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Die Gefahren des Heli-Skiings

Humpelnd aus den Weihnachtsferien zurückzukehren ist nicht ungewöhnlich für deutsche Winterurlauber. Im Gegenteil: Es unterstreicht die Bereitschaft zur sportiven Selbstoptimierung, was im Büro karrieretechnisch nur förderlich sein kann. Der Grund seiner eigenen Malaise ist Herrn K. dann allerdings doch derart peinlich, dass er erst mal schweigt. Die anderen haben einfach mehr zu bieten beim ersten Wiedersehen in der Kantine.

Koslowski zum Beispiel hat sich beim Skifahren im Zillertal links den Meniskus gequetscht. Man sieht zwar nichts, dafür stöhnt er umso lauter „Auauau... aaaaah“, als er sich neben Herrn K. auf den Stuhl fallen lässt. „Willkommen im Club“, lächelt Frau Stibbenbrook aus der Rechtsabteilung und erzählt über ihren Caesar Salad hinweg von ihrer „tibiofibularen Syndesmose“ beim Langlaufen in Oberstdorf, was schon sehr eklig klingt. Also diese Syndesdingsbums, nicht Oberstdorf.

Herr K. war mal in Oberstdorf und fand es dort sehr nett, wenngleich die Allgäu-Metropole vielleicht nicht zu den schärfsten Hotspots im internationalen Destinations-Bingo zählt. Lech zum Beispiel ist natürlich wertiger. Auch Zermatt oder St. Moritz. Wenn Oberstdorf der VW-Passat im Wintersport-Quartett ist, dann wäre so etwas wie Aspen vielleicht der Lamborghini Aventador.

Herr K. war dieses Jahr mit seiner Familie im Oberharz (!), und zwar zum Rodeln (!!). Das allein hat schon den Glamourfaktor von Mayonnaise-Flecken auf Thrombosestrümpfen. Aber wenn er dazu auch noch erklären würde, dass er in einem sogenannten „Spaßbad“ einen Bänderriss erlitt bei dem Versuch, per Arschbombe vom Ein-Meter-Brett zu springen ... Herr K. ahnt, dass man ihm daraufhin innerhalb weniger Stunden die Papiere aushändigen würde. Also schweigt er eisern weiter, als Berger aus dem Marketing in einem elektrischen Rollstuhl herangesummt kommt.

„Heli-Skiing in Aspen, Kapselfraktur beim Sprung auf dem Snowboard aus dem Hubschrauber“, erklärt er nur und ruckelt sich mit seinem Elektromobil zurecht. Klar, dagegen stinken alle ab. Sportlich. Geografisch. Trendtechnisch. Es ist eine derart andere Welt, dass Herr K. schon wieder Mitleid bekommt. Mit dem Oberharz. Mit dem Rodelsport. Und mit sich selbst. „Und Sie?“, fragt ihn da plötzlich Koslowski.

Im selben Moment bleibt Frau Doktor Schwielow aus dem Vorstand an ihrem Tisch stehen. „Und... noch viel Spaß gehabt mit den Kiddies in Braunlage?“, wendet sie sich an Herrn K. „Ich find‘s total toll, wenn Männer das Thema Familie ernst nehmen. Und Urlaub in der Region ... supernachhaltig und wirtschaftsfördernd zugleich. Think global, act local. Nicht dieser hochgezüchtete und naturverschandelnde Kunstschnee-Wahnsinn. Authentische Naherholung at its best.“

Die anderen starren Herrn K. an. Man muss auch mal Glück haben im Leben.

Als Herr K. Abitur machte, waren Computer noch etwas für die komischen Typen aus der Informatik AG. Damals kriegten die kein Mädchen ab, heute kontrollieren sie Hidden Champions im Bereich Business Solutions mit Standorten auf drei Kontinenten. Es gab noch keine Smartphones, kein Internet, keine Generation Y, nur Kassettenrecorder, Wählscheibentelefone und sogar die DDR. Patchwork war allenfalls Omas Auslegeware. Herr K. ist – beruflich wie privat – bisweilen irritiert von dieser sich rasant verändernden Welt, will sich aber nichts anmerken lassen. Er ist jetzt in einem Alter, in dem es um letzte Fragen geht: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Und wie viel Bonusmeilen gibt's auf dem Weg dorthin? Diese Kolumne will die Antworten liefern. Anregungen für Herrn K. bitte an: herr.k@handelsblatt.com oder folgen Sie Herrn K. auf Twitter: @herrnK