Wieso der Glanz bei Geigers Happy End trügt

Wieso der Glanz bei Geigers Happy End trügt

Ist das Glas nun halbvoll oder ist es halbleer?

So richtig wussten es die deutschen Skispringer nach dem Schlussakt bei der Vierschanzentournee womöglich selbst nicht, je länger sie Abstand zum finalen Neujahrsspringen in Bischofshofen bekamen, wo Karl Geiger am Ende noch den Sprung aufs Podest geschafft hatte.

Nach einem lauten Jubelschrei unter dem Mund-Nasen-Schutz scherzte der Oberstdorfer bei der Siegerehrung zwar ausgelassen mit Tournee-König Kamil Stoch. (Gesamtwertung der Vierschanzentournee 2020/21)

Geiger gelang zum Abschluss der Geister-Tournee ein Happy End, der Skiflug-Weltmeister belohnte eine starke Aufholjagd von Platz vier mit dem zweiten Gesamtrang. (Vierschanzentournee: Ergebnisse von Bischofshofen)

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Trotzdem: Dass der ersehnte Tournee-Sieg für Deutschland auch nach 19 Jahren des Wartens wieder nicht gelang - es schmerzte. Sicherlich auch Sven Hannawald, der die Tournee 2001/02 gewonnen und schon am Dienstag in nachtrauernder Manier erklärt hatte: "Die Voraussetzungen waren selten besser als dieses Jahr."

Geiger springt noch auf Rang zwei

Da konnte Geiger, nach eigener Aussage "überglücklich", noch so sehr betonen: "Ich bin echt froh, dass ich das heute noch so hingebracht habe. Es war keine einfache Kost für mich. Heute habe ich es echt noch mal geschafft, die Spannung hochzufahren."

Denn: Zu groß waren die Ambitionen, mit denen Flug-Weltmeister Geiger und Hoffnungsträger Markus Eisenbichler in die Tournee gestartet waren - und die sie zunächst dank des furioses Siegs des Lokalmatadors beim Auftaktspringen in Oberstdorf auch untermauert hatten. Es war der erste deutsche Einzelsieg bei der Vierschanzentournee seit Dezember 2015, als Severin Freund ebenfalls in Oberstdorf triumphiert hatte.

Zur Halbzeit der Tournee in Garmisch hatte Eisenbichler im Dauerduell mit dem norwegischen Senkrechtstarter Halvor Egner Granerud und den beiden starken polnischen Rivalen Stoch und Dawid Kubacki daher auch noch gestichelt: "Die Pamperl da vorne, die Norweger und die Polen, die werden wir schon noch einholen."

Doch statt der ganz großen Aufholjagd setzte es Rückschläge, nicht zuletzt auf der Schicksalsanlage am Bergisel in Innsbruck. Aufmerksamen Beobachtern blieb dabei keineswegs verborgen, wie die Stimmung bei der DSV-Adlern zusehends schlechter wurde.

Stoch triumphiert, Eisenbichler enttäuscht

Wenigstens Geiger brachte es in Bischofshofen schließlich zu einem versöhnlichen Abschluss im Team von Bundestrainer Stefan Horngacher, der betonte: "Karl ist mental unglaublich stark und super gesprungen. Am Ende ein toller zweiter Platz."

Der 33-jährige Stoch, der mit einem riesigen Vorsprung von 48,1 Punkten (1110,6) vor Geiger (1062,5) und Kubacki (1057,8) das Gesamtklassement gewann und sich zudem zum zweitältesten Champion nach Sepp Bradl bei der Premiere 1953 krönte, sei in dieser Form einfach unschlagbar gewesen.

Wobei das angesichts des bisherigen Winters voller Höhepunkte, der mit zwei Weltcup-Siegen von Eisenbichler und dem Skiflug-WM-Gold von Geiger verheißungsvoll begonnen hatte, nicht hundertprozentig einleuchtend wirkte.

Vor allem Eisenbichler erlebte ein finales Debakel, verpasste nach einem Sprung auf nur 120,5 Meter gar den zweiten Durchgang. "Es ist schon bitter, aber sowas habe ich schon so oft miterlebt. Von dem her: Da rege ich mich gar nicht mehr so auf", gab sich der Bayer betont gelassen.

Zuvor indes hatte der Gesamt-16. im ZDF noch gezetert: "Beschissen" sei sein Abschluss gewesen, "ein Dreckssprung".

Keine Atempause für DSV-Adler

Horngacher spendete direkt Trost, ihm sei es lieber, dass Eisenbichler "Vollgas gibt und es in die Hose geht, als dass er lauwarm über die Schanze fährt", sagte er. (Skispringen: Weltcupstände)

Zeit zum Nachdenken oder Atemholen bleibt ohnehin nicht, die DSV-Adler reisen nun ohne Pause direkt weiter zum Weltcup nach Titisee-Neustadt am Wochenende.

Und müssen sich bei der Tournee weiter in Geduld üben - trotz Geigers persönlichem Happy End.