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Der große Zapfenstreich für die Kanzlerin: So emotional und bescheiden war Merkels offizielle Verabschiedung

Angela Merkel bei ihrem Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung nach 16 Jahren im Amt als Bundeskanzlerin. Neben ihr steht die geschäftsführende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Angela Merkel bei ihrem Großen Zapfenstreich zur Verabschiedung nach 16 Jahren im Amt als Bundeskanzlerin. Neben ihr steht die geschäftsführende Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Angela Merkel hat leicht feuchte Augen, als das Stabsmusikkorps der Bundeswehr schmissig "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen spielt. Die Mundwinkel zucken ein wenig, ganz leicht bewegt die Kanzlerin manchmal den Kopf im Takt des DDR-Erfolgshits der Punk-Ikone hin und her. Als die Kapelle danach Hildegard Knefs "Für mich soll's rote Rosen regnen" intoniert, sieht es dann doch schon deutlich nach Rührung und etwas Abschiedsschmerz aus beim Großen Zapfenstreich, den die Bundeswehr im Hof des Bendlerblocks in Berlin, für die nach 16 Jahren aus dem Amt scheidende Kanzlerin ausrichtet.

Merkel sitzt während der Zeremonie in schwarzem Mantel, mit schwarzen Handschuhen auf einem roten Podest, links von ihr Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, auf der Rechten Generalinspekteur Eberhard Zorn, der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. Es ist die höchste Würdigung, die die Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können. Neben Kanzlerinnen und Bundeskanzlern werden so auch Bundespräsidenten und Verteidigungsminister zur Verabschiedung geehrt. Die Ursprünge der Zeremonie gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Die scheidende Kanzlerin hat sich drei Musikstücke gewünscht – das ist so Tradition. Neben den Songs von Nina Hagen und Hildegard Knef wählte die Pfarrerstochter Merkel das ökumenische Kirchenlied "Großer Gott, wir loben Dich". Nachdenklich, fast schon andächtig wirkt die 67-Jährige, als die aus der Kirche bekannten Töne durch den Hof des Berliner Sitzes des Verteidigungsministeriums schwingen.

Seit Tagen sorgt aber vor allem Merkels "Farbfilm"-Wunsch für Schlagzeilen, sie hat das Stück als Reminiszenz an ihre frühe Zeit in der damaligen DDR gewählt. "Das Lied war ein Highlight meiner Jugend, die ja bekanntermaßen in der DDR stattgefunden hat. Und das Lied kam auch aus der DDR, und zufälligerweise spielt es auch noch in einer Region, die mein früherer Wahlkreis war – insofern passt alles zusammen", sagte Merkel auf die Frage einer Reporterin.

Zu Merkels langjährigem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern gehört die Ostsee-Insel Hiddensee – über die heißt es in dem Lied: "Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee." Hagen und ihre damalige Band Automobil hatten mit dem Song 1974 einen Hit gelandet.

Die Soldaten des Wachbataillon der Bundeswehr sind mit Fackeln angetreten.
Die Soldaten des Wachbataillon der Bundeswehr sind mit Fackeln angetreten.

Dass es trotz der ungewöhnlich Punk-Rhythmen kein unbeschwerter Abschiedsabend für Merkel werden würde, war schon vorher klar. In einer kurzen Rede gedenkt die Kanzlerin gleich zu Beginn jener, "die sich zeitgleich mit all ihrer Kraft der vierten Welle der Pandemie entgegenstemmen" – Ärzte, Pfleger und Impfteams nennt sie in dem Zusammenhang. Noch am Nachmittag hatte sie sich zum letzten Mal in ihrer Amtszeit per Video mit den Ministerpräsidenten zusammengeschaltet, um schärfere Maßnahmen gegen Corona zu beschließen

Ganz persönlich wird Merkel, als sie sagt: "Die 16 Jahre als Bundeskanzlerin waren ereignisreiche und oft sehr herausfordernde Jahre. Sie haben mich politisch und menschlich gefordert. Und zugleich haben sie mich immer auch erfüllt." Kurz streift sie die großen Krisen ihrer Amtszeit – die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, die Flüchtlingskrise 2015. Und sie wirbt für ihr Credo: die internationale Zusammenarbeit bei den riesigen Herausforderungen der Zeit, Klimawandel, Flucht, Migration.

Ans Ende ihre Rede setzt Merkel dann einen optimistischen Appell: Sie sei "überzeugt, dass wir die Zukunft auch weiterhin dann gut gestalten können, wenn wir uns nicht mit Missmut, mit Missgunst, mit Pessimismus, sondern (...) mit Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit machen". So habe sie selbst es immer gehalten.

cri/dpa