Werbung

Gründen für Dummies

Die Menschheit lässt sich – grob gesagt – in zwei Fraktionen einteilen, findet Herr K.: Selbstständige und Angestellte, Chefs und der Rest, Macher und … äh … also jedenfalls ist Herr K. aus tiefstem Herzen „abhängig beschäftigt“, wie das dann heißt. Die Gewinnaussichten sind zwar niedriger – aber ebenso die Risiken, irgendwann Herzinfarkt, Scheidung oder Privatinsolvenz in die eigene Karriere einpreisen zu müssen.

Wirtschaft ist Krieg, und er muss da wirklich nicht in der ersten Reihe stehen. Die unternehmerische Feldherrnrolle gebührt Weltveränderern wie Werner von Siemens, Henry Ford oder Steve Jobs. So ist Herr K. eben nicht, die heutige Generation von Gründern aber offenbar noch weniger, wenn er sich „Die Höhle der Löwen“ anschaut. Die Show auf Vox ist wie Thomas Middelhoff oder ein Auffahrunfall: tragisch, aber man kann auch nicht weggucken.

So sitzt Herr K. nun jeden Dienstagabend mit seinem Sohn vor dem Fernseher und freut sich darüber, was für verstrahlte Luschen da wieder DHDL bevölkern (wie Fans die Serie abkürzen). Verhandelt werden Geschäftsideen von der Low-Carb-Algenpaste bis zum Tattoo-Pflege-Set – also oft Kram, für den sich früher selbst die Gemüsehobel-Händler vor Kleinstadt-Kaufhäusern zu schade gewesen wären. Die „Gründer“ sind oft verkrachte Existenzen oder BWL-Studenten oder beides, die Juroren dagegen irgendwie zu Geld gekommen und daher nun „Löwen“: Carsten Maschmeyer zum Beispiel, die Homeshopping-Größe Judith Williams oder der Resterampen-Händler Ralf Dümmel, dessen Gelfrisur immer mindestens ebenso schmierig ausfällt wie sein Lächeln. Die „Löwen“ sollen sich dann mit ihrem Risikokapital an den Start-ups beteiligen. Manchmal fressen sie die Jungunternehmer aber einfach nur auf.

Das Schöne ist: Man weiß nie, wen man mehr bemitleiden soll – die „Löwen“, wenn ihnen wieder einmal zehn Prozent am umsatzfreien Entwickler einer „völlig neuartigen Haustier-Fitness-App“ angeboten werden – für 4,25 Millionen Euro. Oder ihre Beute, wenn Löwe Dümmel mit Ich-bring-dich-groß-raus-Lächeln eine Chemiestudentin für ihr cooles Nahrungsergänzungsmittel „Lily’s Labskaus-Lollys“ lobt. Herrn K. wird dann manchmal ganz schwummrig, weil er denkt: Vielleicht ist Wirtschaft genau so? Blödes Verkäufergeschwätz + wirre Businesspläne + Geier mit Cash in de Täsch = Kapitalismus. Gerade erklärt eine Ex-Sonderschulpädagogin ihre „Low-Carb-Schminksets auf Tofu-Basis“, für deren Entwicklung sie „alles aufgegeben“ hat. Selbst Judith Williams entgleisen da die sonst sorgfältig sortierten Gesichtszüge.

„Boah, das is so voll doof“, stöhnt Herrn K.s sechsjähriger Sohn, was ihn beruhigt. Er muss später also kein medienkritisches Vater-Sohn-Gespräch mehr führen. „Und was willst du mal werden?“, fragt er den Jungen, der antwortet: „Wenn ich groß bin, werde ich Löwe.“

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK