Gegen Mobbing und Diskriminierung: Kontroverse um Nike-Werbung in Japan
Nachdem Nike Japan in einem Werbevideo Mobbing und rassistische Diskriminierung thematisiert hat, geht es in den sozialen Netzwerken rund. Während manche den Spot feiern, negieren andere die Relevanz des Themas und rufen gar zum Boykott auf.
Veröffentlicht am 28. November, ist ein zweiminütiger Werbeclip von Nike Japan bereits mehr als 16 Millionen Mal aufgerufen und zahlreich diskutiert und kommentiert worden. Im Mittelpunkt der Werbung geht es um drei Teenagerinnen mit unterschiedlicher oder gemischt ethnischer Herkunft, die im sozialen Umfeld ihrer Schule einiges aushalten müssen.
Online-Petition gegen Edeka: Weihnachtskampagne "auf allen Ebenen diskriminierend"
Die Mädchen werden angestarrt, in handgreifliche Auseinandersetzungen verwickelt, ihre krausen Haare betatscht und sie werden im Sportunterricht ignoriert. Was alle drei gemeinsam haben, ist die Liebe zum Sport, genauer gesagt zum Fußball. Ganz alleine absolvieren sie zunächst lange Trainingsläufe, treiben den Ball vor sich her, dribbeln durch Übungsstangen und ziehen mit aller Wucht ab. Am Ende gibt ihnen der Sport nicht nur das nötige Selbstvertrauen, um die Diskriminierung der anderen auszuhalten: Der Erfolg im Wettkampf bringt ihnen auch die Achtung derjenigen ein, die sie zuvor ausgegrenzt haben, und lässt sie Teil der Gemeinschaft werden.
動かしつづける。自分を。未来を。#YouCantStopUshttps://t.co/EEkOkOOeLt pic.twitter.com/aPnZcPAO05
— Nike Japan (@nikejapan) November 28, 2020
Tennis-Star Naomi Osaka tritt ebenfalls auf
In einem Cameo-Auftritt ist darin auch Tennis-Star Naomi Osaka zu sehen, die von Nike gesponsert wird. Ihre Mutter ist Japanerin, ihr Vater kommt aus Haiti, sie selbst wurde in Japan geboren und will das Land im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio vertreten. Die Tennis-Spielerin kämpft seit Jahren gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung und zeigte sich bei den diesjährigen US Open mit Mund-Nasen-Schutzmasken, auf denen die Namen von Opfern von Polizeigewalt in den USA standen. Nicht nur in ihrer Heimat ist sie ein Star, der sich von einem Comedy-Duo aber auch schon einmal anhören musste, sie solle sich doch "bleichen" lassen, weil ihre dunkle Haut zu "sonnenverbrannt" sei. In einem Werbespot von Nissin Foods wurde ihr Bild so verändert, dass sie helle Haut und helle, glatte Haare hatte.
Great job, Nike Japan!
— crustacean (@crustacean6) November 29, 2020
Ein Spot für Diversität und Inklusion
Dass der Spot ganz konkrete Alltagsdiskriminierungen thematisiert, kommt in Japan gemischt an. In den Kommentaren findet die Werbung viel Zuspruch, zum Beispiel von diesem User, der diesen schlichten Tweet absetzte: "Gut gemacht". Eine in Tokio lebende Korrespondentin der Nachrichtenagentur Reuters fand die Werbung, die Diversität und Inklusion feiert, "stark":
Powerful ad from Nike Japan celebrating diversity and inclusion in Japan. Lots of commenters in support of the ad’s message, but also plenty of people saying they’re going to boycott Nike for it https://t.co/ktYMenoURC
— Mari Saito (@saitomri) November 30, 2020
Viele Japaner fühlen sich falsch dargestellt und in ein schlechtes Licht gerückt
Andere User empörten sich dagegen und kündigten einen Boykott des Herstellers an. Dieser Nutzer zum Beispiel forderte, dass das Video sofort gelöscht werde und schrieb bezogen auf eine Szene, in der ein Mädchen in koreanischer Kleidung angestarrt wird: "Auf diese Art wird nur Hass zwischen Japan und Südkorea geschürt. Wirklich widerlich. Ich werde nie wieder Produkte von Nike kaufen."
Take down that video immediately. Look at the comment section. It is only fueling hatred between Japan and South Korea. Truly disgusting. I will never purchase any products by NIKE.
— Crimson_Samurai (@Shintani_JP) December 1, 2020
Ein anderer warf Nike vor, Japan als "böses Land" darzustellen.
Nike don't portray Japan as a bad Country! 😡, I never buy Nike shoes anyway.. ASICS/Onitsuka tiger are way better! https://t.co/ao2L2bPbXH
— ニュージー男子 (@NewZeaDanshi) November 30, 2020
Dieser Nutzer schrieb, in Japan gebe es keine Diskriminierung in der Art, wie sie in der Werbung dargestellt würde:
It’s too much.... I’m so sad to make this movie, Nike. Japanese don’t do the discrimination like this movie.....
— おれりー (@oreiii2) November 28, 2020
Und wieder ein anderer warf Nike vor, ein Problem aufzuwerfen, dass es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Natürlich gebe es unter Teenagern Mobbing. In Japan würden aber keine Menschen rassistisch diskriminiert, die aus anderen Ländern kämen. Als Beweis für die angebliche Gleichberechtigung aller zeigte der User Bilder der japanischen Fußballnationalmannschaft und deren Besetzung:
Nike’d stay from politics and don’t raise a problem that doesn’t really exist.
Of course, sometimes teens are bullies.
Japan 🇯🇵 doesn’t discriminate against other people from other countries.
Look at the 2019 🇯🇵 🏉 team, a melting pot and the team was loved during the games. https://t.co/Togtg3nQ0b pic.twitter.com/I8DtjlGUXp— Dr. Alexandre Hillairet, DAOM (@DrHillairet) November 29, 2020
Betroffene schildern ähnliche Erfahrungen
Menschen, die wie die Teenager im Video unterschiedliche ethnische Herkünfte haben, meldeten sich ebenso zu Wort. Einer davon schrieb, die Reaktionen auf die Werbung würden ihn verletzen. Er selbst sei die Manifestation von etwas, dass immer noch als "unnatürlich" oder "abscheulich" wahrgenommen werde.
As a mixed race person, seeing the Japanese twitter reaction to that Japanese Nike ad hurts me
Actually, it disappoints me. It feels weirdly personal. I'm the literal manifestation of something they see as unnatural or disgusting— Special Grade ❌ Prince Uzui ⛩ (@DannyFanta5) December 2, 2020
Ein weiterer User, der nach eigener Aussage Halb-Japaner ist, bestätigte diese Wahrnehmung und äußerte die Hoffnung, dass die Werbung einigen Menschen die Augen öffnen könnte.
I'm half Japanese but this happens almost every time I'm on the train. I would argue that Nike shouldn't be including race into theirs ads with a message that says to play sports but I think this should be a wake up call for people. The eyes they give against any foreigner or
— George. M. Warrens #BLM (@g_warrens) November 29, 2020
Nike hat sich schon im Vorfeld geäußert
Nike selbst sagte in einem zu dem Video veröffentlichten Statement, es basiere auf Aussagen junger Sportler und dreier Teenagerinnen, die selbst Mobbing und Ausgrenzung erfahren hätten. Die Marke mache sich seit langem für Minderheiten stark und beziehe Stellung zu Themen, die zum Wertekodex der Marke passten.
Heftige Kritik: TikTok-Influencerin verliert eine Million Follower mit einem einzigen Video
Laut Amnesty International gibt es durchaus Verbesserungsbedarf
Was Diskriminierung generell angeht, gibt es laut Amnesty International auch in Japan noch Verbesserungsbedarf. So gilt der von der Regierung beschlossene Erlass von Schulgebühren an Oberschulen nicht für koreanische Schulen mit Verbindungen zu Nordkorea. Zudem bezeichnet Amnesty International die Rechte von Arbeitsmigranten sowie deren Angehörigen als "unzureichend gesetzlich verankert". Bei Transgendern konstatiert die Organisation sogar eine Verletzung der Menschenrechte. Zwar ist es erlaubt, seine geschlechtliche Identität zu ändern – anerkannt wird das aber nur, wenn die Person auf ihre Fortpflanzungsorgane oder die Fortpflanzungsfähigkeit "verzichtet, einen chirurgischen Eingriff zur Festlegung des Geschlechts vornehmen lässt und den Status als ‘unverheiratet’ annimmt.”
Corona befeuert den Rassismus
Die auf Japan spezialisierte Nachrichtenseite "Sumikai.com" hat kürzlich übrigens berichtet, dass die Verbreitung des neuartigen Coronavirus den Rassismus im Land befeuere. Nachdem in der Stadt Oizumi mehrere Fälle in der brasilianischen Gemeinde aufgetreten waren, häuften sich entsprechenden Kommentare in den sozialen Medien. Zum Beispiel wurden Eltern aufgefordert, ihre Kinder nicht mit "ausländischen" Kindern spielen zu lassen. In manchen Geschäften wurden brasilianisch aussehende Menschen nicht mehr eingelassen. Der Gouverneur der Präfektur Gunma sah sich schließlich genötigt, die Einwohner auf Pressekonferenzen wiederholt dazu aufzufordern, keine Bewohner zu diffamieren oder zu diskriminieren.
VIDEO: Nach Kritik - Darum verkauft Nike diesen Schuh doch nicht