Hiesinger verschärft den Sparkurs

Die Kosten zu senken und die Effizienz zu erhöhen, gehören seit dem Amtsantritt von Vorstandschef Heinrich Hiesinger vor gut sechs Jahren zum gelebten Alltag beim Essener Industriekonzern Thyssen-Krupp. So hat das Traditionsunternehmen in den vergangenen Jahren die Kosten zwischen 800 und rund einer Milliarde Euro im Jahr gesenkt. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um den Konzern überhaupt handlungsfähig zu halten. Schließlich hatten Hiesingers Vorgänger bei missglückten Investitionen in zwei Stahlwerken in den USA und Brasilien rund acht Milliarden Euro verbrannt.

Geld, das dem Konzern an allen Ecken und Enden fehlt. Ohne die Sparrunden – so Hiesingers Credo – könne der Konzern nicht ausreichend in die Zukunft investieren, nicht die gewaltigen Pensionslasten schultern, geschweige denn eine Dividende bezahlen. Jüngst hatte er der Anlagensparte „Industrial Solutions“ ein neues Kürzungsprogramm in Höhe von 250 Millionen Euro verordnet. Bestandteil ist auch ein Stellenabbau.

Wie viele Jobs tatsächlich im gesamten Konzern gestrichen werden sollen, hat Thyssen-Krupp nun am heutigen Dienstag bekanntgegeben – zumindest was die Verwaltung betrifft. Über alle Sparten hinweg sollen bis Ende des Geschäftsjahres 2019/20 bis zu 2.500 der rund 18.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, die Hälfte davon in Deutschland. Dabei handelt es sich um kein zusätzliches Sparprogramm, versicherte eine Sprecherin. „Es ist Teil der bereits beschlossenen Maßnahmen.“

Nachdem der Konzern in den vergangenen Monaten seine Verwaltungskosten überprüft und auch mit denen externer Wettbewerber verglichen habe, „sind wir davon überzeugt, dass unsere Verwaltungskosten von 2,4 Milliarden Euro aktuell deutlich zu hoch sind“, sagte die Sprecherin. Das Ziel: Thyssen-Krupp will Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro senken – auch über einen Stellenabbau. „Das wird uns helfen, unsere Ebit-Ziele zu erreichen“, hieß es.

Thyssen-Krupp steht finanziell alles andere als solide da. Wegen der in der ersten Jahreshälfte vorgenommenen Abschreibungen auf die mittlerweile verkaufte Stahlhütte in Brasilien von rund 900 Millionen Euro hat der Konzern bereits angekündigt, das am 30. September endende Geschäftsjahr mit roten Zahlen abzuschließen.

Das Eigenkapital beträgt derzeit nur noch magere 2,3 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote von 6,5 Prozent ist eine der schwächsten aller Dax-Konzerne. Hiesinger kommt gar nicht darum herum, seinen Sparkurs weiter zu verschärfen. Zuletzt erwirtschafteten nur zwei von fünf Sparten ihre Kapitalkosten. Diese Kostenstrukturen zu verbessern, ist vorrangiges Ziel des Managements. Die bislang aufgelegten Sparprogramme hätten nicht ausgereicht, um für einen nachhaltig positiven Mittelzufluss aus den laufenden Geschäften zu sorgen, hieß es im Konzern.


Auch in der Stahlsparte droht ein Jobabbau

Das Ausmaß der jetzt beschlossenen Maßnahmen für die jeweiligen Sparten rund das Industriegeschäft wie Aufzüge, Anlagenbau, Autokomponenten sowie die Stahlproduktion und der Wertstoffhandel werde derzeit noch konkretisiert, sagte die Sprecherin weiter. So fürchten die Stahlarbeiter den Verlust von bis zu 4.000 Stellen als Konsequenz eines neu aufgelegten Sparprogramms, das die Kosten allein in der Sparte um weitere 500 Millionen Euro senken soll. Der Konzern hat diese Befürchtungen als übertrieben zurückgewiesen.

Klar ist aber auch, dass gerade die Stahlsparte an einem größeren Jobabbau nicht herumkommt. Noch in diesem Sommer soll eine Entscheidung über die Zukunft der Sparte erfolgen. Als wahrscheinlichste Lösung gilt nach wie vor ein Zusammenschluss mit dem britischen Konkurrenten Tata Steel Europa.

Sollte die Stahltochter tatsächlich aus dem Konzern herausgelöst werden und aus der Bilanz verschwinden, würde der Konzern rund ein Viertel seines Umsatzes verlieren. Beobachter haben für diesen Fall schon Befürchtungen geäußert, dass das nicht ohne Folgen auch für die groß dimensionierte Konzernzentrale am Rande der Essener Innenstadt bleiben werde.

KONTEXT

ESF Elbestahlwerke Feralpi

Der Stahlproduzent aus dem sächsischen Riesa wurde 1992 gegründet und produziert unter anderem Stranggussknüppel, Betonstabstahl und Walzdraht. 2016 produzierte Feralpi eine Million Tonnen Stahl.

Quelle: Wirtschaftsvereinigung Stahl

Lech Stahlwerke

1970 wurde das Stahlwerk im bayrischen Meitingen gegründet. Das Unternehmen hat sich auf Betonstahl spezialisiert. Lech produzierte 2016 1,2 Millionen Tonnen Stahl.

Georgsmarienhütte

1,3 Millionen Tonnen Stahl produzierte das Stahlwerk 2016. Georgsmarienhütte wurde 1856 in der gleichnamigen Stadt in Osnabrück gegründet. Das Unternehmen produziert Stabstahl, Halbzeug und Blankstahl.

Riva

Der italienische Stahlkonzern hat mehrere Werke in Deutschland. 1954 wurde das Unternehmen von den Brüdern Emilio und Adriano Riva in Mailand gegründet. 2016 produzierte Riva in Deutschland 1,8 Millionen Tonnen Stahl.

Dillinger Hütte

Das Hüttenwerk (Anlage zur Erzeug von Stahl und Eisen aus Erzen) mit Sitz im saarländischen Dillingen produzierte 2016 2,2 Millionen Tonnen Stahl. Das Unternehmen wurde bereits 1685 gegründet.

Badische Stahlwerke

Der Stahlhersteller wurde 1955 im baden-württembergischen Kehl gegründet und produziert hauptsächlich für die Bauindustrie. 2016 konnte das Unternehmen 2,4 Millionen Tonnen Stahl produzieren.

Saarstahl

1989 wurde der Stahlproduzent im saarländischen Völklingen gegründet. 2016 produzierte er 2,5 Millionen Tonnen Stahl.

Salzgitter

Die Wurzeln der 1998 im niedersächsischen Salzgitter gegründeten Salzgitter AG gehen ins Jahr 1858 zurück. Rund sieben Millionen Tonnen Stahl produzierte das Unternehmen 2016.

Arcelor-Mittal

Der Konzern ging 2007 aus der Fusion der niederländischen Mittal und Arcelor aus Luxemburg hervor. Der Konzern hat mehrere Standorte in Deutschland und produzierte 2016 hierzulande 7,8 Millionen Tonnen Stahl.

Thyssen-Krupp

1999 wurden die Ruhrgebietskonzerne Krupp-Hoesch und Thyssen zusammengelegt. Deutschlandweit ist das Unternehmen mit Sitz in Essen der größte Stahlproduzent. Allein 2016 fertigte er 12,1 Millionen Tonnen Stahl.