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Jerry Lewis: Eine Legende des ganz normalen Wahnsinns

Der komischste Komiker der Welt ist von uns gegangen: Jerry Lewis ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Er war einer der Größten seines Fachs, eine Legende des ganz normalen Wahnsinns. Warum? Die Menschen lieben ihre größten Trottel! Man hat ihn - den größten Tollpatsch der Welt - ins Herz geschlossen wie einen kleinen, vertrottelten Bruder, dem niemand böse sein kann, egal, was immer er auch anstellen mag. Wir blicken zurück auf Leben und Schaffen einer Comedy-Ikone.

Ins Showbiz hineingeboren

Er war in diese Welt hineingeboren worden, nicht in die glamouröse Studioszene von Hollywood, sondern in die der Provinzclubs. Seine Eltern, Nachkommen emigrierter Juden aus Russland, waren waschechte "Rampensäue", wie man respektlos naturbegabte Unterhaltungskünstler nennt. Vater Daniel trat in Newark im Bundesstaat New Jersey als Vaudeville-Entertainer auf, die Mutter Rachel war Klavierspielerin bei einer Radiostation.

Bühnenpremiere mit fünf Jahren

An seine Bühnenpremiere erinnerte sich Jerry Lewis ganz genau: "Ich war fünf Jahre alt. [...] Meine Mutter hatte mir damals meinen ersten Anzug genäht, einen Kinder-Smoking. Ich trat gemeinsam mit meinen Eltern auf, die Leute haben getobt. Und das Lachen des Publikums hat mich vom ersten Moment an süchtig gemacht. Süchtig nach mehr", erzählte Lewis im vergangenen Jahr der "BamS".

Die Kinder waren begeistert, die Eltern sowieso, die Großeltern und das Publikum ebenfalls. Da machte einer den Clown, der später die ganze Welt mit seiner Komik erobern und mit allen Giganten des Showbiz auf der Bühne stehen sollte. Mit Frank Sinatra, mit Sammy Davis Jr., mit Judy Garland, vor allem aber mit Dean Martin.

Mit dem Sänger und Schauspieler trat er erstmals 1946 im Club 500 in Atlantic City auf. Sie wurden ein Dream-Team. "Martin singt und Lewis hampelt herum", feierte damals die Presse. Dean Martin spielte den großen Verführer, Lewis den drolligen Tollpatsch. Hat ihn das nie genervt? "Ich wäre ja schön blöd gewesen, wenn mich das gestört hätte."

Martin und Lewis: Ein echtes Dream-Team

Ihre Radiosendung "The Martin and Lewis Show" (bis 1953) wurde ein Klassiker, der später im Fernsehen unter dem Titel "Dean Martin & Jerry Lewis Show" fortgesetzt wurde. "Der tollkühne Jockey" (1953) war ihr erster gemeinsamer Farbfilm. Die 50er-Jahre waren auch die der großen Las-Vegas-Auftritte von Jerry Lewis und Dean Martin, "definitiv die schönsten Jahre meines Lebens. Ich vermisse den alten Hund ungemein. Ein guter Geschäftsfreund und ein toller Partner."

Dean Martin ist bereits 1995 im Alter von 78 Jahren gestorben. Da war zwischen den beiden wieder alles in Butter, denn in der Zwischenzeit waren sie fast 20 Jahre lang zerstritten, "weil ich einfach das Gefühl hatte, dass wir mit unserer Show auf dem Höhepunkt angekommen waren", sagte Lewis. "Es hätte nur noch bergab gehen können. Und ich hatte keine Lust, als Verlierer abzutreten."

Dean Martin wandte sich dem Rat Pack, seinen kongenialen Kumpels Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. zu, Jerry Lewis drehte fortan allein seine Erfolgsfilme wie "Der Bürotrottel", "Der verrückte Professor", "Die Heulboje" oder "Das Mondkalb". 1976 brachte Frank Sinatra bei einer Charity-Show von Jerry Lewis überraschend Dean Martin mit auf die Bühne: die beiden versöhnten sich.

Keine Oscar-Ehren

Dreimal hatte Lewis die Show zur Oscar-Verleihung moderiert, doch den Preis selbst hatte er nie bekommen. Dabei hatte er nicht nur Quatsch mit Soße produziert, sondern auch Filme, die Dramen und Tragödien zum Thema hatten. 1972 drehte Lewis als Regisseur und Hauptdarsteller "The Day The Clown Cried", die fiktive Geschichte des deutschen Komödianten Helmut Doork (Lewis), der im KZ landete, weil er Witze über Hitler gemacht hatte. Im KZ spielte Doork seine Clowns-Rolle weiter, nach Anweisung des Kommandanten sollte er mit seinen Späßen dafür sorgen, dass sich die inhaftierten Kinder lachend in die Gaskammer führen lassen. Der Komiker durchschaute die perfide Absicht - und ging gemeinsam mit 65 Kindern in den Tod.

Nach 116 Drehtagen verkündete Jerry Lewis das Aus des Projekts. Später sprach er in der ARD-Dokumentation "Der Clown" erstmals über die Hintergründe: Alles sei seine Schuld, er sei gescheitert und habe versagt. Es sei nicht möglich, den Holocaust mit den Mitteln des Humors zu erklären. Lewis übergab das Negativ des unfertigen Films der Library of Congress in Washington, er bleibt gesperrt bis 2025. Tatsächlich soll das Werk ein Meisterwerk sein.

In der Krimi-Serie "Kampf gegen die Mafia" spielte er in fünf Episoden einen Industriellen, eine Rolle ohne jegliche Komik. Und in Martin Scorseses "The King of Comedy" übernahm er an der Seite von Robert De Niro (74) den Part eines gekidnappten Showmasters. Während der Dreharbeiten erlitt er einen schweren Herzinfarkt, für kurze Zeit war er sogar klinisch tot.

Die Schattenseiten

Bei allem Sinn und Instinkt für impulsiven Humor kannte Jerry Lewis auch prekäre Krisensituationen: 1966 brach er sich im Sands Hotel in Las Vegas bei einer missglückten Rolle vom Klavier einen Knochen der Wirbelsäule. Jahrzehnte litt er unter heftigen Schmerzen, die ihn zeitweise an Selbstmord denken ließen. Er nahm das Betäubungsmittel Percodan und wurde süchtig. Sein größter Schicksalsschlag: 2009 starb sein Sohn Joseph an einer Überdosis Drogen.

Jerry Lewis hatte Prostatakrebs, eine Lungenfibrose, chronische Magenblutungen, zwei Herz-Operationen und Depressionen überlebt. Angst vor dem Tod hatte er nie. "Nicht wirklich. Ich bin ein harter Knochen und habe den Tod schon einige Male weggejagt. Ich denke, ich bin ein bisschen wie das Unkraut, das vor meinem Fenster im Garten wächst. Egal, wie oft wir es wegsprühen lassen, es geht einfach nicht weg...", erklärte er der "BamS".

So ließ er sich von seiner angeschlagenen Gesundheit nie davon abhalten, seiner Kunst nachzugehen. Bis ins hohe Alter war er aktiv, zuletzt stand er 2016 für "The Trust: Big Trouble in Sin City" vor der Kamera. Am 20. August konnte er dem Tod schließlich kein weiteres Mal von der Schippe springen. Er sei friedlich in seinem Zuhause in Las Vegas entschlafen, wie es in den US-Medien heißt.

Foto(s): s_bukley / Shutterstock.com, Globe-Photos/ImageCollect