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CSU-Chef Seehofer rettet sich nach Berlin

An seinem 60. Geburtstag dachte Horste Seehofer, er habe bereits den Höhepunkt seiner politischen Karriere erreicht: 2008 war der CSU-Politiker bereits Bayerns Ministerpräsident und Parteichef. „Ein neues Treppchen gibt's nicht mehr, das weiß ich ganz sicher“, sagte der heutige 68-Jährige. Jetzt gibt es also wahrscheinlich doch ein neues Treppchen.

Sollten die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen, wechselt Seehofer noch einmal an den Berliner Kabinettstisch von Kanzlerin Angela Merkel – und zwar als Minister für Innen, Bau und Heimat. Dabei war für seine Partei ursprünglich das Bundesfinanzministerium, erste Priorität gewesen, das nun die SPD erhält. Laut der FAZ sagte Seehofer, dass die CSU sich kompromissbereit gezeigt habe, weil die SPD ohne das Arbeits-, Finanz- und Außenministerium einem Koalitionsvertrag nicht zugestimmt hätte.

Die Benennung der Unions-Minister für die geplante schwarz-rote Koalition wird laut Seehofer zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. „Wir haben uns gestern verständigt, dass wir nur die Parteivorsitzenden benennen bei der Besetzung von Ressorts, aber alles Übrige nach dem Mitgliederentscheid der SPD machen“, sagte Seehofer am Donnerstag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. „Vieles von dem, was jetzt veröffentlicht ist, trifft nicht zu“, betonte der CSU-Chef und fügte noch hinzu: „Die Kanzlerin hat mir gestern nochmal in Berlin gesagt, die ganzen Kabinettslisten, die gestern schon rumgegeistert sind, treffen nicht zu.“

Jetzt schon klar ist allerdings, dass Seehofer versucht, so gut es geht seiner Rolle als hart durchgreifender Mann gerecht zu werden: „Der Teil der Zuwanderung, der Obergrenze, der Integration, der Steuerung, der Abschiebung, der wird in meinen Zuständigkeitsbereich kommen“, sagte er. „Das ist eigentlich ein glücklicher Umstand, wenn man das, was man vertritt, auch selber umsetzen kann.“

Als zuständiger Ressortchef kann er also darüber wachen, dass die Flüchtlingszahlen nicht mehr so rasant und hoch steigen wie im Herbst/Winter 2015 – auch wenn der Koalitionsvertrag das CSU-Lieblingswort „Obergrenze“ an keiner einzigen Stelle enthält. Zu der Ergänzung des Innenministeriums um den Bereich Heimat sagte der CSU-Politiker Ziel seien „gleichwertige Lebensverhältnisse überall“.

Das Bundesinnenministerium ist nach dem Posten des bayerischen Ministerpräsidenten schon noch einmal eine Art Krönung für Seehofer. Dabei kann der auch so schon auf eine beeindruckende Karriere verweisen: In seinen mehr als 45 Jahren in der Politik hat er viele Schlachten geschlagen. Oft war es Seehofer, der seine Gegner in die Ecke trieb und Positionen durchboxte. 28 Jahre im Bundestag, zwölf Jahre als Staatssekretär und Bundesminister, seit 2008 als Partei- und Regierungschef. Auch für die CSU eine ungewöhnliche Ämterfülle.

Das Jahr 2017 lief für ihn anfangs weniger rund: Im Frühjahr des vergangenen Jahres dachte Seehofer sogar ans Aufhören. Dann wurde er zum Weitermachen überredet – auch wenn es dazu vielleicht gar keines allzu großen Aufwands bedurfte. Nach dem Bundestagswahl-Fiasko aber wuchs quasi täglich der Druck auf ihn, eines seiner Spitzenämter – Ministerpräsident oder CSU-Chef – zu räumen. Das Ende ist bekannt: Seehofer stimmte einer Ämtertrennung mit seinem ärgsten Rivalen Markus Söder zu, der in Kürze bayerischer Regierungschef werden soll – und holte sich so die Zustimmung für zwei weitere Jahre CSU-Vorsitz.

Parteifreunde werfen Seehofer einen bisweilen autokratischen Regierungsstil vor. Für die CSU scheint er aber auch genau deshalb derzeit nicht verzichtbar: Seine bundespolitische Wirkungskraft wird gerne mit der von Franz Josef Strauß verglichen. Diesen Trumpf soll er nun am Kabinettstisch Merkels möglichst oft ausspielen – zumal er ja noch in Personalunion CSU-Vorsitzender bleibt.