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"Wir haben auf dem Vulkan getanzt": Von kreativen Freigeistern im Arbeiter-und-Bauern-Staat

Heinz Melkus baute schnittige Sportwagen - und das in der DDR. Er gehörte zu den Menschen, die auch jenseits der Mauer ihre Träume nicht aufgaben.  (Bild: ZDF / Heinz Melkus)
Heinz Melkus baute schnittige Sportwagen - und das in der DDR. Er gehörte zu den Menschen, die auch jenseits der Mauer ihre Träume nicht aufgaben. (Bild: ZDF / Heinz Melkus)

Das sozialistische Leben der DDR gilt als Feind der Kreativität, doch "ZDF-History" erzählt nun eine ganz andere Geschichte: Sie handelt von den Traumtänzern der Planwirtschaft, die sich jenseits der Mauer ihre eigenen Welten schufen - alles mehr oder weniger unter dem wachsamen Auge der Staatssicherheit.

Die DDR steht heutzutage für viele Dinge, doch "kreatives Schaffen" gehört eigentlich nicht dazu. Im Land der Planwirtschaft folgte alles einem strikten Muster, ausgefallene Hobbys, das Ausleben exklusiver Lebensideen hatten eher keinen Platz in der von Planwirtschaft geprägten Gesellschaft. Doch da sollte man sich nicht täuschen lassen: Es gab auch im Osten Menschen, die sich nicht in das strikte Muster des sozialistischen Systems zwängen ließen. Jedenfalls hat das ZDF einige solcher exotisch wirkenden Geschichte aus der DDR-Historie ausgegraben. Die Mainzer widmen ihnen die Dokumentation "Phantastischer Osten - Traumwelten in der DDR", die als Teil der beliebten "ZDF-History"-Reihe am Sonntag, 23. Januar, um 23.45 Uhr, zu sehen ist. Der Beitrag macht deutlich, dass sich die Fantasie des Menschen auch von Stacheldraht und Betonmauern nicht aufhalten lässt - auch hinter einer Mauer wachsen skurrile Ideen.

Mode aus Duschvorhängen und Rennwagen unter Trabis

Sabine von Oettingen gehörte damals zu den Frauen, für die Mode mehr war als nur "Versorgung mit Gebrauchsgütern", und sie hatte eine kreative Idee: Sie verkaufte handgefertigte Kleider an den FKK-Stränden um Berlin an die modisch ausgehungerte Bevölkerung. Die Staatssicherheit schaute dabei nur zu ... - bis Oettingen eine Modenschau auf die Beine stellen wollte. Obwohl viele der Kleider nur aus landwirtschaftlichen Erdbeerfolien und Duschvorhängen bestanden, lag hier ein Duft von Haute Couture in der Berliner Luft.

Heinz Melkus entdeckt bei einem Rennsportevent seine Liebe für schnelle Autos und schafft es, einen eigenen Sportwagen mit Straßenzulassung unter die Trabis des Ostens zu bringen. Immerhin satte 170 Kilometer in der Stunde schaffte sein "Melkus RS 1000", von denen er eigenhändig rund 100 Stück bauen konnte.

Kreative Flucht aus dem Alltagstrott: Exotische Küche, Clubs und Schiffsreisen

Andere Eskapisten gingen noch weiter: Koch Robert Anschütz träumte vom Fernen Osten und eröffnet das erste japanische Restaurant in der sonst gutbürgerlich kochenden DDR - inklusive rituellem Badehaus und einer Tochter, die als Geisha verkleidet Tee serviert. Vertreter der "Indianistik" versammelten sich, um gemeinsam der Lebensweise der nordamerikanischen Ureinwohner nachzueifern. Helmut Felber, selbst Gründer einer Indianistik-Gruppe, erinnert sich gern an die "Indian Week" zum Ende der Sommerferien. "Das war für mich das Allerwichtigste im ganzen Jahr", schwärmt er. Eine ganze Woche lang entflohen die kostümierten Traumtänzer dem Alltag der DDR - immer unter den Augen der Stasi.

Kristian Wegscheider aus Dresden zog die Fantasie auf das Wasser; Er mietete sich in den 1980-ern mehrfach große Elbdampfer, lud hunderte Menschen zu rauschenden Festen ein. Auf seiner letzten Dampfschifffahrt sang die kostümierte Gästeschar lauthals: "Nein, nicht rot, rot steht mir nicht - bitte lila, bitte lila." Die Spitze gegen das sozialistische Regime schwang da mit: "Wir haben einfach auf einem Vulkan getanzt", erinnert er sich im Film.

Das limitierende Leben in der DDR setzte den Bürgern oft zu, doch mithilfe von Witz und eigener Fantasie schuf sich so machner einen höchst exkusiven Freirarum - so entstanden private Terrains, die ihnen nicht einmal die Regierung nehmen konnte. Allen Repressionen zum Trotz, so erzählt es jedenfalls dieser Film, regierten diese Menschen in einem totalitären System ihre eigenen, exotischen und teils skurrilen Traumwelten - und das mit teils nachhaltigem Erfolg. Noch heute arbeitet von Oettingen als Modedesignerin, die Söhne von Heinz Melkus haben ihre Liebe zu Autos nie verloren. Kreativität - die gab es eindeutig auch in der sonst so grauen DDR.