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Grillstunde für Dobrindt

In 15 Jahren hat Bettina Hagedorn (SPD) so etwas noch nicht erlebt. Seit dem 20. Januar bittet die SPD-Politikerin das Bundesverkehrsministerium, dem Bundestag einen Bericht zur geplanten Reform der Wasserstraßenverwaltung vorzulegen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will den Bau von Wasserstraßen durch Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP-Projekte) teilprivatisieren. Kritiker fürchten ein ähnliches Debakel wie jüngst bei den ÖPP-Projekten beim Autobahnbau. Am 30. August sollte Dobrindt den Bericht dem Parlament endlich vorlegen. Doch am gleichen Tag schrieb er, der Bericht werde leider nicht rechtzeitig fertig.

Hagedorn platzte daraufhin der Kragen. Sein Schreiben habe sie „mit Erstaunen“ zur Kenntnis genommen, schrieb die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschuss an Dobrindt. Am Tag der Abgabe um Fristverlängerung zu bitten sei „ein Affront“ gegen die Beschlüsse des Parlaments, ein „einmaliger“ Vorgang, der ihr in 15 Jahren noch nie untergekommen sei, schreibt Hagedorn in dem Brief, der dem Handelsblatt vorliegt. Der Haushaltsausschuss des Bundestages werde sich am 5. September mit dem Vorgang befassen.

Es wird nicht das einzige unangenehme Thema sein, zu dem das Verkehrsministerium in der Sitzung Stellung beziehen muss. Eigentlich war vor der Bundestagswahl keine Sitzung des Haushaltsausschusses mehr vorgesehen. Doch in den vergangenen Wochen sind so viele Themen hochgekocht, dass der Bundestag nun eine Sondersitzung anberaumt hat: die Bundesbürgschaft für die Pleite-Fluggesellschaft Air Berlin, der Diesel-Skandal, die drohende Pleite des ÖPP-Projektes der Autobahn A1. Insgesamt geht es um über eine Milliarde an Steuergeldern, die kurz vor der Wahl plötzlich im Feuer stehen. Und immer mittendrin im Getümmel: Verkehrsminister Dobrindt.

Dobrindt selbst wird sich nicht den Fragen der Abgeordneten stellen, das dürfte er seinem Staatssekretär Enak Ferlemann überlassen. Der hat vor der Wahl nun noch eine Menge Arbeit. Noch am angenehmsten dürfte für ihn das Thema Bundesbürgschaft von Air Berlin werden. Hier gibt es etliche ungeklärte Fragen: Die Abgeordneten wollen wissen, ob es schon vor der Sommerpause Gespräche über eine Bürgschaft gab, wann die 150 Millionen Euro an die Fluggesellschaft ausgezahlt werden und was die Pleite von Air Berlin für den immer noch nicht fertigen Hauptstadtflughafen BER bedeutet. Allerdings ist neben dem Verkehrs- auch das Wirtschaftsministerium für das Thema zuständig.

Beim Diesel-Skandal ist das nicht der Fall. Hier interessiert die Haushaltspolitiker, wo denn das Verkehrsministerium das Geld für einen neuen Fonds hernehmen will, der auf dem Diesel-Gipfel vor gut vier Wochen beschlossen wurde. So will die Bunderegierung einen Topf schaffen, aus dem Projekte finanziert werden sollen, mit denen der Schadstoffausstoß von Diesel-Autos in Großstädten reduziert werden soll. Bund und Autoindustrie wollen jeweils 250 Millionen Euro bereitstellen. Inzwischen sei sogar von insgesamt einer Milliarde Euro die Rede, berichtet der „Spiegel“. Diese Mittel muss Dobrindt aus seinem eigenen Etat aufbringen. Dort liegen zwar noch ungenutzte Gelder herum, etwa nicht abgerufene Fördermittel für den Breitbandausbau. Doch wenn Dobrindt die Mittel umschichten will, muss er das erst vom Bundesfinanzministerium genehmigen lassen und dann dem Haushaltsausschuss zur Kenntnis vorlegen. Das sei bislang aber nicht passiert.

Besonders sauer aber sind die Abgeordneten aber über Dobrindts Verhalten im Streit um den Ausbau der Autobahn A1. Die sogenannte Hansalinie zwischen Hamburg und Bremen wird von einer privaten Gesellschaft, der „A1 Mobil GmbH“, betrieben. An der Gesellschaft sind der mittelständische Bauunternehmer Johann Bunte und ein britischer Infrastrukturfonds beteiligt. Die Zusammenarbeit mit den Investoren galt aus Sicht der Bundesregierung als Beispiel, wie gut Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) beim Autobahnbau funktionieren.

Doch dann geriet die Betreibergesellschaft in Schieflage und verklagte den Bund auf 770 Millionen Euro Schadenersatz. Begründung: Der Bund habe die vertraglich geregelte Vergütung des seit Langem defizitären Pilotprojektes nicht angepasst. Für den Bundesverkehrsminister liegt die Sache dagegen anders: A1 Mobil habe sich verkalkuliert und wesentlich mehr Güterverkehr auf der Strecke erwartet, als tatsächlich gerollt ist. Entsprechend geringer waren die Einnahmen aus der Lkw-Maut.

Berichten zufolge soll das Verkehrsministerium schon seit vielen Jahren die Schieflage von A1 Mobil kennen, aber nichts dagegen getan haben. Das bringt die Parlamentarier gegen Dobrindt ebenso auf wie der Umstand, von dem ganzen Vorgang nur aus Presse erfahren zu haben. Bis heute liegt ihnen nichts Schriftliches zu dem Thema aus dem Bundesverkehrsministerium vor, klagen sie. Gerade vor diesem Hintergrund ärgert sich Hagedorn besonders darüber, dass Dobrindt es nicht für nötig hält, einen Bericht zur Reform der Wasserstraßen und der Schifffahrtsverwaltung vorzulegen, wo Ähnliches geplant ist.

Doch Dobrindt kann sich es leisten, selbst Mitglieder aus den Regierungsfraktionen gegen sich aufzubringen. Er wird nicht mehr lange Verkehrsminister sein, sondern nach der Wahl aller Wahrscheinlichkeit nach die CSU-Landesgruppe im Bundestag anführen. In der CSU gilt dieser Schritt übrigens als Karrieresprung.