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HBL-Check: Das ist Kiels Achillesferse

HBL-Check: Das ist Kiels Achillesferse

Die anstehende Saison der Handball-Bundesliga (alle Spiele im LIVETICKER) dürfte in vielerlei Hinsicht bemerkenswert werden. Die Corona-Pandemie hat die Rahmenbedingungen vollkommen verändert.

Die Zuschauerzahlen werden stärker variieren als ohnehin schon. Vielen Vereinen waren finanziell die Hände gebunden, was die sportliche Schere noch weiter aufgehen lassen dürfte.

Und durch den Abbruch der Spielzeit 2019/20 gab es zwar zwei Auf-, aber keinen Absteiger. Das Pensum der Spieler und damit die starke Belastung, die sich im Handball als Dauer-Streitthema etabliert hat, steigt noch einmal an.

Handball-Bundesliga legt wieder los

Doch trotz der schwierigen Voraussetzungen sind alle Beteiligten froh, dass überhaupt wieder gespielt wird. Von nun an soll – auch wenn es bisweilen schwerfallen dürfte – der Fokus aufs Sportliche gerichtet werden.

Wie gestaltet sich diesbezüglich die Ausgangslage? Wer spielt um den Titel mit? Wer kämpft um das internationale Geschäft und für wen geht es nur um den Klassenerhalt?

SPORT1 macht mit Ex-Nationalspieler und Handball-Experte Daniel Stephan den großen Check zum HBL-Start.

Titelkampf mit Kiel, Flensburg und Löwen

Die Meisterschaft wird diese Saison erneut nur über den THW Kiel gehen. Mit Superstar Sander Sagosen ist den Zebras ein Transfer-Coup gelungen. "Das ist ein toller Spieler, der nicht nur Shooter-Qualitäten hat, sondern auch seine Mitspieler einsetzen kann und mit dem Kreisläufer gut harmoniert. Das ist ein kompletter Spieler. Da freut sich die gesamte Bundesliga", betont Stephan bei SPORT1. Bis auf Lukas Nilsson hat der THW keinen prominenten Abgang zu verzeichnen.

Aber: "Wenn sich noch einer aus dem Rückraum verletzt, könnten sie wirklich Probleme bekommen", spielt der Welthandballer von 1998 auf den Kreuzbandriss von Nikola Bilyk an und ergänzt: "Das ist die große Achillesferse beim THW Kiel." Zumal der Topfavorit mit dem Final Four in der Champions League Ende Dezember einer noch größeren Belastung ausgesetzt ist als andere Klubs. (Spielplan und Ergebnisse der Handball Champions League)

Nach dem THW ist in Sachen Titelvergabe die SG Flensburg-Handewitt zu nennen. Doch die Lücken, die Holger Glandorf, Anders Zachariassen und Michal Jurecki hinterlassen haben, müssen erstmal gefüllt werden. "Mit Mads Mensah Larsen haben sie einen bekommen, der die Bundesliga kennt. Franz Semper ist einer für die Zukunft, der sich dort zu einem Spitzenspieler entwickeln kann", schätzt Stephan die Neuzugänge ein. Er sieht den Kieler Kader qualitativ etwas besser besetzt als den der SG, "aber wenn sie einen Lauf haben, können sie Kiel auch gefährden."

Ein Wörtchen um den Titel mitreden könnten auch die Rhein-Neckar Löwen um Kapitän und Aushängeschild Uwe Gensheimer. "Die Löwen haben wirklich einen Push bekommen, als Martin Schwalb Trainer wurde. Ich glaube, diese Auffrischung brauchten sie auch. Mit seinem Elan, seiner Euphorie und seinem taktischen Verständnis hat er die Löwen auch schon in der letzten Spielzeit nach vorne gebracht. Jetzt hat er eine Vorbereitung gehabt und ich denke schon, dass sie nochmal nach vorne kommen", bringt es der ehemalige Rückraumspieler auf den Punkt.

Prominenteste Neuzugänge sind Lukas Nilsson und Rafael Baena, der bis Ende des Jahres ausgeliehen ist. Gefährlichste Waffe ist die Achse Andy Schmid/Jannik Kohlbacher.

Spannendes Rennen um internationales Geschäft

Hinter dem Spitzentrio dürfte es eng zugehen. Auf den folgenden Rängen sind Mannschaften zu erwarten, die immer für eine Überraschung gut sind und teilweise sogar Ambitionen nach noch weiter oben haben. Doch Stephan zieht einen klaren Strich.

"Es kann sicherlich einer von den Verfolgern schaffen, unter die ersten Drei zu kommen, aber das wäre schon eine kleine Überraschung", erklärt der 47-Jährige.

Den SC Magdeburg, Dritter der Abbruchsaison, könnten die fehlenden Zuschauer härter treffen als andere Teams. "Die Fans von Magdeburg stehen normalerweise wie eine Wand hinter der Mannschaft. Da bleibt abzuwarten, ob man diese Heimstärke auch in dieser Saison haben kann", gibt Stephan zu bedenken. Der Kader des Meisters von 2001 ist größtenteils unverändert und "homogen".

Bei den Füchsen Berlin, wo Stefan Kretzschmar als Sportvorstand eingestiegen ist, sind alle Augen auf eine Person gerichtet. "Es wird wichtig sein, dass sie am Anfang sofort Erfolge einfahren, denn es ist schon ein kleines Risiko, dass sie mit Jaron Siewert einen sehr jungen Trainer haben. Er hat zwar bei TUSEM Essen schon gute Leistung gezeigt, aber er ist halt erst 26", hält Stephan fest. Bleiben die Erfolge aus, befürchtet der Ex-Profi Grüppchenbildung und fehlende Akzeptanz unter den Spielern.

Auch der MT Melsungen traut Stephan den Sprung unter die ersten Drei nicht zu. "Melsungen will wie immer nach oben und hat mit dem Isländer Gudmundur Gudmundsson einen neuen Trainer, der internationales Renommee genießt", konstatiert der frühere Lemgo-Star, fügt aber hinzu: "Es wurde immer viel Geld investiert. Es ist insgesamt eine sehr teure Mannschaft. Sie haben es aber irgendwie nie nach ganz oben geschafft. Ich glaube, dass das wieder nichts wird, weil sie einfach ein bisschen zu inkonstant in ihrer Leistung sind."

HBL-Abstiegskampf - vier aus fünf?

Da die Ligagröße zur Saison 2021/22 wieder reduziert wird, gibt es einen Absteiger mehr als sonst. Am Ende müssen vier Teams den Gang in die 2. Bundesliga antreten. Für wen wird es eng? (Tabelle der Handball-Bundesliga)

"Es wird für Nordhorn, Coburg, Essen, Ludwigshafen und Balingen sehr schwierig, die Klasse zu halten. Die Aufsteiger haben es traditionell sehr schwer. Es wäre eine Überraschung, wenn sie die Liga halten würden", nennt Stephan seine Kandidaten.