Filmkritik: Willkommen bei den Hartmanns – Eine schrecklich nette Familie

Eric Kabongo und Elyas M’Barek in
Eric Kabongo und Elyas M’Barek in “Willkommen bei den Hartmanns”

Um es gleich vorwegzunehmen: “Willkommen bei den Hartmanns” ist ein gut gemeintes Desaster. Die titelgebende Sippe, eine gutbürgerliche Familie mit Vater in der Midlife Crisis (Heiner Lauterbach), erfolgloser Tochter im Selbstfindungsprozess (Palina Rojinski), erfolgreichem Sohn im Karrierewahn (Florian David Fitz) und einsamer Mutter (Senta Berger) in der Pflicht, die Handlung voranzutreiben, nimmt auf Drängen besagter Mutter einen Flüchtling bei sich auf. Die Wahl fällt nach flottem Casting auf den jungen Nigerianer Diallo Makabouri (Eric Kabongo). Und schon kann es losgehen mit der bevormundenden Feel-Good-Lektion in Sachen Deutschsein, über die nach Kinostart das ganze Land diskutieren dürfte.

Kommentar zur Flüchtlingskrise

“Ich fand es spannend, eine gutbürgerliche Familie mit ihren Problemen einem Menschen aus einem völlig anderen Kulturkreis gegenüberzustellen, der ganz andere, ja viel härtere Probleme erlebt hatte”, heißt es in einem Statement von Regisseur Simon Verhoeven, der bereits im Frühjahr letzten Jahres, also vor der viel diskutierten Flüchtlingskrise, mit der Entwicklung seiner Komödie begann. “Damals hätte ich natürlich nicht im Traum daran gedacht, dass diese kleine Situation, dieser Nukleus der Familie irgendwann mal als eine Art Metapher für das ganze Land verstanden werden könnte, dass darin gar eine Art Gesellschaftssatire gesehen werden könnte.”

Nun sind die Hartmanns viel zu vordergründig, um als Metapher für das ganze Land verstanden zu werden und die Komödie viel zu zahm, um als Gesellschaftssatire durchzugehen. Dennoch kann man inzwischen tatsächlich nicht anders – ob von Verhoeven beabsichtigt oder nicht – als in dem Film einen Kommentar zur derzeitigen Flüchtlingskrise zu sehen. Umso bedauerlicher, dass er gerade als solcher so kläglich scheitert.

Senta Berger und Eric Kabongo in
Senta Berger und Eric Kabongo in “Willkommen bei den Hartmanns”

Der von den Hartmanns aufgenommene Diallo dient als Vorzeigeflüchtling von nebenan, als braver, integrationswilliger Exot ohne Eigenschaften, dem man nur oft genug die Vorzüge des Deutschseins erklären muss, um ihn zum gutbürgerlichen Flüchtling of Choice zu formen. Wie einem lieben, aber letztlich halt doch törichten Kind müssen ihm seine wohlmeinenden Gastgeber immer wieder erklären, wie das in diesem “freien, toleranten, geilen Land” (Zitat eines von Elyas M’Barek gespielten Arztes) so läuft mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, der Toleranz gegenüber Andersdenkenden und der richtigen Handhabung des Akkusativs: “Danke für die Tee”, sagt Diallo. “Den Tee”, korrigiert Mutter Hartmann mit der gönnerhaften Geduld einer überlegenen Pädagogin.

Wird er nicht gerade belehrt, muss Diallo auf die Tränendrüse drücken. Schließlich will die Komödie niemandem weh tun, sondern in gewohnt seichter “Fack ju Til Schweighöfer”-Manier das Herz des Mainstreamzuschauers erwärmen. Und so werden die schrecklichen Vorkommnisse, die ihn zur Flucht aus seiner nigerianischen Heimat zwangen als klebrig-sentimentales Rührstück erzählt – inklusive Schulaufsatz und traurig dreinblickenden Kinderaugen im Klassenzimmer. Indes müssen die weniger dankbaren Flüchtlinge von Diallo daran erinnert werden, dass sie alle bloß Gäste in diesem Land seien: “Wir wohnen alle unter ihrem Dach”, ermahnt er sie – mit Betonung auf ihrem. Ein geradezu programmatischer Satz, der die unerträglich zurechtweisende Hausherrenhaltung des Films auf den Punkt bringt.

Abziehbilder zweier Extreme

Die Begegnung zwischen Gast und Gastgeber ist eine, die auch deshalb nie auf Augenhöhe stattfindet, weil die Flüchtlinge in Verhoevens kurzsichtiger Komödie keine echten Individuen, sondern gefällige Abziehbilder zweier Extreme sind. Entweder handzahm und deutschifizierbar oder bedrohlich und radikal – dazwischen gibt es nur Statisten. So ist der einzig nennenswerte Flüchtling neben Diallo nicht nur grenzenlos borniert, sondern auch bereit, einen Anschlag zu verüben, wie sich am Ende des Films doch tatsächlich herausstellt. Wobei die eigentliche Pointe darin liegt, dass ausgerechnet dieser undankbare Zeitgenosse jene Lederjacke trägt, die Frau Hartmann einst dem Flüchtlingsheim gespendet hatte. Scheiß Terroristen, nehmen uns Deutschen die Lederjacken weg!

Willkommen bei den Hartmanns
Willkommen bei den Hartmanns

Will das aktuelle Kino den gesellschaftsvergiftenden Hassparolen von AfD und Pegida Paroli bieten, braucht es mehr als einen Stoff, der die Geilheit Deutschlands heraufbeschwört. Angesichts erstarkender Rechtspopulisten, zunehmender Anschläge auf Flüchtlingsheime und lauter werdender Ressentiments gegenüber Migranten sollte ein Filmheld wie Diallo uns den Spiegel vorhalten und wachrütteln statt das latent schlechte Gewissen der schweigenden Mehrheit durch seine genügsame Bekräftigung des German Way of Life besänftigen zu müssen.

Kinostart: 3. November 2016

Bilder: © 2016 Warner Bros. Ent.