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Kapitän verrät: Das war Freiburgs "Hallo-Wach von allen Seiten"

Kapitän verrät: Das war Freiburgs "Hallo-Wach von allen Seiten"

Vier Siege in den vergangenen vier Spielen - das schafften weder die Bayern, noch Leipzig oder Dortmund.

Dem SC Freiburg gelang mit dem 3:1-Erfolg bei der TSG Hoffenheim erstmals unter Trainer Christian Streich dieses Kunststück in der Bundesliga. Noch vor vier Wochen betrug das Punktepolster auf die Abstiegszone einen Zähler, vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln (Bundesliga: SC Freiburg - 1. FC Köln, ab 15.30 Uhr im LIVETICKER) sind die Europapokal-Plätze für die Freiburger als Tabellenneunter plötzlich nur vier Punkte entfernt. Doch Kapitän Christian Günter warnt vor Träumereien.

Im SPORT1-Interview spricht der 27-Jährige, der im Alter von 13 Jahren zum Sport-Club wechselte, über den Tiefpunkt der Saison, der zum Wendepunkt wurde. Außerdem erklärt Günter, was Trainer Streich mit dem momentanen Höhenflug zu tun hat, und warum Vincenzo Grifo und ein Neuzugang so wertvoll für den Sport-Club sind.

SPORT1: Herr Günter, was bedeutet es für Sie, Freiburg in dieser Saison als Kapitän auf den Platz führen zu dürfen?

Christian Günter: Es gibt für mich nicht viel Größeres, keine größere Ehre. Das ist mein Herzensverein seit jungen Tagen. Ich bin jetzt schon viele Jahre hier und da freut es mich umso mehr, dass die Mannschaft mich als Kapitän gewählt hat und ich vorweggehen kann und diese Aufgabe habe. Es ist eine Ehre und es freut mich extrem.

Günter über Freiburger Höhenflug: "Wir genießen den Moment"

SPORT1: Sind Sie von Ihren furiosen Leistungen zuletzt selbst überrascht?

Günter: Ja. Es war nicht unbedingt zu erwarten, dass wir jetzt vier Spiele hintereinander gewinnen. Das ist das erste Mal seit langer Zeit so. Das freut uns natürlich ungemein, aber wir wissen auch, was wir dafür investieren mussten und wie schwierig es ist, Bundesligaspiele zu gewinnen. Deshalb können wir das alles richtig einordnen, aber wir genießen den Moment. Man würde lügen, wenn man sagt, es freut einen nicht, wenn man vier Mal hintereinander gewinnt.

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SPORT1: Im Sommer haben einige Leistungsträger Freiburg verlassen. Wie schwer ist es für eine Mannschaft, damit umzugehen?

Günter: Gerade am Anfang ist das nicht so einfach. Das hat man ja auch gesehen, da braucht man das eine oder andere Spiel, vor allem aber Wettkampfpraxis, um als Team noch enger zusammenzuwachsen und um noch mal mehr voneinander zu lernen. Santa (Baptiste Santamaría, Anm. d. Red.) kam relativ spät erst dazu. Das ist dann nicht so einfach für ein Team, die Abläufe reinzubekommen. Das hat man anfangs ein bisschen gemerkt, obwohl man auch sagen muss, dass wir in den ersten Spielen keine schlechten Leistungen, eher sogar gute, gezeigt haben, aber die Ergebnisse haben einfach nicht gestimmt. Gerade merkt man, dass jedes Rad ins andere greift. Wir sind als Team zusammengewachsen, jeder kennt einen noch mehr, gerade die Neuen, die da sind. Und das spiegelt sich zum Glück nun auch in den Ergebnissen wider.

"Wir haben eine gewisse Qualität verloren"

SPORT1: Hat die Mannschaft im Vergleich zur Vorsaison trotzdem einen Qualitätsverlust erlitten?

Günter: Wenn man zwei deutsche Nationalspieler abgibt, ist das nicht so einfach als SC Freiburg, die Qualität zu ersetzen. Aber wir haben das als Mannschaft sehr gut aufgefangen, haben gute Jungs dazu bekommen, und wir haben viele Junge, die drücken, um auch in der ersten Elf oder im Kader zu stehen. Deshalb hat das der Verein gut aufgefangen, nichtsdestotrotz haben wir eine gewisse Qualität auf jeden Fall verloren.

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SPORT1: Ist es vielleicht auch ein Ansporn, wenn die Experten Freiburg Probleme prophezeien?

Günter: Ja, auf jeden Fall. Es haben einige gesagt, dass wir ein direkter Abstiegskandidat sind. Wenn man liest, welche Namen uns verlassen haben, ist es nicht so einfach. Aber wenn man als Team zusammensteht, und wenn man auch sieht, welche Qualität wir letztes Jahr hatten, nicht nur wegen der zwei Spieler, sondern insgesamt auch als Mannschaft, dann kann man schon von sich behaupten, dass man das auffangen kann. Da haben wir einige ein Stück weit Lügen gestraft bis jetzt, aber das wollen wir natürlich auch fortsetzen. Es sind noch einige Spiele zu gehen, es ist noch überhaupt gar nichts entschieden in jegliche Richtung, deshalb muss man mit dem Lob umzugehen wissen, und wissen, wo man herkommt.

SPORT1: Wie ist die Gemütslage in der Mannschaft und im Verein momentan?

Günter: Die ist natürlich super. Aber Fußball ist schnelllebig, das haben wir am eigenen Leib extrem erfahren. Nach den ersten acht Spielen hieß es, wir können kein Spiel mehr gewinnen, wir sind so lange sieglos. Jetzt sind wir drei Wochen später das Team der Stunde. Umso mehr kann man einordnen, dass es eine Momentaufnahme ist, aber wir natürlich daran anknüpfen und die Serie ausbauen wollen.

Das Mainz-Spiel war ein Hallo-Wach

SPORT1: Gab es für Sie einen Wendepunkt in dieser Saison, bei dem man gemerkt hat, jetzt ist es ein anderer SC Freiburg?

Günter: Ja, das Mainz-Spiel(1:3 am 8. Spieltag, Anm. d. Red.). Wir haben davor einige gute Leistungen gezeigt, aber die Ergebnisse haben nicht gestimmt. Da hat das Quäntchen ein Stück weit gefehlt. Das Mainz-Spiel war ein Hallo-Wach von allen Seiten, dass das nicht reicht und so nicht weitergehen kann. Das hat auch der Trainer intern angesprochen und klar gesagt, was wir verbessern müssen. Daraufhin haben wir eine gute Reaktion gezeigt, in Augsburg, gegen Gladbach, da haben wir unentschieden gespielt, die Leistung war aber deutlich besser als die Wochen zuvor. Die haben wir fortgesetzt und dann hat das Ergebnis auch gestimmt in der Englischen Woche, in der wir drei Spiele gewonnen haben. (Der Spielplan der Bundesliga)

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SPORT1: Ist die Mannschaft nach dem Mainz-Spiel auch selbst mit sich hart ins Gericht gegangen?

Günter: Ja, schon. Ich will den Mainzern nicht zu nahe treten, aber zu dem Zeitpunkt waren sie auch einfach nicht gut in Form. Wir wollten da natürlich mehr zeigen und haben uns am Ende zuhause echt extrem abkochen lassen. Da war es dann auch mannschaftsintern so, dass wir gesagt haben: So können wir auf keinen Fall weitermachen! Das war ein Hallo-Wach-Effekt und mittlerweile stehen wir anders auf dem Platz.

Günter erklärt: Darum ist Freiburg eine "eklige" Truppe

SPORT1: Was zeichnet die "neue" Mannschaft denn aktuell aus?

Günter: Wir sind extrem aggressiv in den Zweikämpfen und sehr laufstark. Wir können dadurch viele Räume zulaufen, was gegen den Ball angeht. Aber auch mit dem Ball haben wir Qualität. Wir erspielen uns immer wieder Torchancen, sind gefährlich im Umschaltspiel, können aber auch den Spielaufbau gut gestalten. Ich glaube, wir haben doch mehrere Facetten, die ganz gut sind.

SPORT1: Sie haben vor kurzem davon gesprochen, dass ihre Truppe "eklig" ist. Was haben sie damit gemeint?

Günter: Da geht es vor allem um die Arbeit gegen den Ball. Dass sich keiner aufspart, dass sich jeder in jeden Zweikampf reinwirft und im Zweikampf auch mal eklig ist. Hinterher kann man mit dem Gegenspieler abklatschen, aber auf dem Spielfeld geht's zur Sache. Das haben wir in den letzten Wochen ganz gut umgesetzt, und wenn man unsere Gegner fragt, werden sie eher sagen, dass es nervig war, gegen uns zu spielen, als angenehm. Wenn wir das nicht machen, fehlt immer da ein Meter und da ein Quäntchen - und das spiegelt sich dann auch in den Ergebnissen wider.

SPORT1: Baptiste Santamaría ist spät erst gekommen. Was gibt er dem Spiel des SC Freiburg?

Günter: Ich glaube, er ist als Box-to-Box-Player wahnsinnig viel unterwegs, was uns sehr guttut, weil er viele Räume zuläuft. Er ist zweikampfstark und kreiert im Spiel nach vorne viele Dinge. Wie ich gelesen habe, hat er in Frankreich nicht so viele Tore geschossen (zwei Tore in 149 Pflichtspielen für SCO Angers, Anm. d. Red.), aber im Training zeigt er immer wieder, dass er einen extrem guten Abschluss hat. Er ist eine absolute Bereicherung für unsere Mannschaft.

Günter über Grifo: "Er hat einen goldenen Fuß"

SPORT1: Eine Bereicherung ist auch Vincenzo Grifo, der zuletzt viele Tore erzielt hat. Was haben Sie ihm denn in den Tee gemischt?

Günter: (Lacht) Wir spielen ja schon lange auf einer Seite zusammen. Dass er eine wahnsinnige Quote hat - auch in den letzten Jahren schon - und einen wahnsinnig guten rechten Fuß, das wissen wir hier. Jetzt schießt er auch noch die Elfmeter. Wir sind sehr froh, dass wir ihn haben. Er hat einen goldenen rechten Fuß und da musst du als Gegner schon extrem aufpassen.

SPORT1: 20 Zähler hat der SCF jetzt nach 14 Partien. In der vergangenen Saison waren es am Ende 48 Punkte. Ist das noch mal zu toppen?

Günter: Natürlich ist das irgendwo ein Ziel, aber wir wollen schnellstmöglich die Marke knacken, bei der man sagen kann: Jetzt ist man durch und hat mit dem Abstieg nichts mehr zu tun. Das ist das vorderste Ziel. Vor drei Wochen waren wir noch richtig hinten drin, jetzt fühlt es sich so an, als wären wir im gesicherten Mittelfeld. Aber wer sagt, dass hinten nicht eine andere Mannschaft auch mal eine Serie startet? Deshalb gilt es weiter, hart zu arbeiten, damit wir schnellstmöglich die Punkte haben. Wenn das dann so ist, können wir uns gerne noch mal über andere Ziele unterhalten. (Die Tabelle der Bundesliga)

"Wir müssen aufpassen, was wir träumen"

SPORT1: Also ist Träumen nicht erlaubt?

Günter: Es bringt nichts, irgendwelche Floskeln rauszuhauen, zu sagen, wir spielen um Europa, und dann verlieren wir drei Spiele hintereinander. Dann brennt der Baum. Das ist einfach unnötig. Wenn man es neutral betrachtet, waren wir vor drei Wochen noch dick im Abstiegskampf drin und das kann sich schnell wieder ändern. Wenn wir anfangen, zufrieden zu sein, wird es schlagartig in eine andere Richtung gehen.

SPORT1: Zum Thema Träumen: Sie haben am Wochenende gesagt: "Wenn ich zu sehr träume und der Trainer das hört, weiß ich nicht, ob ich nächste Woche noch spiele" ...

Günter: (Lacht) Der Trainer ist eben auch jemand, der die ganze Situation realistisch betrachtet. Er fängt nicht nach zwei Siegen an, zu sagen, wir spielen um die Champions League, oder nach zwei Niederlagen, wir steigen direkt ab. Wir müssen uns einfach immer wieder selbst hinterfragen und aufpassen, was wir sagen - und ein Stück weit auch, was wir träumen.

SPORT1: Macht es Sie als langjährigen Freiburger stolz, dass die Mannschaft in dieser Saison im Gegensatz zu anderen Jahren nach einer erfolgreichen Spielzeit relativ schnell wieder in die Spur gefunden hat?

Günter: Das ist einfach das Ergebnis harter Arbeit. Es ist nicht einfach, immer wieder Eckpfeiler in einer Mannschaft zu verlieren. Das gelingt auch nicht immer so gut und manchmal dauert es länger. Es kommt immer auch darauf an, wie die Neuen einschlagen und die Mannschaft insgesamt die Abgänge kompensieren kann. Da gibt es auch nicht Schema F, das immer funktioniert. Es kommen immer wieder neue Leute dazu und der eine kann sich schneller integrieren und der andere braucht länger. Santamaría hat sich beispielsweise extrem schnell integriert, weil er ein total offener Typ ist. Da gibt es aber auch andere, die sich erstmal schwertun, mit der Sprache, mit dem Leben insgesamt. Deshalb gibt es da wie gesagt kein Schema F, aber wir können auch einfach ein Stück weit stolz sein, dass wir über die Arbeit die Ergebnisse eingefahren haben und es sich darin widerspiegelt, wie gut die Jungs mittlerweile reingefunden haben.