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„Eine ,Sparkasse Bayern' kann ich mir nicht vorstellen“

Seit Anfang des Jahres ist Walter Strohmaier Bundesobmann der deutschen Sparkassen. Der 52-Jährige ist Chef der Sparkasse Niederbayern-Mitte aus Straubing an der Donau. Mit erst 35 Jahren führte er die Sparkasse Dingolfing-Landau – und gilt damit als jüngster Sparkassenchef überhaupt.

Für Aufmerksamkeit sorgte Strohmaier vor einem Jahr, als die Sparkasse einen Tag lang „Pizza Draghi“ im Angebot hatte. Er wollte mit der Aktion die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank unter ihrem Chef Mario Draghi verurteilen. Namhafte EZB-Vertreter hätten den Sparkassen immer wieder ans Herz gelegt, „unser Geschäftsmodell zu überprüfen, da wir zu einseitig vom Zinsgeschäft abhängig seien“.

Herr Strohmaier, die Sparkassen schimpfen über die niedrigen Zinsen und über zunehmende Regulierung. Trotzdem haben sie im vergangenen Jahr zusammen 2,2 Milliarden Euro verdient. Das Klagen kann man ihnen kaum mehr abnehmen.
Ich will auch gar nicht über die Niedrigzinsen lamentieren. Wir sind auch bei dauerhaft niedrigen Zinsen überlebensfähig, aber die Sparkassen müssen mit dieser betriebswirtschaftlichen Herausforderung umgehen. Teils sind die Niedrigzinsen nur ein Beschleuniger von Anpassungen, die auch bei den Sparkassen vermutlich ohnehin gekommen wären. Wir müssen unsere Preispolitik und unsere Kosten anschauen und uns überlegen, welche Strukturen wir uns als Sparkassenorganisation noch leisten können.

Heißt das, dass die Kunden mit höheren Bankgebühren rechnen müssen? Viele Sparkassen haben ja bereits die Entgelte für Girokonten erhöht.
Ich kann nur sagen: Girokonten sind eine Dienstleistung, die den Kunden etwas wert sein sollte. Auch die Sparkasse Niederbayern-Mitte hat die Preise angehoben und wir haben keine Kunden verloren, weil wir versuchen, unseren Kunden einen Mehrwert zu bieten.

Die Sparkasse Niederbayern-Mitte hat auch ein Kontomodell, bei dem Kunden fünfmal im Monat gratis Geld abheben können, ab dann kostet jede Barabhebung am Geldautomaten 25 Cent. Solche Gebühren werden stark kritisiert.
Die Sparkasse hat über 30 verschiedene Preismodelle beziehungsweise Produktvarianten für Girokonten und in einem Modell davon gibt es diese Regelung. Dieses Modell ist durchaus beliebt, wenn fünf Barabhebungen ausreichend sind und man dafür einen geringeren Grundpreis hat. Es gibt auch Kunden, zum Beispiel Vereine, die in der Regel kein Bargeld abheben. Wir haben unterschiedliche Konten, um den verschiedenen Kundenwünschen gerecht zu werden. Das Entscheidende ist, dass eine Sparkasse den Kunden offen erklärt, für welche Leistung sie welchen Preis zahlen.

Sie sagen, die Sparkassen müssen über ihre Struktur nachdenken. Werden sie weitere Filialen abbauen?
Wir haben da, wenn man die Infrastruktur genauer hinterleuchtet, durchaus etwas Nachholbedarf. Die Zahl der Bäckereien oder Metzgereien zum Beispiel ist bundesweit bereits viel stärker gesunken. Im Schnitt kommen die Kunden nur noch einmal im Jahr in die Filiale. Wenn die Entwicklung, dass immer mehr Menschen in die Metropolen ziehen, so weitergeht, wird die Zahl der Sparkassenfilialen auf dem Land sinken. Aber überall dort, wo die Infrastruktur vorhanden ist, wo es öffentliches Leben gibt – Schulen und Ärzten etwa – wird es auch Sparkassenfilialen geben. Dabei muss jede Sparkasse ihren Weg gehen und auch erfinderisch sein.

Wie sieht das bei Ihrer Sparkasse aus?
Wir müssen aus den reinen Servicefilialen Beratungsfilialen machen. Die Sparkasse Niederbayern-Mitte zum Beispiel hat Filialen nicht komplett geschlossen, öffnet sie aber nur, wenn Kunden Termine mit Beratern ausgemacht haben. Das kann sich eine Sparkasse auf dem Land leisten, weil die Mieten nicht so hoch sind. Wir werden auch zukünftig flächendeckende persönliche Beratung und gleichzeitig alle digitalen Dienstleistungen anbieten. Da bieten die Niedrigzinsen sogar Chancen.

Warum?
Durch die Digitalisierung, beschleunigt durch die Niedrigzinsphase, verlagern sich Serviceleistungen, zum Beispiel Überweisungen oder die Änderung von Daueraufträgen, immer stärker ins Internet und die Sparkassen konzentrieren sich auf Beratung, also ein Gespräch über die Altersvorsorge oder eine Finanzierung. Der typische Privatkunde hat nur noch durch uns Regionalbanken zum Beispiel Zugang zum Wertpapiergeschäft oder zur qualifizierten Altersvorsorgeberatung. Da reicht ihm das Internet nicht.

Es sind es bundesweit knapp 400 Sparkassen. Vor zehn Jahren waren es noch 50 mehr. Wie viele Fusionen kann es noch geben, damit die Sparkassen noch als Sparkasse vor Ort wahrgenommen werden?
Ich bin Fan der rechtlich eigenständigen regionalen Sparkasse – solange das betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Es wird weitere Fusionen geben, auch weil viele kleine Sparkassen und Volksbanken die Regulierung nicht mehr alleine stemmen können. Aber eine „Sparkasse Bayern“ oder eine „Sparkasse Hessen“ kann ich mir nicht vorstellen. Damit würden Sparkassen ihre Kunden- und Heimatnähe aufgeben. Es ist wichtig, dass die Sparkassen Entscheidungen in den Regionen treffen und nicht von Metropolen aus gelenkt werden. Wichtiger wären ohnehin Zusammenschlüsse bei den Verbundunternehmen. Den Sparkassenkunden ist es völlig egal, von welcher Landesbausparsparkasse ihr Bausparvertrag stammt.

Noch gibt es acht Landesbausparkassen und elf öffentliche Versicherer. Wird sich da etwas tun?
Das wird nicht schnell gehen. Aber aus Sicht der Sparkassen könnte es gut weniger Bausparkassen und weniger Versicherer in der Gruppe geben. Ich bin auch kein Fan davon, dass sich die Landesbanken in den Großstädten gegenseitig Konkurrenz machen. Unser Hauptwettbewerber sind die Genossenschaftsbanken. Und sie sind uns da voraus.

Weil sie nur einen Versicherer, eine Bausparkasse und ein Zentralinstitut haben. Wettbewerber sind auch Internetbanken, die stark wachsen.
Ich respektiere jeden Wettbewerber und fürchte keinen, auch die Direktbank ING-Diba und die Smartphone-Bank N26 nicht. Als ich Vorstand der Sparkasse Dingolfing-Landau war, war unser großer Konkurrent die BMW Bank, die günstigere Konditionen als wir hatten. Sie war vor Ort stark, weil in Dingolfing ein großes BMW-Werk steht und viele Mitarbeiter Kunde der BMW Bank sind. Die Sparkasse hat ihre Kunden trotzdem behalten.

Fürchten Sie denn auch Finanz-Start-ups, auch Fintechs genannt, nicht?
Ich sehe in den großen Internetkonzernen wie Google und Amazon mögliche künftige Konkurrenten, weil sie gut gefüllte Portokassen für neue Investitionen auch bei Bankdienstleistungen haben, die Fintechs weniger. Die Fintechs stehen bei uns in Berlin Schlange, um mit uns zusammenzuarbeiten. Unsere Aufgabe ist es, dass wir das Girokonto noch mehr herausheben und neue Dienstleistungen andocken. Die Sparkassen haben mit Kwitt, Yes und Paydirekt auch gute digitale Dienstleistungen.

Kwitt, das Überweisen von Handy-zu-Handy, hat auch schon 800.000 Nutzer. Aber der Identitätsdienst Yes ist noch nicht gestartet, und der Onlinebezahldienst Paydirekt bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Wir sind mit Paydirekt vielleicht etwas zu euphorisch gestartet. Die sieben Millionen Kunden, die Paydirekt Ende 2017 erreichen wollte, haben wir nicht geschafft. Aber immerhin sind es 1,8 Millionen. Es wäre gut gewesen, wenn allen von Anfang an bewusst gewesen wäre, dass die Markteinführung eines neuen Internetbezahlsystems kein Sprint, sondern ein Marathonlauf wird.

Eines der neuen Projekte der Sparkassen ist das Smartphone-Konto Yomo. Auch das ist noch immer in der Testphase. Wird die Sparkasse Niederbayern-Mitte Yomo ihren Kunden anbieten?
Das haben wir aktuell nicht vor. Wir haben die typischen Yomo-Kunden auch nicht. Es gibt mit dem Forschungszentrum Campus Straubing zwar einen Arm der Technischen Universität München, aber bisher erst einige hundert Studenten. Wir fahren erst einmal unsere eigene Onlinestrategie.

Herr Strohmaier, vielen Dank für das Gespräch.