Filmkritik: "Suffragette - Taten statt Worte" - Mit groben Strichen für eine bessere Welt

Heldin im Off
Wer ist diese Frau, die die Welt ein bisschen zum Besseren verändert hat? In “Suffragette - Taten statt Worte” werden wir es nicht erfahren. Zwar kreist alles in Sarah Gavrons Drama um Emmeline Pankhurst (Meryl Streep), die mit der Gründung der “Woman’s Social and Political Union” Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien für Furore sorgte. Zu sehen ist die Frauenrechtlerin im Film allerdings kaum mehr als fünf Minuten. Vom Balkon aus tritt sie ihren Anhängerin entgegen, um ihre Botschaft zu verkünden: Taten statt Worte - der deutsche Verleihtitel hat ausnahmsweise seine Berechtigung. Denn Pankhurst hat längst begriffen: Worte in einer von Männern dominierten Gesellschaft haben keine und bleiben ohne Wirkungen.

Wie sich diese Entschlossenheit in Taten manifestiert, das bekommt bald auch Maud Watts (Carey Mulligan) unmittelbar zu spüren. Die Wäscherei-Angestellte erledigt für ihren fiesen Chef gerade einen Botengang, als am helllichten Tag eine Frau ein Schaufenster demoliert und lauthals das ‘Wahlrecht für Frauen’ einfordert. Maud ist schockiert und fasziniert zugleich. In der Wäscherei, in der sie seit ihrer Kindheit arbeitet, herrschen katastrophale Bedingungen. Das mickrige Gehalt, das weit unter dem Niveau der Männer liegt, reicht kaum fürs Leben, und der Chef vergreift sich an den jungen Arbeiterinnen, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. Auch Maud war einst sein Opfer.

Taten mit Folgen
Immer tiefer taucht die junge Mutter in die Welt der Suffragetten ein - mit schwerwiegenden Folgen. Nicht nur gerät sie deshalb ins Visier der Polizei, die sie mehrmals verhaften wird. Ihr Engagement führt auch zur sozialen Isolierung und massiven Problemen mit ihrem Mann Sonny (Ben Whishaw). Der hält nicht viel von der Abschaffung des Status quo, droht Maut mit der Scheidung und benutzt ihren gemeinsamen Sohn dabei als Druckmittel. Was ist der Wunsch einer Frau schon wert, wenn vor Gericht um das Sorgerecht gestritten wird?

Es gibt einige interessante Ideen, die sich Gavron und ihre Drehbuchautorin Abi Morgan (“Die Eiserne Lady”, “Shame”) für “Suffragette - Taten statt Worte” haben einfallen lassen. Die Vermengung einer fiktiven Geschichte mit realen Figuren vor historischen Ereignissen gehört ebenso dazu wie die Tatsache, dass die Realität zugunsten der Fiktion in den Hintergrund geraten ist. Dass Emmeline Pankhurst nur zwei kleine Szenen bekommen hat, wird ihrer historischen Bedeutung vielleicht mehr gerecht, als wenn sie Mittelpunkt eines ganzen, womöglich mit Pathos aufgeladenen Films geworden wäre.

Schwarz-Weiß statt Grau in Grau
So sehr aber “Suffragette” frischen Wind ins Biopic-Genre bringt, so einfallslos ist der Film als Melodram geraten. Hier machen es sich Gavron und Morgan doch etwas zu leicht. Das politische und gesellschaftliche Unrecht gegenüber Frauen zu Anfang des 20. Jahrhunderts ist nicht von der Hand zu weisen. In einigen Ländern, mehr noch: in einigen Bereichen selbst in der westlichen Welt haben Frauen gegenüber Männern noch immer das Nachsehen. In der filmischen Ausformulierung der Missverhältnisse aber kommen Gavron und Morgan nicht über Plattitüden hinaus.

Fein säuberlich trennen sie die beiden Welten von einander, hier die Ungerechtigkeit, dort das Leid, hier die gemeinen Männer, dort deren ohnmächtigen Opfer, hier die Ursache, da die Reaktion. Grauabstufungen gibt es in ihrem Schwarz-Weiß-Bild - mit einigen wenigen Ausnahmen - nicht. Aber vielleicht, das dachten sich wohl die Filmemacherinnen, kann die künstlerische Darstellung großer Missstände nicht anders als schematisch sein, wenn nur so Änderungen erreicht werden können. Vor einem ähnlichen Problem stehen schließlich auch ihre Suffragetten, die zur Tat schreiten mussten, weil ihre Worte ungehört blieben.

Bilder: Concorde Filmverleih

Kinostart: 4. Februar 2016