Werbung

Ganz nah am Pulverfass

Mit der Spionageserie "Tehran" wagt sich Apple TV+ in vermintes Gelände und lässt eine israelische Agentin allein im Iran zurück.

Es mag zwar nicht wirklich etwas mit dem wahren Agentenleben zu tun haben, ausreichend Stoff für eine explosive Spionageserie gibt es aber allemal: Apple TV+ wagt sich ab dem 25. September mit der israelischen Serie "Tehran" auf vermintes Gelände. Ausgerechnet die beiden Erzfeinde Israel und Iran, die von zwei Seiten aus jederzeit eine Lunte am Pulverfass Naher Osten anzünden können, treffen hier aufeinander. Bemerkenswert daran: Der noch junge Streamingdienst hat sich für seinen ersten nicht-englischsprachigen Content ein politisch-heikles Thema ausgesucht.

Dass die Realität die Fiktion gerne und oft einholt, ist nicht neu: Als "Tehran" im Sommer in Israel ausgestrahlt wurde (produziert wurde die Serie vom israelischen TV-Sender Kan 11), legte ein Cyberangriff gerade einen iranischen Hafen lahm. Auf der anderen Seite der arabischen Halbinsel hatten Hacker wenige Wochen zuvor israelische Wasser- und Abwasseranlagen ins Visier genommen.

Mit ziviler Infrastruktur freilich gibt sich eine Serie von Format nicht zufrieden. "Tehran" dreht am ganz großen Rad: Das Atomprogramm des Iran ist schließlich Dauerkrisenthema internationaler Politik. Also wird die Mossad-Agentin Tamar (Niv Sultan) ins Land geschleust. Die Hackerin soll die iranische Luftüberwachung deaktivieren, damit israelische Bomber ein Atomkraftwerk zerstören können.

Tamar verliert nicht viel Zeit, hat ihren Computer schon hochgefahren und sich in die Energieversorgung Irans gehackt, als man in Auftaktfolge noch dabei ist, die Figuren zu sortieren. Natürlich geht schief, was schiefgehen kann: Erstens weil's (wahrscheinlich) realistisch ist, und zweitens, weil acht Episoden mit Inhalten gefüllt werden wollen. Der Spionageplot, soviel vorweg, gibt nicht genügend Stoff her.

Panik und Angst

Dabei gehören die ersten zehn, fünfzehn Serienminuten zum Beklemmendsten, was Thrillerserien zuletzt zu bieten hatten. Tamar reist in einem jordanischen Flugzeug in den Iran, das vom Mossad präpariert wurde. Wegen eines "technischen Defekts" muss die Maschine auf dem Weg nach Indien außerplanmäßig in Teheran zwischenlanden. An Bord sind auch zwei völlig unbeteiligte junge Israelis, die plötzlich Todesängste ausstehen.

Die Panik in ihren Gesichtern erzählt viel über die Beziehungen zwischen Israel und dem Iran, die verseucht sind vom Misstrauen und irrationalen Ängsten - vor allem in der staatlichen und geistlichen Führungsetagen. Hingegen würden "die Menschen im Iran und in Israel nicht verstehen, warum unsere Länder Feinde sind", sagte Schauspielerin Liraz Charhi, die eine Abteilungsleiterin beim Mossad spielt, dem "Hollywood Reporter".

Viel interessanter als Tamars Undercover-Einsatz und die hektische Betriebsamkeit in der Mossad-Zentrale, ist in der Serie dann auch der Blick auf den Alltag in Teheran. Wird der Iran zunächst als frauenfeindlicher Polizeistaat mit öffentlichen Hinrichtungen und einem verbissenen Geheimdienstchef der Revolutionsgarden dargestellt, zeichnet die Serie mit zunehmender Dauer ein differenziertes Bild der Gesellschaft, die sich, heimlich zwar, im Aufbruch befindet. Dazu trägt auch bei, dass viele der iranischen Figuren von Exil-Iranern gespielt wurden.

Während sie ihren Spionage-Plot dramaturgisch außer Kontrolle geraten lassen, konzentrieren sich die Autoren Moshe Zonder und Omri Shenhar zunehmend auf die menschlichen Seiten: Mossad-Agentin Tamar, die in Teheran geboren wurde, muss sich etwa mit ihrer Identität und ihren Verwandten auseinandersetzen. Und der grimmige iranische Geheimdienstler ist zwar mit dem Kopf ganz bei der Suche nach der feindlichen Spionin. Sein Herz aber ist mit seiner Frau zu einer lebensrettenden Operation nach Paris geflogen. Er kann in seiner Hilflosigkeit nicht viel mehr tun, als seiner Frau am Telefon schlechte Kalauer zu erzählen.