Iran und Saudi-Arabien nehmen diplomatische Beziehungen wieder auf
Nach jahrelanger Eiszeit haben die rivalisierenden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien überraschend die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen vereinbart. Bei Gesprächen in China sei beschlossen worden, die Botschaften und Vertretungen "binnen zwei Monaten wieder zu eröffnen", zitierten die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna und die saudiarabische Nachrichtenagentur SPA am Freitag aus einer gemeinsamen Erklärung. Die USA begrüßten das Abkommen, Politiker in Israel warfen ihrer Regierung "außenpolitisches Versagen" vor.
In ihrer Erklärung dankten der Iran und Saudi-Arabien dem Irak und dem Golfstaat Oman für die Vermittlung der Gespräche und Gastgeber China für die Unterstützung vor Ort. Die drei Länder hätten ihren Willen bekundet, "alle Anstrengungen zu unternehmen, um den regionalen und internationalen Frieden und die Sicherheit zu stärken", hieß es in der Erklärung.
Die USA begrüßten das von China vermittelte Abkommen, etwa mit Blick auf ein mögliches Ende des Krieges im Jemen, äußerten sich aber skeptisch sowohl zu Chinas Vermittlerrolle als auch zu Irans Einhaltung der Verpflichtungen. "Wir hoffen auf ein Ende des Krieges im Jemen - das Abkommen könnte dazu führen", sagte der Sprecher des nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Freitag. Es bleibe aber abzuwarten, ob Teheran seinen Teil des Abkommens einhalten werde.
Sollte das Abkommen Bestand haben, "begrüßen wir das" - ganz gleich, wie oder durch wen es zustande gekommen sei, sagte Kirby. Die USA würden Versuche Chinas, "in seinem eigenen egoistischen Interesse Einfluss zu nehmen und anderswo auf der Welt Fuß zu fassen", aber weiter beobachten.
Die Regierung in Israel äußerte sich zunächst nicht zu dem Abkommen. Derweil warfen Oppositionspolitiker Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, so fixiert auf die von seinem Kabinett angestrebte Justizreform zu sein, dass er die Außenpolitik vernachlässigt habe. "Das passiert, wenn Sie den ganzen Tag mit einem wahnsinnigen Gesetzesprojekt beschäftigt sind, anstatt sich mit dem Iran zu befassen", schrieb Oppositionsführer Jair Lapid im Onlinedienst Twitter.
Netanjahu steht derzeit in Israel wegen umstrittener Gesetzespläne seines rechts-religiösen Kabinetts zur Justiz massiv in der Kritik. Das neue Gesetz würde es dem Parlament unter anderem erlauben, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einer einfachen Mehrheit zu widerrufen. Kritiker befürchten einen Umbau des Rechtsstaats.
Das Abkommen sei "ein komplettes und gefährliches außenpolitisches Versagen der israelischen Regierung" und "ein Zusammenbruch der regionalen Verteidigungsmauer, die wir gegen den Iran aufzubauen begonnen haben", schrieb Lapid weiter. Auch Ex-Regierungschef Naftali Bennett nannte das Abkommen "ein durchschlagendes Versagen der Netanjahu-Regierung" und einen "politischen Sieg für den Iran".
Die Golfstaaten Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain sowie Marokko hatten 2020 ihre Beziehungen zu Israel in den sogenannten Abraham-Abkommen normalisiert. Netanjahu betrachtet diesen historischen Schritt als sein persönliches politisches Erbe. Israel hatte gehofft, mit Unterstützung der USA auch die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren.
Laut Irna war der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats des Iran, Ali Schamchani, am Montag nach Peking gereist, "um in China intensive Verhandlungen mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen zu führen, um die Differenzen zwischen Teheran und Riad endlich beizulegen".
Saudi-Arabien und der Iran hatten ihre Beziehungen vor sieben Jahren abgebrochen, nachdem Demonstranten im Iran diplomatische Vertretungen Saudi-Arabiens angegriffen hatten. Auslöser der Angriffe war die Hinrichtung des bekannten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien. Im Jemen-Krieg unterstützt Riad die Regierungstruppen, während Teheran hinter den Huthi-Rebellen steht.
Experten zufolge könnte sich das Abkommen auf den gesamten Nahen Osten und darüber hinaus auswirken. Der Saudi-Arabien-Experte Hussein Ibish vom Arab Gulf States Institut in Washington bezeichnete den Schritt als "wichtige Entwicklung in der Nahost-Diplomatie". Angesichts der jahrzehntelangen Differenzen und schleppender Fortschritte bei den jüngsten bilateralen Gesprächen sei das Abkommen nun umso überraschender, sagte die Nahost-Expertin Dina Esfandiary vom Institut Internationale Krisengruppe.
kas/lan