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Hitzewellen, Stürme, Starkregen: Wie gut ist die Bahn auf Extremwetter vorbereitet?

Vor einem Jahr hat die Deutsche Bahn ihre Klima-Resilienz-Strategie vorgestellt. Was seit damals daraus geworden ist.

Immer wieder kommt es bei der Bahn zu Zugausfällen und Verspätungen. - Copyright: picture alliance/dpa | Horst Galuschka
Immer wieder kommt es bei der Bahn zu Zugausfällen und Verspätungen. - Copyright: picture alliance/dpa | Horst Galuschka

Die Deutsche Bahn (DB) ist der Hoffnungsträger der Klimapolitik: Um den CO₂-Ausstoß des gesamten Verkehrs zu reduzieren, sollen in den nächsten Jahren immer mehr Personen und Güter von der Straße auf die Schiene. Die zahlreichen Zugausfälle und Verspätungen der vergangenen Monate haben allerdings sehr deutlich gezeigt, dass die Bahn noch nicht darauf ausgelegt ist, ihre Kunden zuverlässig ans Ziel zu bringen.

Einer der Herausforderungen: der Klimawandel und die daraus resultierenden Extremwetterereignisse, also umstürzende Bäume oder Überschwemmungen, die in ganzen Regionen den Bahnverkehr lahm legen. Um das zu bewältigen, hat die DB vergangenen Sommer eine sogenannte "Klima-Resilienz-Strategie" vorgestellt. Ziel sei es, das Schienennetz sowie Bahnhöfe und Technik robuster und wetterfester zu machen. Heute, ein Jahr später, sieht man jedoch: Viel weiter ist der Staatskonzern nicht.

Die Bahn muss sich auf Hitzewellen, Stürme und Starkregen vorbereiten

Grundlage für die Strategie sind die Ergebnisse einer Untersuchung des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Darin wurden die klimatischen Veränderungen bis heute untersucht und Prognosen bis 2060 aufgestellt. Das Ergebnis: vermehrte Wetterextreme wie Starkregen, Stürme und deutlich mehr Hitzetage. In bestimmten Regionen wird sich zum Beispiel die Zahl extrem heißer Tage nach den Prognosen des PIK bis 2060 fast verdoppeln. Etwa in Karlsruhe, Cottbus, Berlin oder Leipzig.

Zudem muss die Bahn in Zukunft mit mehr Sturmtagen rechnen. In Schwerin und Magdeburg werden wird es laut Prognose fast doppelt so viele geben wie aktuell.

Ein Jahr später: Was ist aus der Strategie geworden?

Ein wesentlicher Bestandteil der Strategie ist das sogenannte "Vegetationsmanagement". Das heißt: Bäume und Sträucher werden entlang der Schienen zurückgeschnitten, damit sie keine Gefahr für den Verkehr darstellen. Die Pflege von Bäumen habe die Bahn seit vergangenem Jahr "deutlich erweitert".

"Die forstlichen Maßnahmen sind damit der zentrale Hebel bei der Risikoreduktion von Stürmen", sagte eine DB-Sprecherin auf Anfrage von Business Insider. In Reaktion auf den Sturm Tristan im Fe­bruar 2021 seien zudem "zusätzliche Verbesserungs­potenziale bei winterlichen Extremereignissen identifiziert" worden.

Um zu verhindern, dass Züge aufgrund extremer Hitze ausfallen, versucht die Bahn laut einer Sprecherin mit verschiedenen technischen und „sensibilisierenden“ Maßnahmen die Gleisanlagen bei Hitze robuster zu machen. Getestet würden Techniken, um hitzesensible Bauteile, wie etwa Schienen, zu kühlen. Konkret seien "Tausende" Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik mit Klimaanlagen ausgerüstet worden. Auch im Innern der Züge stelle sich die DB auf Extremtemperaturen ein. So seien die Klimaanlagen des ICE 4 auf Temperaturen bis 45 Grad eingestellt.

Damit die 5500 Gesteinsböschungen und Hangabschnitte für die Bahn keine Gefahr darstellen, werden sie nach Angaben der DB von über 1000 Netzen und Zäunen gesichert. Darüber hinaus hat die DB an 49.000 der insgesamt 70.000 Weichen Heizungen angebracht, um zu verhindern, dass sie bei Eis und Schnee einfrieren.

Und was unternimmt die Bahn, um ihr Schienennetz zu erweitern und sich damit auf mehr Zugreisende einzustellen? Darauf gibt die Strategie keine Antworten.

Wie viel kosten die Maßnahmen?

Im Schnitt habe die Bahn seit 2018 rund 125 Millionen Euro jährlich in die Pflege des Baumbestandes investiert. In den kommenden fünf Jahren sollen weitere 625 Millionen Euro in das Vegetationsmanagement fließen. Die jährliche Wartung der Klimaanlagen in Zügen koste einen zweistelligen Millionenbetrag. Darüber, wie viel Geld in die anderen Maßnahmen gesteckt wird, machte die DB auf Anfrage von Business Insider keine Angaben.

Bundesregierung: "Die Strategie wird weiter erarbeitet"

Offenbar sind die Maßnahmen aus der Strategie aber bisher auch noch nicht abschließend festgelegt. Das geht aus der Antwort einer Kleinen Anfrage des CDU-Politikers Felix Schreiner hervor, die Business Insider exklusiv vorliegt. Darin heißt es, die Strategie werde "weiterhin erarbeitet". Welche Maßnahmen eventuell noch angepasst werden müssten, hat das Verkehrsministerium auf unsere Nachfrage nicht beantwortet. Stattdessen hieß es, dass Klima-Anpassungs-Maßnahmen immer wieder neu beurteilt werden müssten.

CDU-Politiker Schreiner kritisiert, dass die Maßnahmen der Bundesregierung nicht ausreichten. Zwar sei es richtig, auf regionale Wetterphänomene zu reagieren, es müsse aber mehr getan werden, um insgesamt den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Verkehrswissenschaftler: "Mehr Vorsorge, statt Nachsorge"

Auch Heiner Monheim, Verkehrswissenschaftler an der Universität Trier, findet die Strategie unzureichend. "Es geht zum Beispiel um die Abwehr von Baumschäden oder Hitzeschäden. Das ist aber zu wenig für die klimapolitischen Herausforderungen an die Bahn", sagte er im Gespräch mit Business Insider. Es sei zwar richtig, dass es diese Maßnahmen gebe. Allerdings müsse viel größer gedacht werden, um auch dem Ziel gerecht zu werden, langfristig das Streckennetz so auszubauen, dass tatsächlich mehr Menschen mit dem Zug und nicht mit dem Auto fahren.

"Eine Klimabahn muss einen maximalen Beitrag zur Verringerung des Straßenverkehrs im Personen- und Güterverkehr leisten", sagte er. Die aktuelle Bahnpolitik dagegen beschränke sich weiter auf einzelne Punkte, vernachlässige viele Regionen und belasse ungefähr ein Drittel des Netzes in seinem "Uraltzustand mit vielen Langsamfahrstrecken und veralteter Stellwerkstechnik".

Deswegen müsse viel mehr in Strecken und Weichen investiert werden. Auch, damit ein liegengebliebener Zug einfacher umfahren werden könne.

Anstatt neue Strecken auszubauen, sind laut Monheim aber über 30.000 Kilometer Strecke stillgelegt und etwa 50 Prozent aller Weichen entfernt worden. "In der Schweiz kommen auf je zehn Kilometer Bahnstrecke viermal mehr Weichen als in Deutschland", erklärte er Business Insider.

Außerdem bräuchte es eine viel bessere Krisenausstattung in den Zügen. Viele Bahnausbesserungswerke und Reparaturstellen seien abgebaut worden. Daher dauerten Einsätze durch Sicherheitspersonal hierzulande viel länger, bis Wartungspersonal vor Ort sei. Auch die Züge müssten besser ausgestattet werden: zum Beispiel mit Motorsägen, Brechstangen oder Hebewerkzeug, um schnelle Selbsthilfe zu leisten.

Da die Klima-Resilienz-Strategie weiterhin erarbeitet wird, bleibt ohnehin offen, um welche Maßnahmen die Strategie noch ergänzt wird oder nicht. Fest steht allerdings, dass die Bahn angesichts der Folgen des Klimawandels vor einer großen Aufgabe steht, für die es viel Geld und Personal braucht.

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