Filmkritik zu Atomic Blonde: Kalter Krieg, coole Killerin

Charlize Theron als Agentin Lorraine Broughton in
Charlize Theron als Agentin Lorraine Broughton in “Atomic Blonde” (Bild: Universal Pictures)

Die weibliche Antwort auf “John Wick” – so wird “Atomic Blonde” immer wieder gern beschrieben. Was soll uns das sagen? Wieso Antwort? Und was war überhaupt die Frage? Natürlich handelt es sich in beiden Fällen um hochstilisierte, äußerst sorgfältig choreographierte Action-Thriller, bei denen David Leitch Regie führte – bei “John Wick” zusammen mit Chad Stahelski, bei “Atomic Blonde” solo.

Das viel zu oft bemühte Attribut “weibliche Antwort auf” wertet das damit beschriebene Werk aber von vornherein ab. Denn es impliziert: John ist das Original, die Blonde bloß die Kopie. Das feminine Imitat eines maskulinen Pioniers. Zuerst Adam, dann Eva, ist doch klar.

Das wird “Atomic Blonde” nicht gerecht. Die kurz vor dem Fall der Mauer spielende Verfilmung von Antony Johnstons Graphic Novel “The Coldest City” steht ganz gut auf eigenen Beinen und weiß mit anderen Reizen als der ohnehin nicht kopierbare John Wick zu gefallen. Wie dem spröden “Cold War”-Setting in Berlin. Dem schönen Einfall, einen Hollywood-Film mit dem Sound der Neuen Deutschen Welle zu untermalen. Und natürlich Charlize Theron, die als schlagkräftige MI6-Agentin Lorraine Broughton eine Liste mit brisanten Informationen über Sowjetagenten finden muss.

Am Ende ihrer Kräfte

In “Atomic Blonde” läuft Charlize Theron zur Hochform auf, lässt als unterkühlte, unnahbare Heldin tief blicken, ohne viel sagen zu müssen und legt in den Action-Szenen eine körperliche Präsenz an den Tag, die atemberaubend ist. Eine wahre Wucht ist ihr Versuch, einen verwundeten Informanten vor den Schergen ihrer Gegenspieler zu schützen, indem sie sich durch ein Treppenhaus voller Killer prügelt, um sich gleich darauf, blutverschmiert und am Ende ihrer Kräfte, eine Verfolgungsjagd auf der Straße liefern zu müssen. Der Clou: David Leitch inszeniert die minutenlange, perfekt getimte Tour de Force ohne erkennbaren Schnitt, gönnt damit weder uns noch seiner Heldin eine Atempause.

Über weite Strecken setzt “Atomic Blonde” mehr auf Look und Stimmung als auf Suspense. Wie Leitch die zunehmende Erschöpfung einer mit allen Mitteln um ihr Leben kämpfenden Agentin im Laufe der Treppenhaus-Szene spürbar werden lässt, sucht im Action-Kino aber seinesgleichen.

“Atomic Blonde” ist ab dem 24. August im Kino zu sehen.

Autor: Carlos Corbelle