"Mit dem Impfen haben wir die Chance, uns als starke Gesellschaft zu zeigen"

Heiner Lauterbach spielt im ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie" einen mächtigen, aber gebrochenen Patriarchen. Wie sich sein eigenes Familienbild im Laufe des Lebens wandelte - und was er vom gegenwärtigen Impfstreit in der deutschen Gesellschaft hält, verrät der 68-Jährige im Interview. (Bild: 2020 Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Heiner Lauterbach spielt im ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie" einen mächtigen, aber gebrochenen Patriarchen. Wie sich sein eigenes Familienbild im Laufe des Lebens wandelte - und was er vom gegenwärtigen Impfstreit in der deutschen Gesellschaft hält, verrät der 68-Jährige im Interview. (Bild: 2020 Getty Images/Hannes Magerstaedt)

Im ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie" spielt Heiner Lauterbach einen mächtigen, aber gebrochenen Patriarchen. Wie sich sein eigenes Familienbild im Laufe des Lebens wandelte - und was er vom gegenwärtigen Impfstreit in der deutschen Gesellschaft hält, verrät der 68-Jährige im Interview.

Es gibt wenige Deutsche, die bei öffentlichen Aufritten so gelassen wirken wie Heiner Lauterbach. Längst ist der 68-jährige Schauspieler so etwas wie der Grandseigneur des deutschen Films. Der Mann strahlt eine natürliche Autorität aus und wird wohl auch deshalb auffällig häufig für die Rolle des Patriarchen und einflussreichen Machers angefragt. Im ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie - Der Zauberwürfel" (Montag, 27. Dezember, 20.15 Uhr) ist Lauterbach einmal mehr als Unternehmer zu sehen, dessen "Reich" aufgrund äußerer Bedrohungen und innerer Konflikte zu zerbrechen droht. Im Interview spricht Lauterbach, dessen eigener Vater ein solcher Firmen-Patriarch war, über Wandlungen durchs Älterwerden und sein Familienbild, das sich ebenfalls verändert hat. Auch der sich verschärfende Konflikt rund um Corona-Pandemie und Impf-Gebot beschäftigt Lauterbach.

teleschau: Herr Lauterbach, haben Sie mitgezählt, wie viele Patriarchen-Rollen Sie in Ihrem Schauspielerleben schon bedient haben?

Heiner Lauterbach: Nein, das habe ich nicht. Auf welche Zahl sind Sie denn gekommen?

teleschau: Gefühlt haben Sie locker ein halbes Dutzend Mal den Seniorchef eines Unternehmens gegeben. Offenbar sieht man Sie gern in dieser Art Rolle ...

Lauterbach: Manche Dinge bringt das Alter mit sich. Ich habe schon den Bundeskanzler gespielt. Natürlich auch Axel Springer ...

Auch reiche Menschen haben Probleme! Im ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie" darf man schaudernd zusehen, wie sich der Mord am Erben einer Familiendynastie in Rückblenden aufklärt. Das spielende Star-Ensemble umfasst (von links): Katharina Lorenz, Lucas Gregorowicz, Matthias Koeberlin, Heiner Lauterbach und Petra Schmidt-Schaller. (Bild: ZDF / Wolfgang Ennenbach)

"Den einfachen Mann gibt es gar nicht"

teleschau: Einen Patriarchen!

Lauterbach: Na ja, so viele Patriarchen waren es am Ende gar nicht, aber mit fünf oder sechs könnten Sie richtig liegen.

teleschau: Man sieht in Heiner Lauterbach eher nicht den einfachen Mann. Woher kommt das?

Lauterbach: Den einfachen Mann gibt es gar nicht. Ich habe auch schon Bankräuber gespielt, aber das müssen auch keine einfachen Männer sein. Interessant sind Figuren, die ausbrechen. Ob nach oben oder unten, beides kann interessant sein. Schon ist die Figur kein "einfacher Mann" mehr.

teleschau: Sagen wir statt "einfacher" vielleicht besser "kleiner" Mann.

Lauterbach: Es gab Schauspieler wie Heinz Rühmann, die haben den "kleinen Mann" genial verkörpert. Ich spiele alles gern, was man als Charakterfach bezeichnen würde. Wenn man in mir öfter den Unternehmer als den "kleinen Mann" sieht, dann ist es vielleicht einfach so. Aber es könnte auch ein Wahrnehmungsfehler sein. Vielleicht waren die Patriarchen-Rollen einfach jene Filme, die von mehr Leuten gesehen wurden.

teleschau: Ihr Vater war selbst Unternehmer und eine Art Patriarch. Sie haben seine Firma nicht übernommen und sind Schauspieler geworden. Heute spielen Sie den Patriarchen. Nehmen Sie sich dabei den eigenen Vater zum Vorbild?

Lauterbach: Natürlich habe ich meinen Vater ab und zu im Kopf. Sowohl beim Lesen wie auch beim Spielen der Rollen. Aber das ist nichts Besonderes. Schauspieler leben von Assoziationen zum wirklichen Leben. Seit ich mit der Schauspielerei zu tun habe, beobachte ich Menschen. Mehr oder weniger intensiv, aber natürlich möglichst unauffällig.

Heiner Lauterbach und seine Frau Viktoria bei der Premiere des Films "Hannes" am 10. November 2021 in München. Seit 2000 ist das Paar verheiratet. Der Beziehung entstammen die beiden Kinder Maya, geboren 2002, und Vito, der 2007 zur Welt kam.  (Bild: 2021 Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Heiner Lauterbach und seine Frau Viktoria bei der Premiere des Films "Hannes" am 10. November 2021 in München. Seit 2000 ist das Paar verheiratet. Der Beziehung entstammen die beiden Kinder Maya, geboren 2002, und Vito, der 2007 zur Welt kam. (Bild: 2021 Getty Images/Hannes Magerstaedt)

"Ich bin sehr viel kritischer mit mir selbst als früher"

teleschau: Was Leuten komisch vorkommen dürfte, wenn Sie von Heiner Lauterbach beobachtet werden ...

Lauterbach: Da haben Sie Recht. Das Ganze fällt mir im Ausland sehr viel leichter, weil mein Gesicht dort weniger bekannt ist. Ungehemmt beobachten, ist eine der schönsten Beschäftigungen, die ich kenne. Wenn ich mich in Deutschland in ein Café setze, muss ich damit leben, dass die Leute eher mich angucken. Ich habe mich daran gewöhnt, aber es ist auch ein gewöhnungsbedürftiger Zustand.

teleschau: Zum Patriarchen gehört die Familie. Was hielten Sie früher von der Lebensform Familie früher - und hat sich ihr Bild verändert?

Lauterbach: Im Film heißt es: "Familie ist eine Wunde, die niemals heilt". Diesen Spruch habe ich mir zu eigen gemacht, denn ich halte ihn für sehr wahr. Es gibt tragische Beispiele für Familiengeschichten wie die der Kennedys. Und dann gibt es "mildere Verläufe", um das mal auf Neudeutsch zu sagen. Eines ist Familie nie: egal für das eigene Leben - denn man kann ihr nicht entkommen. Physisch vielleicht, psychisch jedoch nie.

teleschau: Sind Sie eher ein Familienmensch oder ein Flüchtiger?

Lauterbach: Familie ist ein ewiges Zusammenraufen. Eines mit vielen schönen Momenten, aber auch mit schmerzhaften. Das Bild auf meine eigene Familie hat sich im Lauf der Jahre wie der Blick auf mich selbst verändert. Ich bin sehr viel kritischer mit mir selbst als früher, als ich gerne mal gesagt habe: So bin ich einfach. Grundsätzlich habe ich mich immer um eine tolerante Haltung bemüht, aber ich bin auch - wie gesagt - kritischer mit anderen Menschen geworden.

ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie": Patriarch Henry Becker (Heiner Lauterbach) sieht seine Felle davonschwimmen. Sein Bauunternehmen ist in einen skandalösen, tragischen Unfall verwickelt - und in der eigenen Sippe stimmt es auch nicht mehr. (Bild: ZDF / Wolfgang Ennenbach)
ZDF-Zweiteiler "Mord in der Familie": Patriarch Henry Becker (Heiner Lauterbach) sieht seine Felle davonschwimmen. Sein Bauunternehmen ist in einen skandalösen, tragischen Unfall verwickelt - und in der eigenen Sippe stimmt es auch nicht mehr. (Bild: ZDF / Wolfgang Ennenbach)

"Ich äußere mich nicht über Moral"

teleschau: Können Sie das ein bisschen erklären?

Lauterbach: Meine Mutter sagte mir früher ab und zu: "Heiner, was ich an dir mag, ist deine tolerante Art. Dass du den Menschen um dich herum fast alles verzeihst." Es hat mir eigentlich gefallen, weil ich das damals gar nicht so gesehen habe. Aber ich mochte es, weil ich wusste, dass meiner Mutter diese Toleranz wichtig war. Ich habe das auch übernehmen und an meine eigenen Kinder weitergeben wollen. Mit dem Älterwerden hat die Toleranz jedoch etwas gelitten bei mir. Ich bin dünnhäutiger geworden, was den Umgang mit anderen Menschen betrifft. Ich bin aber auch dünnhäutiger mit mir selbst.

teleschau: Was stört Sie an sich selbst?

Lauterbach: Ganz unterschiedliche Dinge, aber ich setze mich damit auseinander. Ich versuche herauszufinden, was richtig und falsch ist. Früher hätte ich gesagt, dass ich ein wilder Hund bin und mein Verhalten eben so ist, wie es ist. Derlei Sprüche lehne ich heute ab. Und ich wäre auch nicht mehr so tolerant, dass ich alles akzeptieren würde, was in einer Familie passiert, nur damit die Familie weiter Bestand hat. Wenn mich Familienmitglieder komplett nerven, würde ich da auch Schlussstriche ziehen.

teleschau: Sind Sie moralischer als früher?

Lauterbach: Mit Moral hat das nur am Rande zu tun. Ich bin niemand, der ständig seinen Senf zu allem dazugeben muss. Sie werden noch nie erlebt haben, dass ich mich zu Dritten äußere. Wenn mich eine Boulevardzeitung anruft und ein Zitat zu Geschehnissen, die andere betreffen, haben wollen, sage ich immer nur einen Satz: "Kein Kommentar!" Selbst wenn es um Menschen geht, die in Ungnade gefallen sind, wie zum Beispiel Dieter Wedel - auch dazu möchte ich mich nicht äußern. Es gibt Millionen Deutsche, die sich als Hüter der Moral oder zumindest des guten Geschmacks sehen. Ich äußere mich nicht über Moral und urteile auch nicht öffentlich.

Unternehmer Henry Becker (Heiner Lauterbach, links) hätte gern seinen Sohn Thomas (Matthias Koeberlin) als starken Mann an der Spitze seiner Firma. Doch es gibt ein Problem: Thomas ist Alkoholiker - und dann ist da noch ein zweiter Sohn, der selbst gern Chef wäre.   (Bild: ZDF - Wolfgang Ennenbach)
Unternehmer Henry Becker (Heiner Lauterbach, links) hätte gern seinen Sohn Thomas (Matthias Koeberlin) als starken Mann an der Spitze seiner Firma. Doch es gibt ein Problem: Thomas ist Alkoholiker - und dann ist da noch ein zweiter Sohn, der selbst gern Chef wäre. (Bild: ZDF - Wolfgang Ennenbach)

"Es gibt für mich keine Alternative zum Impfen"

teleschau: Momentan sind wir ein sehr urteilendes Volk, wenn man nur an die Auseinandersetzungen übers Impfen und die Corona-Maßnahmen denkt. Äußern Sie sich auch hierzu nicht?

Lauterbach: Wenn ich gefragt werde, was ich vom Impfen halte, sage ich meine Meinung dazu. Ich bin selbst weder Arzt noch Virologe, aber ich habe ein recht gutes Netzwerk von Freunden und Bekannten, die sich sehr gut mit der Materie auskennen. Dazu gehören Leute wie Dr. Müller-Wohlfahrt, Professor Harald Lesch und ein paar sehr gute Ärzte, die ich kenne. Ich habe mir zehn solcher Leute ausgesucht und sie gefragt, ob sie zum Impfen raten. Die zehn hatten ganz unterschiedliche Meinungen, aber nicht zu impfen war für keinen von ihnen eine Option. Daraus habe ich meine Lehren gezogen und mich impfen lassen.

teleschau: Und Sie raten auch anderen dazu?

Lauterbach: Ich habe meinen Kindern das gesagt, was mir diese zehn Leute gesagt haben. Meine Kinder haben sich dann auch beide impfen lassen. Bei Entscheidungen, bei denen man nicht zu einhundert Prozent sicher sein kann, welche Konsequenzen sie haben, muss man einfach vernünftig abwägen. Wenn ich das tue, gibt es für mich keine Alternative zum Impfen.

Zuletzt war Heiner Lauterbach in der TVNOW (jetzt RTL+)-Miniserie "Unter Freunden stirbt man nicht" neben Adele Neuhauser und Iris Berben als Mitglied eines "Best Ager"-Freundeskreises in der Krise zu sehen. (Bild: TVNOW/ Frank Dicks)
Zuletzt war Heiner Lauterbach in der TVNOW (jetzt RTL+)-Miniserie "Unter Freunden stirbt man nicht" neben Adele Neuhauser und Iris Berben als Mitglied eines "Best Ager"-Freundeskreises in der Krise zu sehen. (Bild: TVNOW/ Frank Dicks)

"Es gibt Themen, da endet die Freiheit des Einzelnen"

teleschau: Impfen ist nicht nur eine persönliche Entscheidung, jeder Mensch trägt in der Pandemie auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Würde Sie diesen Satz unterschreiben?

Lauterbach: Ja, absolut. Es gibt Themen, da endet die Freiheit des Einzelnen. Wir tragen alle gesellschaftliche Verantwortung. Mit dem Impfen haben wir die Chance, uns als starke Gesellschaft zu zeigen und gemeinsam etwas Gutes zu erreichen.

teleschau: Sind Sie enttäuscht von der Politik, weil sie im Herbst das Infektionsgeschehen lange einfach laufen ließ?

Lauterbach: Da bin ich der Meinung: Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein. Es lässt sich vortrefflich über Politik und die Politiker schimpfen. Eine Wahl ist für mich oft die Wahl zwischen dem geringeren Übel. Aber es ist auch kein Zuckerschlecken, ein Volk von über 80 Millionen Menschen zu regieren, dabei alle unter einen Hut zu kriegen und immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Adenauer sagte: "Wir müssen mit den Menschen leben, die da sind. Es gibt keine anderen." So ist es auch mit den Politikern, leider.

Heiner Lauterbach und seine Frau Viktoria im Februar 2020 in der Bremer Talkshow "3 Nach 9". (Bild: 2020 Tristar Media/Tristar Media)
Heiner Lauterbach und seine Frau Viktoria im Februar 2020 in der Bremer Talkshow "3 Nach 9". (Bild: 2020 Tristar Media/Tristar Media)