Werbung

Haarsträubende Patzer kosten Sieg - aber Löw sieht Fortschritte

Haarsträubende Patzer kosten Sieg - aber Löw sieht Fortschritte
Sport1

Fatale Abwehrfehler und zauberhafte Tore - nach einer Achterbahnfahrt steigt bei der deutschen Nationalmannschaft der Druck auf Bundestrainer Joachim Löw. Mit der von Kritiker Bastian Schweinsteiger geforderten Viererkette und verändertem Offensivpersonal erreichte die DFB-Elf in der Nations League gegen die Schweiz nur ein 3:3 (1:2). Da Spanien zeitgleich überraschend mit 0:1 (0:0) in der Ukraine verlor, hätte das DFB-Team mit einem Sieg die Tabellenführung übernommen.

"Wir sind nach vielen Rückschlägen immer zurückgekommen, haben eine gute Moral bewiesen", sagte Torschütze Kai Havertz in der ARD: "Wir befinden uns noch immer in einem Prozess, haben eine junge Mannschaft. Wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen."

Löw wollte durch die Abkehr von der Dreierkette mehr offensive Dynamik erzeugen. Allerdings war die Abwehr klar die Schwachstelle: Sie patzte beim Geisterspiel in Köln bei allen drei Gegentoren.

Vor dem 0:1 durch den ehemaligen Schalker Mario Gavranovic (5.) missglückte die Abseitsfalle. Beim 0:2 durch Remo Freuler (26.) war die Verteidigung nach einem schlimmen Ballverlust des Jubilars Toni Kroos in dessen 100. Länderspiel entblößt. Timo Werner (28.) und Kai Havertz (55.) brachten die deutsche Mannschaft zurück, aber postwendend führte ein erneuter Abwehrfehler zum 2:3 durch Gavranovic (57.). Serge Gnabry traf mit der Hacke zum Endstand (60.). (Ergebnisse und Spielplan der Nations League)

Kimmich und Löw sehen Fortschritte

Trotzdem sah Löw Fortschritte im Vergleich zum Ukraine-Spiel am Samstag (2:1): "Es war wahnsinnig intensiv. Beide Mannschaften haben viel riskiert und viele Fehler gemacht. Nach dem Rückstand hat man eine sehr gute Moral gesehen, das war positiv", erklärte der Bundestrainer.

"Nach hinten haben wir den ein oder anderen Fehler gemacht. Wir wollten überall auf dem Platz eins-gegen-eins spielen, das war ein Risiko. Wir müssen die Fehler hinten beheben, beide Mannschaften waren hinten offen. Wir haben gefightet, der Wille hat mir gefallen. Aus solchen Rückschlägen kann man stark hervorgehen."

Auch Joshua Kimmich, der sein 50. Länderspiel absolvierte, war nicht unzufrieden mit der Leistung: "Wir wollten dynamischer spielen und unsere PS auf die Straße bringen. Wir müssen hier und da besser verteidigen. Es war aber insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung."

Kroos schlug in die gleiche Kerbe: "Wir haben beim ersten und dritten Tor sehr mitgeholfen. In der ersten Viertelstunde haben wir nicht gut angefangen, danach haben wir ein gutes Spiel gemacht. Fußballerisch haben wir uns im Vergleich zum letzten Spiel gesteigert."

Süle nur auf der Bank

Für Löw war das Spiel die neuerliche Gelegenheit, seinen Kritikern nicht nur verbal zu begegnen. Schweinsteiger, Lothar Matthäus, Berti Vogts - drei Weltmeistergenerationen hatten an Taktik, Personal und Auftreten herumgemäkelt.

Löw zuckte zunächst mit den Achseln: "Wir haben einen Plan, und den ziehen wir durch." Allerdings wechselte er, was doch sehr für ein offenes Ohr sprach, seine Abwehrformation. Robin Gosens hinten links, der 100-Millionen-Euro-Mann Havertz in einer variablen Dreier-Offensivreihe und dessen Chelsea-Kollege Werner in der Spitze kamen neu ins Team.

"Wir wollen hinten schnell rausspielen und viel mehr Geschwindigkeit auslösen", sagte Löw. Julian Draxler, Niklas Süle und Marcel Halstenberg blieben außen vor.

Jubilar Kroos patzt vor dem 0:2

Kroos trug ein Sondertrikot mit der goldenen "100", er war einem Tor nahe (45.), Werner hätte mehr aus seinem Steilpass machen können (26.). Im Fokus stand aber schnell der Torhüter: Manuel Neuer musste in höchster Not gegen Xherdan Shaqiri retten (4.), nach dem folgenden Eckball stand Gavranovic alleine da. Sein Kopfball-Lupfer fiel hinter Neuer ins Tor.

Dann schoss der Bayern-Torwart Haris Seferovic an, was beinahe zum 0:2 geführt hätte (15.): Mit der Konzentration war es ganz offensichtlich nicht weit her. Offensiv rochierten Havertz, Gnabry und Goretzka, das Mittelfeld wurde schnell überbrückt, doch die Räume am Strafraum waren mit wenigen Ausnahmen (Gosens, 35.) extrem eng. Die vielen, vielen Flanken und Chip-Bälle, zumeist von rechts, brachten wenig Ertrag.

Ganz anders die Schweiz, die nach einem Konter erneut gnadenlos zuschlug. Kroos hatte sich im Mittelfeld einen Fehlpass geleistet. Werner brachte die DFB-Elf immerhin nach Balleroberung von Havertz blitzschnell zurück, dennoch war Löw an der Außenlinie absolut unzufrieden.

Deutschland drückt vergeblich auf Sieg

Seine Mannschaft kam druckvoll und konsequenter aus der Pause. Werner und Havertz, der vor seinem Tor den Pfosten traf (49.), strahlten mehr Gefahr aus.

Die Schweizer, ein "Team Bundesliga 2", sahen sich in ihre Hälfte gedrängt und befreiten sich nur noch sporadisch - dann aber brandgefährlich, wie beim 2:3, bei dem Kimmich den Ball nicht aus dem Strafraum geschlagen bekam. Gavranovic traf mit einem wuchtigen Schuss, Neuer war ohne Reaktionsmöglichkeit.

Das Spiel war nun eine einzige Berg- und Talfahrt. Nach dem 3:3 drückte die deutsche Mannschaft energisch auf die Führung, der eingewechselte Draxler (81.) verzog knapp. Fabian Schär sah in der Nachspielzeit noch Gelb-Rot.

-----

mit Sport-Informations-Dienst (SID)