatstadt Würselen, wünschte den Zuhörern einen schönen Tag - „aber: Ihr müsst wählen gehen!“. Die CDU versuchte auf ihrem Facebook-Kanal, die Komplexität der politischen Streitpunkte in einen Satz zu pressen: „Darum geht's: Familien und Kinder fördern, sichere Arbeit und starke Wirtschaft.“

+++ Was ist das Wasserglas von Martin Schulz wert? +++
Das Wasserglas macht in der Politik allenfalls Karriere, wenn sich darin ein Sturm entwickelt. Ansonsten steht es unbeachtet und meist auch unbenutzt auf dem Rednerpult. Das könnte sich nun ändern. Dem Berliner Alexander Hauk ist es nach eigenem Bekunden gelungen, das Wasserglas zu ergattern, aus dem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz am Freitag bei seiner Rede auf dem Gendarmenmarkt in Berlin getrunken hat. Hauk bietet das Glas nun auf der Auktionsplattform Ebay an. Der Erlös geht nach Angaben Hauks an den Deutschen Pflegerat, den Dachverband der bedeutendsten Berufsverbände des Pflege- und Hebammenwesens in Deutschland. Sinn und Zweck der Übung ist es, den Pflegenotstand in Deutschland zum Thema zu machen.

+++ Einige Wahlbeobachter im Einsatz +++
Bei der Bundestagswahl sind rund 60 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) im Einsatz. Dies bestätigte ein Sprecher in Berlin. Die Mission wird von George Tsereteli aus Georgien geleitet. Nach 2009 und 2013 sind Beobachter der OSZE zum dritten Mal bei einer Bundestagswahl dabei. Sie waren von der Bundesregierung eingeladen worden. Dies sei „übliche Praxis“ der OSZE-Mitgliedsstaaten, sagte Tsereteli. Teams von jeweils zwei Beobachtern sollten Wahllokale in mehreren deutschen Städten besuchen.

Sie informieren sich über die Abläufe, sprechen mit den Wahlhelfern und beobachten die Stimmabgabe. „Wir sind keine Wahl-Polizei“, betonte Tsereteli. Schon vor Monaten hatte die OSZE erklärt, es bestehe kein Zweifel an den rechtmäßigen Abläufen, allerdings hätten einige Ansprechpartner Sorge über gleiche Chancen im Wahlkampf und bei dessen Finanzierung geäußert. Am Montag wird die Beobachtermission in Berlin über ihren Einsatz berichten.

+++ Hohe Wahlbeteiligung in München +++
Ein einheitlicher Trend zur Wahlbeteiligung ergab sich nach ersten regionalen und lokalen Stichproben nicht. In München gaben nach Angaben der Stadt bis kurz vor 12.00 Uhr 57,1 Prozent der Wahlberechtigten – inklusive einer deutlich erhöhten Zahl von Briefwahlstimmen – ihr Votum ab. Das sind mehr als zehn Punkte mehr als 2013. Auch in den Großstädten Hamburg und Frankfurt gaben am Morgen mehr Bürger ihre Stimmen ab als vor vier Jahren. In dem Flächenland Niedersachsen dagegen lag die Wahlbeteiligung um 12.30 Uhr mit 32,08 Prozent um etwa einen Punkt hinter den Zahlen von 2013 zurück. Deutlich unter dem Wert von vor vier Jahren blieb auch Thüringen mit einem Minus von mehr als sechs Prozentpunkten bis zum Mittag sowie Schleswig-Holstein.

+++ Auch der Bundespräsident stellt sich in die Schlange +++
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den rund 650.000 Wahlhelfern bei der Bundestagswahl gedankt. Sie trügen auch in diesem Jahr zu einem reibungslosen Ablauf der Wahl bei, sagte er bei der Stimmabgabe in Berlin. Steinmeier kam bei kühlem, regnerischen Wetter in Begleitung seiner Frau Elke Büdenbender in das Wahllokal in einer Grundschule im Stadtteil Zehlendorf. Dort reihten sich beide zunächst geduldig in die Warteschlange ein und redeten mit anderen Wahlberechtigten, ehe sie zur Wahl schritten.

Steinmeier zeigte sich erfreut über die offenkundig rege Wahlbeteiligung, die er in der Schule erleben konnte. In der „Bild am Sonntag“ hatte das Staatsoberhaupt die deutschen aufgerufen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Wahlrecht ist Bürgerrecht. Für mich ist es in einer Demokratie vornehmste Bürgerpflicht. Gehen Sie zur Wahl!“, schrieb er in der Zeitung.

+++ Schulz weiter optimistisch +++
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat in Würselen seine Stimme für die Bundestagswahl abgegeben. Gegen 10 Uhr betrat er zusammen mit seiner Ehefrau Inge das Wahllokal im Rathaus seiner Heimatstadt. Er hoffe, dass das schöne Wetter dazu beitrage, dass möglichst viele Menschen an der Wahl teilnehmen, sagte der 61-Jährige. „Ich hoffe, dass heute möglichst viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und eine demokratische Zukunft der Bundesrepublik Deutschland bestärken, indem sie demokratischen Parteien ihre Stimme geben.“

Viele Wähler seien bis zuletzt unentschlossen, wen sie wählen sollen, sagte Schulz. „Ich glaube, auch heute am Wahltag gibt es nach wie vor Bürgerinnen und Bürger, die überlegen, was sie mit ihrer Stimme machen.“ Er sei zuversichtlich, dass viele der Unentschlossene ihre Stimme seiner Partei geben. „Ich bin optimistisch, dass die SPD mit einem guten Resultat aus diesem Wahlkampf herauskommt.“

+++ Berlin läuft +++
An diesem Sonntag findet in Berlin auch der weltweit beachtete Marathon statt. Unsere Reporter sind für die Wahl vor Ort, schauen sich aber auch gern einmal die Läufer an.

+++ Özdemir früh im Wahllokal +++
Der Spitzenkandidat der Grünen, Cem Özdemir, hat am Sonntagmorgen als einer der ersten Spitzenpolitiker seine Stimme bei der Bundestagswahl abgegeben. Gut gelaunt grüßte er wartende Journalisten, Wahlhelfer und andere Wähler, verließ danach das Wahllokal im Berliner Bezirk Kreuzberg aber kommentarlos. Die Grünen kämpfen mit anderen kleineren Parteien um den dritten Platz. Umfragen sahen sie zuletzt bei nur sieben bis acht Prozent.

+++ Volksentscheid zu Tegel +++
In Berlin sind die Bürger an diesem Sonntag außerdem zu einem Volksentscheid über die Offenhaltung des Flughafens Tegel aufgerufen. Der rot-rot-grüne Senat lehnt dies ab und will den innerstädtischen Airport nach der Eröffnung des geplanten Hauptstadtflughafens BER schließen. Ein Ja im Volksentscheid bedeutet nicht, dass der Wählerwille umgesetzt werden muss.

+++ Wahllokale sind geöffnet +++
Die Bundestagswahl hat begonnen: Rund 73.500 Wahllokale haben am Sonntag um 08.00 Uhr geöffnet. Etwa 61,5 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, Erst- und Zweitstimme abzugeben und so über die Zusammensetzung des Bundestags zu entscheiden. Geöffnet haben die Wahllokale bis 18 Uhr. Dann werden auch die ersten Prognosen veröffentlicht.

+++ Jeder Wähler hat zwei Stimmen +++
Mit der Erststimme kann er einen Wahlkreisabgeordneten direkt in den Bundestag schicken. Die Zweitstimme gibt er einer Partei, die ihre Kandidaten zuvor auf einer Landesliste nominiert hat. Die Zweitstimme ist also entscheidend für die parteipolitische Zusammensetzung des Bundestages, da die Sitze auf die einzelnen Parteien entsprechend ihrem bundesweiten Zweitstimmenergebnis verteilt werden.

+++ Mehrfach wählen verboten +++
Bei der Bundestagswahl darf jeder Wahlberechtigte nur einmal wählen. Laut Bundeswahlleiter gilt dies auch dann, wenn man – beispielsweise nach einem Umzug – mehrere Wahlbenachrichtigungen erhalten haben sollte. Wer mehrfach wählt oder wer wählt, ohne wahlberechtigt zu sein, begeht Wahlfälschung und macht sich strafbar.

+++ Mehr Briefwähler +++
Fast jeder dritte Wahlberechtigte will nach einer Ende August veröffentlichten Umfrage per Brief wählen. 2013 betrug der Anteil der Briefwähler 24,3 Prozent.


+++ Wahlkrimi möglich, TV-Krimi fällt aus +++
Wer am Sonntag der Bundestagswahl um 20.15 Uhr einen neuen „Tatort“ sehen will, wird enttäuscht. Das Erste, wie auch das ZDF, sendet zur besten Sendezeit die „Berliner Runde“ mit Vertretern der Bundestagsparteien. Es kommt also kein neuer Sonntagskrimi. Seit 47 Jahren gibt es die Krimireihe „Tatort“, 13 Bundestagswahlsonntage fallen in diese Zeit. Lediglich zweimal gab es an einem solchen Sonntag einen neuen „Tatort“ im Ersten, wie „Tatort“-Experte François Werner von „tatort-fundus.de“ weiß: 1987 und 1994.

+++ Schwierige Verhandlungen +++
Nach Umfragen liegt die Union derzeit deutlich vorne – erreicht die 40 Prozent aber womöglich nicht. Derzeit sind nach der Wahl demnach Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition wie auch über ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen denkbar. Unionsfraktionschef Volker Kauder erwartet daher komplizierte Verhandlungen. „In der Programmatik von Grünen und FDP gibt es bei beiden Punkte, die für uns schwierig sind“, sagte er. „Die FDP hat ihre Defizite in der Inneren Sicherheit, die Grünen sind zu technikfeindlich. Das gilt auch für die SPD. Die vernachlässigt die Wirtschaft eklatant.“ Bündnisse mit der AfD und der Linkspartei schließt Kauder aus.

+++ Ringen um Rang drei +++
Spannung verspricht der Kampf um Platz 3 hinter CDU/CSU und SPD. Linke, Grüne und FDP beanspruchen diese Position jeweils für sich. Sorge bereitet den etablierten Parteien das Erstarken der AfD in den Umfragen. Nach diesen haben die Rechtspopulisten gute Chancen, aus dem Stand heraus drittstärkste Kraft im neuen Bundestag zu werden und damit womöglich die Opposition anzuführen. Die Frage, welche Partei die Opposition anführt, ist keine reine Symbolik. Traditionell fällt dieser Partei der Vorsitz im wichtigen Haushaltsausschuss des Bundestags zu. Der Oppositionsführer ist zudem bei Regierungserklärungen der erste Redner nach der Kanzlerin.

KONTEXT

Dutzende Kleinparteien

Sie wollen den Formationstanz fördern oder mit dem jährlichen Zwangsabstieg des Hamburger SV für mehr Gerechtigkeit im Sport sorgen: Bei der Bundestagswahl treten Dutzende Kleinparteien an - mit kuriosen Forderungen.

Magdeburger Gartenpartei

Der Name klingt zwar eher provinziell. Doch die Partei steht für gleich zwei gesamtdeutsche Phänomene, die an Gemeindegrenzen nicht halt machen: Kleingärtner und Wutbürger. Entsetzt über Pläne der Stadt, eine Kleingartenanlage einem Bauprojekt zu opfern, wurden die Kleingärtner erst zu Wutbürgern und schließlich zur Partei. Seit 2013 hat der Schutz von Schrebergärten für die Gruppe höchste Priorität und steht im Wahlprogramm an erster Stelle - noch vor Positionen zur Rentenpolitik, Migration oder Energiethemen.

Die Violetten

Die Violetten wünschen sich mehr Spiritualität in der Politik. Zu den zentralen Forderungen der Esoteriker-Partei gehört die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das befreit von Existenzängsten und schafft Zeit und Raum, sich der individuellen spirituellen Entwicklung zu widmen. Daneben wollen die Violetten alternative Energiequellen wie die "Raumenergie" erschließen, das "Wir-Gefühl stärken" und aus der Nato austreten. Das Partei-Wappen ist ein lila Schmetterling.

Die V-Partei

Parteien, die Naturschutz oder Tierwohl in den Vordergrund stellen, gibt es viele. Doch die Partei der Vegetarier und Veganer ist die einzige, die vorrangig dafür kämpft, Fleisch aus den Supermarktregalen zu verbannen. Dabei sollen niedrige Steuern für pflanzliche Bio-Lebensmittel helfen.

Die Urbane

Er liebe es, "mit dem Fahrrad durch Berlin zu cruisen", schreibt Frithjof Zerger, Direktkandidat der Hiphop-Partei in Berlin-Friedrichshain. Das klingt stark nach dem Langzeit-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne), der nach fast zwei Jahrzehnten im Bundestag nicht mehr zur Wahl antritt. Auch dessen berühmter Aufruf "Gebt das Hanf frei" findet sich so ähnlich im Programm der Urbanen: Es könnte schlechtere Vorzeichen für die Aussichten auf ein Direktmandat im Szene-Kiez geben. Weitere Probleme der Menschheit lösen sich dann bei tiefenentspannten Breakdance-Sessions oder Rap-Battles in Rauch auf.

Die Bergpartei

Mit Sprüchen wie "Fehlbar aber wählbar" oder "Pleite aber auf Deiner Seite" wirbt die Gruppe um die Mitglieder "einer entpolitisierten Spaß/Party/Kunst-Gesellschaft", um diese mit "Spaß, Party und Kunst" wieder für aktuelle politische Entscheidungen zu interessieren. Dabei will die "BergPartei" genau das nach eigener Auskunft nicht sein: eine Spaß-Partei. Allerdings betonen auch Vertreter von Sonneborns Satire-Partei, die sich unter anderem für eine Bierpreisbremse stark macht, bei öffentlichen Auftritten, es mit dem Machtstreben "bierernst" zu meinen. Die "BergPartei" fordert neben dem Austritt aus der Nato unter anderem die "Förderung des Formationstanzes."

Die Partei

Die Satire-Partei unter Führung des Europaabgeordneten und Ex-Chefredakteurs des Titanic-Magazins, Martin Sonneborn, setzt ganz auf die Gruppe der Nichtwähler. "Wenn es dir egal ist, wer im Bundestag sitzt, wäre es dann nicht schön von jemandem vertreten zu werden, dem es egal ist, dass er im Bundestag sitzt?", fragt der Berliner Spitzenkandidat Nico Semsrott. Als "Kancler"-Kandidat schickt die Partei den Comedian Serdar Somuncu ins Rennen. Die Gruppe fordert unter anderem "universelle Gesamtgerechtigkeit", den jährlichen Zwangsabstieg des Hamburger SV, eine "Bierpreisbremse" sowie eine Rückkehr zum Notabitur aus Kriegszeiten.

Sozialistische Gleichheitspartei

Wie "Die Partei", strebt auch die Sozialistische Gleichheitspartei nach einer Form von "universeller Gesamtgerechtigkeit". In ihr sammeln sich trotzkistische Gruppen, die sich als marxistische Opposition zum Stalinismus sehen. Was damit genau gemeint ist, verstehen nur Absolventen eines Soziologie-Studiums. Gegen - und für - welche linken Strömungen sich die Partei ansonsten positioniert, versteht wiederum niemand so genau.

Quelle: dpa

KONTEXT

Bundestagwahl in Zahlen und Fakten

Wahlberechtigte

Etwa 61,5 Millionen Deutsche sind wahlberechtigt, rund 400.000 weniger als bei der Wahl vor vier Jahren. 51,5 Prozent der Wahlberechtigten sind Frauen. Mehr als jeder dritte Wahlberechtigte gehört der Generation 60plus an (36,1 Prozent), nur jeder Sechste ist 30 Jahre und jünger (15,4).

Erstwähler

Etwa 3 Millionen junge Menschen dürfen erstmals wählen. Sie wurden seit der Bundestagswahl 2013 volljährig.

Migrationshintergrund

Rund 720.000 Wahlberechtigte haben nach Schätzung des Bundeswahlleiters türkische Wurzeln. 2013 hatten 5,8 Millionen Wähler (9 Prozent) einen Migrationshintergrund.

Parteien

42 Parteien beteiligen sich an der Wahl - so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Davon stellen 34 mindestens eine Landesliste auf.

Wahlbewerber

Insgesamt treten 4828 Wahlbewerber an - so viele wie seit 1998 nicht mehr. Unter den Bewerbern sind 1400 Frauen (29 Prozent). Das Durchschnittsalter liegt bei 46,9 Jahren. 348 Bewerber sind Studenten, Azubis oder Schüler. Der jüngste Bewerber wird erst kurz vor der Wahl 18 Jahre alt. Der Schüler kandidiert für Die PARTEI in einem Wahlkreis in Brandenburg. Die älteste Kandidatin ist 89 und steht für die V-Partei auf der Landesliste in Bayern.

Wahlkreise

Gewählt wird in 299 Wahlkreisen in 73 500 Urnen- und 14 500 Briefwahlbezirken. Nordrhein-Westfalen hat die meisten (64) und Bremen die wenigsten Wahlkreise (2).

Wahlhelfer

Etwa 650 000 ehrenamtliche Wahlhelfer sind am Wahlsonntag im Einsatz. Sie erhalten als Anerkennung für ihre Tätigkeit ein "Erfrischungsgeld" von bis zu 35 Euro. In jedem Wahllokal und für jeden Briefwahlbezirk gibt es einen Wahlvorstand, der sich aus einem Wahlvorsteher, einem Stellvertreter und drei bis sieben Beisitzern zusammensetzt. Neben der Überwachung und Organisation der Wahl zählt der Vorstand am Ende die Stimmen aus und leitet das Ergebnis an die Kommune weiter.

Auszählung

Um 18.00 Uhr verbreiten die TV-Sender am Sonntag ihre Prognosen zum Wahlausgang, kurz darauf die ersten Hochrechnungen. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird in der Nacht zum Montag erwartet.