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Flüchtlingshelfer bei Dunja Hayali: Wir bekommen Morddrohungen

Flüchtlingshelfer Titus Molkenbur, Foto: Screenshot ZDF
Flüchtlingshelfer Titus Molkenbur, Foto: Screenshot ZDF

Es war die letzte Sendung von Dunja Hayali in diesem Jahr – und die mit Abstand beste Ausgabe der ZDF-Talkshow. Statt wie sonst innerhalb von einer Stunde durch drei Themen zu rasen und keines davon gründlich zu beleuchten, konzentrierte sich Hayali auf einen Schwerpunkt: Flüchtlinge. Fast 97 000 Menschen erreichten von Januar 2017 bis heute Italien. Das Land ist überfordert und Europa tief gespalten. Was tun angesichts der vielen Menschen, die in Europa eine bessere Zukunft suchen? Aus drei Perspektiven wolle sie das Problem betrachten, sagte Hayali zu Beginn.

Blickwinkel eins: Die Hilfsorganisationen

Für die einen sind sie Retter, für andere Schlepper. Kritiker werfen den Nichtregierungs-Organisationen (NGO) vor, mit kriminellen Schlepperbanden zusammenzuarbeiten. Anfang August wurde die „Juventa”, ein Schiff der deutschen NGO „Jugend Rettet”, auf Lampedusa von italienischen Behörden festgesetzt. Der Vorwurf: Mitarbeiter von „Jugend Rettet” hätten sich der „Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt” schuldig gemacht. Die Besatzung habe Menschen nicht aus Seenot gerettet, sondern direkt von Schleppern übernommen.

Im Studio saß der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der seit einer halben Ewigkeit seinen Abschied aus dem Bundestag zelebriert, dafür aber erstaunlich omnipräsent ist. Bosbach gab zu, dass er keine Ahnung hat. Er sagte: „Hand in Hand mit Schleppern zu arbeiten, ist inakzeptabel, aber ich kann nicht beurteilen, inwieweit das die Seenotretter tun.” Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen sagte: „Auch ohne die Seenotretter würden die Flüchtlinge aus Libyen nach Europa aufbrechen, einfach weil die Lage in den Lagern katastrophal ist.”

14.000 Menschen gerettet

Deutlich aufschlussreicher war die Sichtweise des dritten Gastes. Titus Molkenbur, Sprecher von „Jugend Rettet”, ist unmittelbar dabei, wenn Menschen unter Lebensgefahr in überfüllten Schlauchbooten über das Meer fliehen. Molkenbur bestritt, dass seine Organisation mit Schleppern zusammenarbeitet. „Wir haben seit 2015 rund 14.000 Menschen gerettet. Dass dieses Projekt nun ein vorläufiges Ende findet, tut furchtbar weh.”Er habe Menschen mit Schusswunden getroffen und Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. „Und dann sitzen Leute in Deutschland auf der Couch und sagen, wir seien ein Taxiservice für Flüchtlinge, das macht mich wütend”, empörte sich der junge Aktivist.

Molkenbur erzählte, wie die Diskussion um Flüchtlinge immer weiter verroht. Die Mitarbeiter von „Jugend rettet” bekämen seit Wochen Morddrohungen. Auch er persönlich. „Das ist eine große Belastung”, sagte Molkenbur.

Man fragt sich, was schief läuft, wenn in einem der reichsten Länder der Erde jene mit dem Tod bedroht werden, die andere Menschen vor dem Tod bewahren.

Blickwinkel zwei: Das Flüchtlingsdrama an der Riviera

Rund 97 000 Flüchtlinge haben dieses Jahr Italien erreicht – und sitzen nun dort fest. Viele wollen weiter nach Norden, vor allem nach Deutschland und Skandinavien. Dunja Hayali hat mit einem Kamerateam Ventimiglia besucht, einen Ort an der italienisch-französischen Grenze. In dem Urlaubsparadies leben 25 000 Einwohner, zahlreiche Touristen und – über tausend Flüchtlinge. Sie hausen in überfüllten Lagern oder unter Brücken.

Dunja Hayali im italienischen Ferienort Ventimiglia im Gespräch mit den Flüchtlingen Mohamed und Sülejman, Foto: ZDF/Ole Jürgens
Dunja Hayali im italienischen Ferienort Ventimiglia im Gespräch mit den Flüchtlingen Mohamed und Sülejman, Foto: ZDF/Ole Jürgens

CDU-Mann Bosbach sah die Schuld an solchen Zuständen bei Staaten, wie Ungarn, die sich weigern, Flüchtlingen Asyl zu bieten. „Das sind ausgerechnet jene Länder, die die meisten EU-Subventionen bekommen”, kritisierte er.

Kilian Kleinschmidt, der frühere Chef eines der größten Flüchtlingslagers der Welt, stellte klar, dass auch Deutschland in diesem Jahr weniger Flüchtlinge aufgenommen habt, als versprochen. Er hält es für einen Mythos, dass man Migration verhindern kann. Man müsse Migration managen. Kleinschmidt sagte: „Derzeit sind eine Milliarde Menschen auf der Flucht, darunter 65 Millionen Kriegsflüchtlinge, nur etwas über 100.000 seien davon nach Europa gelangt. „Das ist einmal das gefüllte Wembley-Stadion und müsste von einem Kontinent mit 500 Millionen Einwohnern zu bewältigen sein”, ist der Experte überzeugt.

Blickwinkel drei: Die Helfer in Deutschland

Die Integration von über einer Million geflüchteter Menschen brachte ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, Behörden und Ämter an ihre Belastungsgrenze. Wie ist die Situation zwei Jahre, nachdem die Kanzlerin ihren berühmten Satz „Wir schaffen das!” das erste Mal aussprach?

Eingeladen war Christine Domek-Rußwurm. Sie sitzt für die CSU im Gemeinderat ihres Heimatorts Frasdorf bei Rosenheim und engagiert sich seit 2013 ehrenamtlich für Flüchtlinge. Sie sagte: „Das ist eine Mammutaufgabe. Aber wenn man sich mal die anderen Länder anschaut, dann machen wir es gut, und dann macht es auch die Politik gut.”

Misserfolge bei der Integration

Dabei verschwieg Domek-Rußwurm nicht ihre Misserfolge. Ein junger Flüchtling, dem sie einen Job in einem Sterne-Restaurant organisiert hatte, sei nicht zur Arbeit erschienen. Das sei frustrierend. „Es gibt Flüchtlinge, die sich nicht integrieren wollen, die unsere Sozialsysteme ausnutzen und die sollen auch wieder gehen”, sagte die CSU-Frau, fügte aber hinzu: „Flüchtlinge, die sich nicht integrieren wollen, sind die absolute Minderheit.”

Katja Schneidt, ebenfalls Flüchtlingshelferin sieht auch jene Muslime in der Pflicht, die schon länger hierzulande leben. Schneidt sagte. „Nur 0,3 Prozent aller Flüchtlingshelfer sind Muslime, aber diese Menschen bräuchten wir für als Helfer.” Die meisten Flüchtlingen seien nun mal Muslime und Muslime, die bereits in unserem Land angekommen sind, könnten viel besser vermitteln, wie Integration funktioniert.

Trotz aller Probleme sei sie weiter aktiv. Leute, die sie dafür als „Gutmensch” beschimpfen, rät sie: „Begleitet mich doch mal eine Woche bei der Flüchtlingshilfe und dann reden wir noch einmal.” Doch das nähmen die meisten Kritiker nicht in Anspruch. „Die, die am lautesten schreien, sind leider die, die am wenigsten tun”, sagte Schneidt. Ein trauriger, aber wahrscheinlich realistischer Schlusssatz. Dann war die vorerst letzte Ausgabe der Talkshow von Dunja Hayali auch schon fast zu Ende. (fb)

Hier gibt’s die TV-Kritik von letzter Woche

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